Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 48 / 28.11.2005
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Günter Pursch

Manager der Macht

Volker Kauder, Peter Struck und Peter Ramsauer

Volker Kauder, Peter Struck und Peter Ramsauer sind die Manager der Macht im Bundestag. Kauder für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Struck für die SPD-Fraktion und Peter Ramsauer für die CSU-Landesgruppe. Ihre erste Bewährungsprobe haben die drei bereits am ersten Arbeitstag der Großen Koalition im Bundestag überstanden. Bei ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin erhielt Angela Merkel 397 Stimmen - 51 weniger als die schwarz-rote Koalition Sitze im Parlament hat.

Aus der SPD waren zuvor Stimmen laut geworden, wegen des schlechten Abschneidens von Wolfgang Thierse bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten könne die Kanzlerkandidatin mit einer Reihe von Nein-Stimmen rechnen. Und auch innerhalb der eigenen Fraktion - so wurde gemutmaßt - könne der eine andere bei der geheimen Abstimmung Merkel die Gefolgschaft verweigern. Doch das Krisenmanagement hat funktioniert. Bevor es überhaupt zu einer Krise kommen konnte. Ganze Kolonnen von Chronisten hatten zuvor mit mehr Ablehnung bei der Wahl Merkels gerechnet.

Und nach der Wahl konnten die neuen Koalitionäre darauf verweisen, dass noch kein Bundeskanzler zuvor so viele Stimmen auf sich vereinigen konnte. Nur einmal, 1998 bei der ersten Wahl von Gerhard Schröder, gab es für den Kandidaten mehr Stimmen als die damalige Koalition Sitze im Bundestag hatte. Bei allen anderen Kanzlerwahlen seit 1949 konnte kein Bewerber um das Amt des Regierungschefs alle Abgeordneten aus dem eigenen Lager für sich gewinnen. Es gab stets Abweichler. Am schlimmsten traf des Kurt Georg Kiesinger. Gegen ihn votierten 1966 immerhin 140 Abgeordnete der Großen Koalition, die 1969 endete.

Und jetzt, in der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, arbeiten zwei Fraktionen im Regierungsbündnis zusammen, die seit 36 Jahren in politischer Gegnerschaft zueinander standen, jeweils abwechselnd als Regierungs- oder Oppositionsfraktion. Und in dieser Zeit schenkte man sich politisch nun wahrlich nichts. Kauder, Struck und Ramsauer müssen nun der Regierung die parlamentarischen Mehrheiten sichern. Sie müssen aus ihrem parlamentarischen Selbstverständnis heraus aber auch die Regierung kontrollieren. Sicherlich keine leichte Aufgabe. Aber wer sind die handelnden Führungspersönlichkeiten?

Als CDU-Generalsekretär hatte Kauder sich noch vor wenigen Wochen - man erinnere sich, es war in der heißen Phase des Wahlkampfes - gar nicht vorstellen können, dass es eine Große Koalition im Bund geben könne. Die SPD, so sagte er damals, "ist Teil des Problems". Doch der Wähler hatten am 18. September anders entschieden. Es gab kaum eine andere Möglichkeit, eine stabile Regierung zu bilden, als die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD. In den Vorbereitungsgesprächen kamen sich die bisherigen politischen Gegner näher. Mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Olaf Scholz, duzt sich Kauder mittlerweile.

Kauder, Jahrgang 1949, hat eine steile politische Karriere hinter sich. Er war gerade 17, als er 1966 in die Junge Union eintrat. Nach dem Abitur leistete er seinen Wehrdienst ab, und studierte Rechtswissenschaft in Freiburg. Nach dem Zweiten Staatsexamen arbeitete er ab 1978 in der Verwaltung des Landes Baden-Württemberg und wurde 1980 stellvertretender Landrat des Kreises Tuttlingen.

Die Familie des neuen Fraktionsvorsitzenden ist politisch stark engagiert. Kauders Bruder Siegfried ist seit 2002 ebenfalls CDU-MdB. Volker Kauder heiratete 1976 Elisabeth Biechele, Tochter des langjährigen Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordneten Hermann Biechele.

In der Jungen Union und in der CDU bekleidete er eine Vielzahl von Funktionen. So war er 14 Jahre Kreisvorsitzender seiner Partei in Tuttlingen und übernahm 1991 das Amt des Generalsekretärs der CDU in Baden-Württemberg. Diese Funktion behielt er bis er Ende 2004, als er von Angela Merkel das Amt des Generalsekretärs der CDU Deutschlands übertragen bekam. Im Bundestag, in den er 1990 zum ersten Mal gewählt wurde, fiel er bald als scharfzüngiger Redner auf. Im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen wurde er stets direkt gewählt.

Drei erfahrene Politiker

Obwohl er sich 2001 vehement für Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat eingesetzt hatte, schlug ihn Angela Merkel, die selbst den Fraktionsvorsitz übernahm, nach den für die Union verlorenen Bundestagswahlen 2002 zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor. Mit Geschick und Umsicht organisierte er die stärkste Oppositionsfraktion.

Ein alter Hase auf dem politischen Parkett ist sein sozialdemokratischer Partner. Peter Struck, wie Kauder Volljurist, wurde mit der Arbeit "Jugenddeliquenz und Alkohol" 1971 promoviert. Er trat danach in die Hamburgische Verwaltung ein, war bis 1972 persönlicher Referent des Präsidenten der Universität Hamburg und arbeitete anschließend in der Finanzbehörde der Hansestadt. 1973 ging er - ähnlich wie Kauder - in die Kommunalpolitik und wurde stellvertretender Stadtirektor in Uelzen. Der Politiker ist verheiratet und hat drei Kinder.

1980 zog Struck, Jahrgang 1943, in den Deutschen Bundestag ein. Noch unter dem SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel wurde er 1990 Parlamentarischer Geschäftsführer. Dieses Amt behielt er auch unter den SPD-Fraktonsvorsitzenden Hans-Ulrich Klose und Rudolf Scharping. Als Scharping nach dem Wahlerfolg von Rot-Grün 1998 Verteidigungsminister wurde, übernahm Struck den Fraktionsvorsitz der Sozialdemokraten im Bundestag. Nachdem Scharping von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Juli 2002 mitten in der heißen Wahlkampfphase als Verteidigungsminister abgelöst wurde, folgte ihm Struck nach. Innerhalb der Bundeswehr erwarb er sich trotz des strikten Sparkurses für die Streitkräfte und der Auslandseinsätze deutscher Soldaten Respekt und Anerkennung. Als er sich von den Kommandeuren verabschiedete, hob er hervor, die Große Koalition habe auch etwas Positives: Die Wehrpflicht bleibe erhalten. Nicht unumstritten in der Öffentlickeit war jedoch seine Äußerung über Auslandseinsätze der Bundeswehr: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt."

Eine parlamentarische Besonderheit ist die CSU-Landesgruppe. Sie bildet im Bundestag mit der CDU eine Fraktionsgemeinschaft. In Bayern ist die CSU jedoch eine eigenständige Partei, die mit ihrer größeren Schwester in keinem Bundesland konkurriert und erfolgreich bei Wahlen abschneidet. Der neue Landesgruppenchef Peter Ramsauer, Jahrgang 1954, verheiratet, vier Töchter, ist der jüngste unter den drei Vorsitzenden. Er fand früh in die Politik, gründete bereits als 15-jähriger Schüler die "Basisgruppe Schwarzer Peter". Als Gymnasiast des Landschulheims Marquartstein besuchte er 1970 als Austauschschüler das englische Elite-College Eton. Nach dem Abitur erlernte er das Müllerhandwerk, während der Gesellenzeit studierte er gleichzeitig Betriebswirtschaft, machte seine Meisterprüfung, ist Diplom-Kaufmann und wurde 1985 promoviert. Über die übliche "Ochsentour" stieg er Stufe für Stufe aufwärts - Schüler-Union, Junge Union, CSU-Ortsverband, hohe Funktionen in der CSU-Mittelstandsvereinigung. Wie Struck und Kauder arbeitete auch er in der Kommunalpolitik. Wie Kauder wurde er 1990 in den Bundestag gewählt, "im schönsten Wahlkreis Deutschlands", wie er sagt, nämlich Traunstein-Berchtesgadener Land. Im Bundestag arbeitete er unter anderem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Seit 1997 fungierte er als Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe und somit als Stellvertreter des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der Gesamtfraktion. Spöttisch nennt er diese Funktion "parlamentarischer Gefechtsführer". In den Debatten kann er eine scharfe Klinge kreuzen.

Die drei Politiker wurden mit beeindruckenden Ergebnissen und einem großen Vertrauensvorschuss zu Vorsitzenden gewählt. Für Kauder, der gern den Beruf des Zirkusdirektors ergriffen hätte, votierten 93,3 Prozent der CDU/CSU-Abgeordneten. Struck, der mit großer Vorliebe Motorrad fährt, konnte 94 Prozent der SPD-Abgeordneten für sich gewinnen. Für Ramsauer, der konzertreif auf dem Flügel spielt, stimmten 93,2 Prozent der Mitglieder der CSU-Landesgruppe.

Von 1998 bis 2002, als Struck bereits SPD-Fraktionsvorsitzender war, konnte er als Debattenredner kräftig poltern. Struck zieht Kumpelhaftigkeit einem autoritären Führungsstil vor. Eine Art, die in der SPD-Fraktion gut ankommt. Als CDU-Generalsekretär konnte auch Kauder im Wahlkampf polarisieren. Als Parlamentarischer Geschäftsführer war er bei seinen Fraktionskollegen wegen seines verbindlichen Umganges - ebenso wie Peter Ramsauer - sehr beliebt. Sie müssen nun eher ausgleichen, strittige politische Probleme schnell und umsichtig lösen - oder ausklammern. Alle drei müssen in dieser Wahlperiode dafür sorgen, dass die eigenen Fraktionsmitglieder die im Koalitionsvertrag geschlossenen Vereinbarungen mittragen und die gemeinsam beschlossene politische Linie möglichst halten und nicht verlassen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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