Ein Blick in die Geschichtsbücher offenbart es bis heute: Die Geschichte Preußens wird den Heranwachsenden als Männergeschichte im Spektrum von Kriegen, Siegen, Niederlagen sowie einsetzenden Reformen nahe gebracht. Diverse Hofmaler unterstützten das mit Nachdruck - Generationen erleben die preußischen Könige als Herrscher, Feldherren und Landesväter; die Abbildungen von Frauen und deren Lebenssituationen dagegen sind sehr spärlich.
Nur eine Königin fiel nie dem Vergessen anheim: Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776 - 1810). Die zunächst ebenfalls argwöhnisch betrachtete junge Frau wurde noch zu Lebenszeiten zum Mythos erhoben, da sie in Zeiten größter Bedrohung den Kontakt zum ehemals mächtigsten Mann in Europa - Napoleon - suchte und auch fand. Auch wenn das Treffen in Tilsit bei weitem nicht den Erfolg hatte, den sich Preußen und seine Königin versprochen hatten, so verlieh ihr dieser Gang in die Männerwelt doch Unsterblichkeit.
Das Buch von Karin Feuerstein ist nicht nur höchst unterhaltsam zu lesen, sondern gleichermaßen ausgezeichnet recherchiert und übersichtlich aufbereitet. Es beleuchtet viele der offen gebliebenen Fragen. Zum einen werden wesentliche Beziehungen zwischen den Paaren dargestellt, zum anderen erfahren wir viel über die zeithistorischen und kulturellen Diskurse der jeweiligen Zeit. Jedem Kapitel ist eine Stammtafel vorangestellt, so dass die Bezugsfelder zwischen den einzelnen Fürstenhäusern und die verwandtschaftlichen Grade auch für diejenigen, die sich nicht unmittelbar mit der Geschichte Preußens und europäischer Königshäuser beschäftigt haben, gut erfassbar sind.
Der Staatsräson verpflichtet
Als Prinzessin nach Preußen verehelicht zu werden, war weniger Berufung als ein lebenslang hart erkämpfter und von vielen argwöhnisch verfolgter Beruf. Daher ist es nicht verwunderlich, dass einige den an sie gestellten Anforderungen nicht gewachsen waren, sondern mitunter in Krankheit oder Vereinsamung endeten.
Dazu zählt Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin-Grabow (1685 - 1735), die "mecklenburgische Venus". Sie starb geistig umnachtet fern vom preußischen Königshof. Nicht persönliche Neigungen und Interessen standen im Vordergrund, sondern vielmehr die Staatsräson; die Verpflichtung, durch das Eingehen der Ehe politische Verbindungen herzustellen und diese zu stabilisieren. Wenn sich die Partner nebenbei noch sympathisch fanden, war das eher Zufall als Absicht.
In einem solchen Geflecht war es für die jungen Mädchen fast unmöglich, eigene Vorstellungen auszuleben. Doch sie wurden nicht nur den Männern zugeführt, die in ihnen vorrangig die Mütter der Thronerben sahen, sondern sie bekamen gleichermaßen auch die Intrigen des Hofes zu spüren und wurden schließlich ein Teil des Machtgefüges.
Sigrid Weigel hat am Ende des 20. Jahrhunderts den Begriff des "doppelten Ortes" für Lebensmuster weiblicher Sozialisation geprägt. Dieser Begriff trifft uneingeschränkt für die preußischen Königinnen zu. Unglücklich und in Zwängen lebend, haben die Frauen wenig Anteil am Schicksal ihrer eigenen Töchter gehabt, so dass die Linie des Leidens ohne Unterbrechung weitergeführt wurde. Als Beispiel soll die Tochter von Sophie Dorothea von Hannover - Wilhelmine von Bayreuth (1709 - 1758) - gelten, die ihre Kindheit in ihren Memoiren als eine Kette von Vernachlässigungen und Misshandlungen vonseiten der Eltern beschreibt.
Komplizierte Ehe
Neben so viel Gemeinsamkeiten gab es jedoch auch Unterschiede. Die Autorin hat sieben Königinnen porträtiert, die zwischen 1668 und 1873 gelebt haben. Sophie Charlotte von Hannover (1668 - 1705) setzte Zeichen. 16-jährig verheiratet, musisch und philosophisch begabt, hat sie als "Philosophin auf dem Fürstenthron" bedeutende Persönlichkeiten an den Hof gebunden, so den 1646 geborenen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz und Pierre Bayle, einen der radikalsten Religionskritiker seiner Zeit. Sophie Dorothea von Hannover (1687 - 1757), die mit dem "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. in einer mehr als komplizierten Ehe lebte, legte, nach den Worten ihrer Tochter, ihren ganzen Ehrgeiz darin, ihr "Bettelköniginnen-Dasein" zu kompensieren, indem sie das Leben ihrer Kinder mitzubestimmen versuchte und diese in einen unerträglichen Zwiespalt zwischen Vater und Mutter trieb.
Sicher ist das ein Indiz dafür, dass ihr Sohn, Friedrich - Friedrich der Große - Zeit seines Lebens ein äußerst gestörtes Verhältnis zu seiner Frau, Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern (1715 - 1797) hatte, die fernab des königlichen Hofes ein Leben zwischen Warten, Hoffen und Übellaunigkeit führte. Zu ihrem Schicksal gehörte es, dass sie nicht nur kinderlos blieb, sondern gleichermaßen auch von ihrem Mann ignoriert wurde, der es zunehmend nicht mehr lohnenswert fand, das Wort direkt an sie zu richten.
Auch die Ehe Elisabeths von Bayern (1801 - 1873), der "Katholikin" am preußischen Hof, sollte kinderlos bleiben. In Berlin nicht geliebt und anerkannt, war sie jedoch ihrem Mann Friedrich Wilhelm IV., der geistig umnachtet starb, eine maßgebliche Stütze und Partnerin. "Mein Beruf ist zu Ende", sollen ihre Worte am Sterbebett des Königs gewesen sein.
Ich empfehle dieses Buch allen geschichts- und kulturinteressierten Leserinnen und Lesern, die über die Aufbereitung authentischer Zeugnisse und Hintergründe Einblicke in die spannungsgeladenen Gender-Diskurse am preußischen Königshof erhalten wollen.
Karin Feuerstein-Praßer
Die preußischen Königinnen.
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2002; 324 S. 29,90 Euro