Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 46 / 14.11.2005
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Florian Kain

Elternversagen nicht vorhersehbar

Jugendhilfepolitik in Hamburg

Nachdem in Hamburg mehrere Fälle von schwerer Kindesvernachlässigung bekannt geworden sind, ist in der Stadt eine scharfe Kontroverse über die Jugendhilfepolitik ausgebrochen. Im Zentrum der Debatte steht Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), der Vertreter der Oppositionsparteien SPD und Grün-Alternative Liste (GAL) in der Aktuellen Stunde der Hamburgischen Bürgerschaft am 9. November vorwarfen, die Probleme nicht mit der nötigen Konsequenz anzugehen und die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Tenor: Die Senatorin wisse gar nicht, was sich in der Stadt für soziale Dramen abspielten. So erklärte etwa die GAL-Abgeordnete Christiane Blömeke: "Es gibt immer mehr Armut in Hamburg, immer mehr Kinder sind krank und nicht richtig ernährt." Tatsächlich waren Polizeibeamte vorwiegend in Hamburger Problemstadtteilen im Laufe der vergangenen Wochen gleich in mehreren Fällen - mitunter zufällig - auf Wohnungen gestoßen, in denen Eltern ihre Kinder auf grausame Weise verwahrlosen ließen. Für besonders große Aufregung hatte zuvor die Entdeckung zweier verwahrloster Geschwister im Alter von zwei und vier Jahren gesorgt, die bei einem Polizeieinsatz in Wilhelmsburg zwischen Müll und Exkrementen aufgefunden wurden.

In dem Streit, der nun ausgebrochen ist, geht es um die persönliche Verantwortlichkeit der zuständigen Senatorin, die inzwischen über eine Bundesratsinitiative zur Veränderung des Sorgerechts nachdenkt. Denn wenn Eltern als Erziehungsberechtigte versagen, scheitert der Staat mit seinen Maßnahmen häufig am Sorgerecht, dass die Eltern dennoch haben. Schnieber-Jastram steht auf dem Standpunkt, dass bereits "viel getan" wurde und verweist auf den erfolgten Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten und einen "so gut wie niemals zuvor ausgestatteten Sozialen Dienst" in den Bezirken. Grundsätzlich könne die Behörde nur dort eingreifen, "wo wir auch Hinweise bekommen". Nachbarn und Bekannte müssten wachsam sein und sich an Polizeistellen oder das Jugendamt wenden, wenn sie den Verdacht haben, dass Kinder in Not sind. Ab Januar soll zusätzlich eine Telefon-Hotline existieren, bei der sich besorgte Bürger melden können.

Proteste der Opposition

Für wütende Proteste und Gelächter sorgte die Senatorin, als sie in der Bürgerschaftsdebatte an die Verantwortlichkeit der jahrzehntelang in Hamburg regierenden SPD erinnerte: "Wer hat denn die problematischen Stadtteile wie Wilhelmsburg, Kirchdorf oder Mümmelmannsberg zu verantworten? Die SPD soll nicht so tun, als ob sie damit nichts zu tun hat. Es hat keine Familienpolitik vor unserem Amtsantritt gegeben!" Damit versuchte Schnieber-Jastram, nach wochenlangem Dauerbeschuss durch die Opposition in die Offensive zu gehen. Der SPD-Abgeordnete Dirk Kienscherf konterte, die Senatorin habe bereits sieben Monate Zeit gehabt, Konsequenzen aus dem schrecklichen, damals bundesweit beachteten Fall der verhungert aufgefunden Jessica zu ziehen. Doch nichts sei geschehen. Kienscherf hält unter anderem die Einführung eines fallbezogenen Managements für nötig, damit Problemfamilien nicht aus den Augen verloren werden.

Schnieber-Jastram betont indes immer wieder, dass der Staat Fehlverhalten von Eltern nicht vorhersagen kann. In den aktuell bekannt gewordenen Fällen hätten sich aus den Akten keine Hinweise über die Not der Kinder ergeben. Der CDU-Politiker Egbert von Frankenberg appellierte deshalb an die Opposition, sich in ihrer Kritik zu mäßigen: "Die Politik allein kann es nicht schaffen."


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