Lebhafter, spannender und aktueller sollen die Landtagsdebatten in Zukunft sein, um dem Parlament wieder mehr Bedeutung und Ansehen zu verschaffen." Das sei das Ziel der Parlamentsreform, auf die sich die vier niedersächsischen Landtagsfraktionen geeinigt haben, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion Bernd Althusmann. Die Änderungen in der Geschäftsordnung betreffen vor allem den Debattenstil im Plenum.
So soll der Ältestenrat auf Vorschlag der Fraktionen die Tagesordnung nach Aktualität, Themenschwerpunkten und Sachzusammengehörigkeit sortieren statt nach Eingang und Lage der Drucksachen. Im Vorfeld soll auch die Reihenfolge der "Kleinen Anfragen" festgelegt werden. Die Fraktionen erhalten dabei abwechselnd das Recht auf die erste Frage.
Außerdem können die Fraktionen ihre Redezeit in Zukunft unterschiedlich gewichten und damit politische Akzente setzen. Es bleibt jeder Fraktion überlassen, für welche Tagesordnungspunkte sie zusätzliche Redezeit und für welche sie wenig oder gar keine Redezeit beantragt. Die Parlamentarischen Geschäftsführer müssen also fortan penibel über die Redezeiten ihrer Abgeordneten wachen.
Aber: Zwischenfragen werden nicht auf die Redezeiten angerechnet und können die Debatte deshalb wieder mehr beleben. Man habe sogar über eine unbegrenzte Redezeit gesprochen, wie es in den 70er-Jahren üblich gewesen war, berichtet Althusmann. Diese Möglichkeit wurde zugunsten der Selbstdisziplinierung des Parlaments verworfen.
Spannende Auseinandersetzungen und glühende Debatten erhoffen sich die Parlamentarier von der neuen Regelung der Kurzintervention. Die Fraktionen bekommen nach jedem Debattenbeitrag Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung von höchstens drei Minuten, auf die noch einmal geantwortet werden kann. Hier können Abgeordnete jetzt spontan ihre Meinung kundtun, über Themen streiten und müssen ihre Kommentare und Kritik nicht umständlich in der Fragestunde platzieren.
Neu ist auch das Selbstbefassungsrecht der Ausschüsse. Es gibt ihnen die Möglichkeit, sich jederzeit mit Sachfragen zu beschäftigen, auch wenn sie nicht vom Parlament in den Ausschuss überwiesen worden sind. Außerdem soll die dauernde Wiederholung von Themen und Standpunkten vermieden werden, indem auf eine zweite Beratung verzichtet wird, wenn in der ersten Beratung bereits alles gesagt worden ist.
Insgesamt zeigten sich die Fraktionen zufrieden mit dem Ergebnis der Reform. Sie stärke die Möglichkeiten der kleinen und der Oppositionsparteien, so deren Vertreter. SPD und Bündnis 90/Die Grünen betonten aber, dass der Kompromiss hinter den Vorschlägen der Enquêtekommission zurückgeblieben sei. Die Kommission hatte empfohlen, zweitägige Plenarsitzungen im Drei-Wochen-Rhythmus abzuhalten und die Ausschüsse öffentlich tagen zu lassen. In diesen Punkten konnten sich die Oppositionsfraktionen nicht durchsetzen. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Ursula Helmhold, empfahl einen Besuch im Bayerischen Landtag, wo öffentliche Ausschusssitzungen längst zum Alltag gehörten. CDU und FDP befürchten hingegen, dass die öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse zu oft für Fensterreden genutzt und schwierige Entscheidungsfindung deshalb in andere Gremien vorverlagert würden. "Das Parlament ist ein öffentlicher Ort", entgegnet Helmhold und kündigt an, sich für das Gebot der Transparenz weiter einzusetzen. Ab Januar 2006 wollen die Abgeordneten ihr neues Parlamentsmodell drei Monate testen. Dann wird sich zeigen, ob die neue Debattenkultur tatsächlich hilft, um die Außenwirkung und das Ansehen des Parlaments zu verbessern.