Das Parlament
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Nr. 12 / 21.03.2005
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Barbara Minderjahn

Balkan braucht große Märkte

Südosteuropa-Gipfel in Skopje

Es ist seltsam, welch eigene Dynamik Konferenzen entwickeln können. Eigentlich sind sich die meisten Länder der Balkanregion bis heute spinnefeind. Und doch: Wenn es um die Zusammenarbeit im Bereich von Infrastrukturprojekten geht, äußerten sich alle Teilnehmer des Südosteuropäischen Wirtschaftsgipfels vorige Woche in Skopje einheitlich:

Man brauche ein neues Verkehrsnetz mit ausgebauten Schienennetzen und mehr und besseren Straßen, Investitionen in den Bereichen Telekommunikation, Energie, Bildung und Forschung. All das, so die Konferenzteilnehmer, muss grenzüberschreitend aufgebaut werden, denn grenzübergreifende Wirtschaftsprojekte können helfen, die politischen Gräben zu überwinden und damit Frieden und Wohlstand zu schaffen.

Jedes Jahr wollen sich die Regierungsvertreter Südostosteuropas und internationale Wirtschaftsvertreter fortan treffen, um die Zusammenarbeit in der Region voranzubringen. Doch konkretere Projekte gibt es bisher nur wenige. Der vom deutschen Institute For European Affairs (INEA) und dem türkischen Institut DEIK organisierte Wirtschaftsgipfel war in erster Linie eine politische Absichtserklärung. Dabei ist die Herausforderung klar. Die Länder Südosteuropas müssen ihre Konflikte überwinden und sich sowohl politisch wie wirtschaftlich stabilisieren. Und das funktioniert am besten durch regionale, grenzübergreifende Zusammenarbeit. So zumindest scheint es die Erfahrung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt zu haben. Die Montanunion zwischen Deutschland und Frankreich beispielsweise war unter anderem getragen von dem Gedanken: Gemeinsamkeit schafft Vertrauen. Wenn zwei Staaten gemeinsam die Kontrolle über eine kriegswichtige Industrie übernehmen, können sie sie in Zukunft schlecht dazu benutzen, einen Krieg gegeneinander anzuzetteln. Auf dem Weg zur Europäischen Union erweiterten die westeuropäischen Staaten das Rüstungskontrollprojekt dann zu einem Netzwerk gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen, das in Europa für Frieden und Wohlstand gesorgt hat.

Aber wird dieses Konzept auch in Südosteuropa funktionieren? Der Koordinator des EU-Stabilitätspaktes für Südosteuropa und Mitveranstalter der Konferenz in Skopje, Erhard Busek, ist überzeugt, Investoren brauchten große Märkte ohne Handelshemmnisse. An den kleinen fragmentierten Märkten des Balkans gehe jeder Investor vorbei. Regionale Zusammenarbeit, gemeinsame Infrastrukturprojekte und Handelsliberalisierung sind daher notwendig. Die ersten Schritte dazu werden bereits mit Hilfe der EU gemacht. Alle Länder der Region haben untereinander Freihandelsabkommen abgeschlossen, und seit rund einem Jahr arbeitet der Stabilitätspakt an einem gemeinsamen südosteuropäischen Energiemarkt. Darüber hinaus soll die Donau als gemeinsame, wichtige Wasserstraße ausgebaut werden.

Schwierige Beziehungen

Vor allem die Nachfolgestaaten Jugoslawiens tun sich schwer mit der Zusammenarbeit. Die Regierung der Teilrepublik Montenegro beispielsweise möchte sich aus dem Staatsverband mit Serbien lösen. Die von der EU geforderte Harmonisierung der Wirtschaftssysteme zwischen Serbien und Montenegro ist daher bis heute nicht umgesetzt. Hinter dem Zögern stecken nicht zuletzt Emotionen, die auch auf der Konferenz hinter den Kulissen deutlich zu spüren waren. So ärgern sich Teilnehmer aus Mazedonien beispielsweise darüber, die Albaner würden ihnen mittlerweile alle guten Stellen wegnehmen. Und die griechische Regierung war nicht durch hohe Staatsrepräsentanten vertreten, weil dies einer offiziellen Anerkennung Mazedoniens nahe gekommen wäre.

Was treibt den Willen zur Kooperation also an? Zum Beispiel die Hoffnung auf Geld. Die Staaten Südosteuropas brauchen dringend Investitionen, um ihre Infrastruktur aufzubauen. Die Kriege auf dem Gebiet des früheren Jugoslawiens haben Straßen, Brücken und Eisenbahnlinien zerstört. Der Zerfall der Sowjetunion hat die alten Energie- und Versorgungsnetze zusammenbrechen lassen. Die Telekommunikation ist noch nicht auf die Erfordernisse einer modernen Kommunikations- und Wirtschaftswelt eingerichtet. Dem Stabilitätspakt stehen zwar jährlich rund zwei Millionen Euro zur Verfügung, um den Aufbau der Region zu fördern. Doch das reicht gerade, um solche Projekte vorzubereiten und zu begleiten. Die eigentliche Aufgabe des Stabilitätspaktes ist es, für Rechtssicherheit in der Region zu sorgen, die Gesetzgebungen zu harmonisieren, Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Kriminalität anzuregen um so die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wirtschaftsaufbau zu schaffen. Die Mitarbeiter Buseks können nur helfen, Infrastrukturprojekte auf den Weg zu bringen, indem sie Geldgeber und die umsetzenden Partner zusammenbringen, die geplanten Maßnahmen evaluieren und Sicherheiten und Qualitätskontrolle bereitstellen. Die eigentlichen Investitionen müssen von den so genanntem Gebern (EU, USA, Russland, Japan, Weltbank, EBRD und andere internationale Organisationen) und privaten Unternehmen kommen. Sie alle waren in Skopje vertreten.

Die Hoffnung, dass sich die Region allein durch solche Konferenzen aufbauen lässt, ist allerdings zu optimistisch. Noch verhindern Korruption, Kriminalität und komplizierte bürokratische Verfahren umfangreiches privatwirtschaftliches Engagement. Die Wirtschaft will sichere und stabile Voraussetzungen sehen, bevor sie investiert und nicht umgekehrt.

Doch langfristig nützt die Konferenz. Die Staaten Südosteuropas wissen, dass die EU auf regionale Zusammenarbeit setzt. Da sie in die Union aufgenommen werden wollen, müssen sie versuchen, die ihnen angetragenen Ideen umzusetzen. Dieser Wirtschaftsgipfel ist ein Rahmen, in dem sich die Staaten dazu verpflichten, ihre Grenzen zu überwinden. Eine Verpflichtung, an der sie sich messen lassen müssen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.