Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 35-36 / 23.08.2004
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Sonja Brunner

Der Transfer von Know-how

Partnerschaftsprojekte des deutschen Handwerks

Die Handwerksorganisationen (Kammern und Verbände) engagieren sich seit Beginn der 1980er-Jahre verstärkt in der Entwicklungszusammenarbeit. Der Grundsatz lautet dabei, dass eine funktionierende Wirtschaft der Schlüsselfaktor für eine dauerhafte Armutsbekämpfung sowie für die soziale und gesellschaftliche Entwicklung ist. Im Mittelpunkt des Engagements steht daher die Förderung marktwirtschaftlicher Strukturen mit einem breiten Mittelstand und vor allem einem leistungsfähigen Handwerk.

Ziel ist es, die Anzahl und Wettbewerbsfähigkeit handwerklicher Klein- und Mittelbetriebe (KMU) zu erhöhen und bei den politischen Entscheidungsträgern auf die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen hinzuwirken, unter denen sich die KMU entfalten optimal können. Kleine und mittlere Unternehmen und eine Kultur selbständiger unternehmerischer Tätigkeit sind für Freiheit, Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe ein entscheidender Faktor. Dies ist der Ausgangspunkt für das Engagement deutscher Handwerksorganisationen in mehr als 100 Partnerschaftsprojekten weltweit.

Partnerschaftsprojekte sind das wichtigste Instrument zur Umsetzung der genannten Ziele. "Partnerschaften" sind dabei - meist auf der Grundlage einer formellen Vereinbarung - auf Langfristigkeit angelegte Beziehungen zu Organisationen der Handwerks- und Mittelstandsförderung in den Partnerländern. Unter Einbeziehung der Vorstellungen der Partner und der jeweiligen regionalen Gegebenheiten ermöglichen sie einen bedarfsgerechten, effizienten Transfer von Know-how. Dabei geht es jedoch nie um den bloßen Export deutscher Strukturen, wie vielfach fälschlicherweise angenommen wird.

Der überwiegende Teil der finanziellen Unterstützung für Projekte kommt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Weitere Geber sind aber auch die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) und für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), die Bundesländer und die Europäische Union. Daneben gibt es vielfältige informelle Beziehungen wie Städtepartnerschaften oder Außenwirtschaftskontakte und von den Handwerksorganisationen selbst getragene Vorhaben in den Entwicklungsländern.

Handwerk leistet, was es leisten kann

Die inhaltlichen Schwerpunkte der Partnerschaften liegen in drei eng miteinander verzahnten, originären Aufgabenbereichen der Handwerksorganisationen: Institutionenstärkung, Gewerbeförderung und Berufsbildung. Ziel der Institutionenstärkung ist es, über die Schaffung leistungsfähiger Kammern und Verbände eine möglichst effiziente und nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe für die Handwerksbetriebe in den Entwicklungsländern umzusetzen. Die Gewerbeförderung stellt das Dienstleistungsangebot für die jeweiligen Mitgliedsunternehmen. Hierzu zählen Existenzgründungs- und Betriebsberatung, Anbahnung von Unternehmenskooperationen sowie Messeförderung. Im Bereich der beruflichen Bildung werden vor allem Qualifizierungsmaßnahmen für Fach-, Führungskräfte und Multiplikatoren angeboten. Aber auch der Aufbau und Einrichtung von Bildungsstätten, die Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien und Ausbildungsplänen sowie Hilfestellung bei der Organisation von standardisierten Prüfungen gehören zum Projektbereich.

Die Orientierung an der betrieblichen Praxis als auch an den Bedürfnissen der Wirtschaft vor Ort ist dabei oberstes Gebot. Damit leisten die Handwerksorganisationen genau den Beitrag, den sie leisten können, das heißt, in den Bereichen, in denen sie sich am besten auskennen, ohne dass das Engagement zu Lasten der eigenen Mitgliedsunternehmen geht. Im Gegenteil - die Projekte führen zu dauerhaften Kooperationsbeziehungen, die positiv für Außenwirtschaftskontakte der Betriebe zu Buche schlägt.

Wirtschaftsreform und Ausbau der Marktwirtschaft sowie dauerhafte Reduzierung der Armut sind Schwerpunktthemen der deutschen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit vielen Schwellenländern. Die Stärkung von KMU zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten stellt somit ebenfalls eine nachhaltige Strategie der Armutsminderung dar. Damit entspricht das Engagement der Handwerksorganisationen den entwicklungspolitischen Leitlinien der Bundesregierung. In der kürzlich im Auftrag des BMZ durchgeführten Evaluierung wird diese Form der Zusammenarbeit für die Dynamisierung der Wirtschaft in den Partnerländern als wirksames Instrument der Entwicklungszusammenarbeit eindeutig bestätigt.

"Die meisten Partnerländer kommen aus einer Situation, in der fast alles vom Staat geregelt wurde oder nichts strukturiert war. Zum Aufbau einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehören funktionale Einrichtungen, die Dinge leisten, die keiner staatlichen Regelungen bedürfen, aber über die Gestaltungspotenziale einzelner Unternehmen hinausgehen. Kammern und Verbände haben das nötige Wissen dafür", so BMZ-Gutachter Alfred Pfuhl.

Die meisten Partnerschaftsprojekte des deutschen Handwerks werden von der Stiftung für wirtschaftliche Entwicklung und berufliche Qualifizierung (SEQUA) betreut. Die Stiftung, die seit 1991 als gemeinnützige GmbH von ZDH, DIHK und BDA besteht, bündelt, unterstützt und koordiniert das Engagement ihrer Gesellschafter und deren Mitgliedsorganisationen bei der Wirtschaftsförderung in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Über ihr Netzwerk aus Handwerks-, Industrie- und Handels- sowie Außenhandelskammern, Verbänden und Bildungswerken mit einem Zugang zu mehr als drei Millionen deutschen Unternehmen verfügt die SEQUA über einen Zugriff auf enorme Ressourcen an Wissen und Erfahrungen für die internationale Zusammenarbeit. Dieses Netzwerk wird darüber hinaus durch die Zusammenarbeit mit dem Senior Experten Service (SES) ergänzt, dessen Expertise ebenfalls bei Bedarf in die Projekte einfließen.

Die Handwerksorganisationen engagieren sich auch in Afrika mit dem Ziel, die Wirtschaft nachhaltig zu entwickeln, praxisorientierte Berufsbildung und Strukturen der Zivilgesellschaft aufzubauen, zum Beispiel im Senegal, wo es an praxisnaher Ausbildung für das Kleingewerbe fehlt. Dort baute die Handwerkskammer Koblenz gemeinsam mit zwei örtlichen Kammern Ausbildungszentren für Tischler auf. In Mali fördert die Handwerkskammer zu Köln die Dachorganisationen des dortigen Handwerks bei der Erstellung eines bedarfsorientierten Dienstleistungsangebotes für die regionalen KMU.

In Äthiopien wird die Handwerkskammer (ECC) als Ansprechpartner für die Regierung durch ein Projekt mit der Handwerkskammer Rhein-Main gestärkt, damit sie aktiv an den marktwirtschaftlichen Reformen und am Ausbau des gewerblichen Sektors mitwirken kann. Im kaum erschlossenen Nordosten Ruandas unterstützt die Handwerkskammer Rheinhessen den Aufbau technischer und betriebswirtschaftlicher Beratung und bei der Einrichtung von Handwerkszentren. Die Handwerkskammer des Saarlandes unterstützt den Craft Council South Afrika (CCSA), über den der Absatz kunsthandwerklicher Produkte gefördert und KMU gestärkt werden. Die südafrikanische Regierung sieht in der Unterstützung des Kunsthandwerks einen auch wichtigen Beitrag im Kampf gegen Armut und AIDS.

Die Autorin ist Referentin beim Zentralverband des Deutschen Handwerks in Berlin.


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