Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 45 / 07.11.2005
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Günter Pursch

Den Föderalismus reformieren

Antrittsrede des neuen Bundesratspräsidenten Peter Harry Carstensen

Zu entschlossenem Handeln hat der neue Bundesratspräsident Peter Harry Carstensen (CDU) die Parlamente und die künftige Bundesregierung aufgerufen. Die Politiker müssten angesichts der großen Probleme, vor denen Deutschland stehe, ihre Verantwortung ernst nehmen. In seiner Antrittsrede vor der Länderkammer am 4. November setzte er sich vehement für eine Reform des Föderalismus ein. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen übernimmt das Amt turnusgemäß für ein Jahr.

Alle politischen Kräfte seien sich einig, "unser Land zu erneuern", sagte er. Dazu gehöre auch, die politischen Entscheidungsprozesse in Deutschland und in Europa zu beschleunigen. Die über Jahrzehnte gewachse Verflechtung der Länder, des Bundes und der Europäischen Union birge immer häufiger die Gefahr, dass sich die verschiedenen Ebenen nicht immer sinnvoll ergänzten. "Damit Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Kommunen, der Länder, des Bundes und Europas für die Bürgerinnen und Bürger wieder durchschaubarer werden, brauchen wir Fortschritte vor allem bei der Reform des Föderalismus", hob Carstensen hervor. Deshalb müssten Überregulierungen abgebaut und dem Subsidiaritätsprinzip wieder mehr Geltung verschafft werden: "Aufgaben, die die Kommune lösen kann, soll die Kommune lösen. Aufgaben, die ein Land lösen kann, muss das Land lösen. Erst dann ist der Bund, ist die EU gefragt." Selbstbewusste Länder prägten die Bundesrepublik Deutschland, sie seien Garanten für einen innerstaatlichen Wettbewerb. Seine Forderung: "Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Länder in der Lage sind, aus eigener Kraft ihre Aufgaben zu erfüllen."

Nach den Worten des Politikers wollen die Menschen in Deutschland, dass die Politik wieder "transparent, effektiv und vor allem nah an den Bürgerinnen und Bürgern gestaltet" werde. Politische Entscheidungen müssten dort getroffen werden, wo sie hingehörten: "in den Parlamenten, bei den gewählten Vertreterinnen und Vertretern des Volkes". Dies schaffe neues Vertrauen und gelte sowohl für den Bund als auch für die Länder. Deshalb trete er für eine Entzerrung und Entflechtung der Kompetenzen, für klare Zuständigkeiten und für durchschaubare Strukturen ein. Was in der Politik nicht durchschaubar sei, wecke Misstrauen und bereite den Boden für Radikale. Deshalb trete er ein für eine so verstandene Neuverteilung der Aufgaben zwischen dem Bund und den Ländern. Im Hinblick auf die von ihm geführte schwarz-rote Landesregierung in Kiel und die sich immer stärker abzeichnende Große Koalition in Berlin unterstrich er wörtlich: "Nutzen wir das Zeitfenster, das sich jetzt öffnen wird, damit beide, die Länder ebenso wie der Bund, wieder echte Möglichkeiten der Gestaltung zurückgewinnen können. Dadurch würden wir auch der Gefahr einer gegenseitigen Blockade den Boden entziehen."

Neben den innerstaatlichen Herausforderungen sei man auch vor die Aufgabe gestellt, "Europa handlungsfähig und zukunftsfest" zu gestalten. Es gelte, die EU zu festigen, "ohne dabei immer mehr Zuständigkeiten und Kompetenzen" nach Brüssel zu verlagern: "Auch hier ist Klarheit die Voraussetzung für größere Akzeptanz", hob Carstensen hervor. Er trete dafür ein, die Werte deutlich zu machen, die "uns in der EU verbinden".

Der Auftrag des Föderalismus in Deutschland laute, die Einheit der Bundesrepublik in ihrer Vielfalt zu gestalten. "Die von allen getragenen Werte dabei sind Demokratie, Humanität und soziale Gerechtigkeit." Diese müssten auch die Grundlagen für die Weiterentwicklung der Europäischen Union sein. "Ausnahmen - aus welchen Gründen auch immer - darf es nicht geben, sonst droht Europa als verbindende Wertegemeinschaft zu scheitern", warnte der Politiker.

Zum Abschluss seiner Rede betonte Carstensen, es komme darauf an, "dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren". Man brauche den Mut, eine neue Balance von staatlicher Vorsorge und eigener Verantwortung zu entwickeln. Man benötige die Kraft, die politischen Entscheidungsprozesse zu entflechten, sie für die Menschen wieder durchschaubar zu machen. Man brauche wieder mehr Begeisterung für die "großartige europäische Idee". "Dann werden wir die ökonomischen und globalen Herausforderungen meistern. Wir werden unsere Chancen in einer verflochtenen Welt, in einem erweiterten Europa und in einem erneuerten Deutschland nutzen, wenn sie entschlossen handeln und auf die Bürgerinnen und Bürger vertrauen."


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