Im zweiten Teil unserer Serie über die Botschaften in Berlin stellen wir heute die Vertretung der Tschechischen Republik vor. Von außen betrachtet ist sie alles andere als ein Prunkbau - im Inneren aber entpuppt sie sich mit ihrem coolen 70er-Jahre-Interieur als echtes Highlight.
So monströs kann nur Beton wirken. In Verbindung mit Granit, dunklem Glas und ohne sichtbaren Eingang, der einen Willkommen heißt, wirkt die Botschaft der Tschechischen Republik von außen immer noch so abschreckend wie ein Faltenwurf des Eisernen Vorhangs. "Sie ist mehr ein architektonisches Kunstwerk denn eine Visitenkarte Tschechiens", sagt ganz diplomatisch der Botschaftsrat Jan Sechter. Und fügt dem später hinzu: "Das Gebäude provoziert. Es ist kein indifferentes Haus."
Früher war das Viertel rund um den Wilhelmplatz - heute im städtebaulichen Umbruch zwischen Supermarkt, Parkplatz und U-Bahn-Station Mohrenstraße - von Botschaften und Ministerien geprägt. Auf dem Platz standen in Marmor einst die ruhmreichen Feldherren Friedrichs des Großen. Diese Spuren preußischer Vergangenheit wurden in der DDR wegradiert. An Stelle herrschaftlicher Palais entstanden hier nahe der Mauer Botschaften der Bruderstaaten, demonstrativ mit Ausrichtung nach Westen. Zur Zeit der Planung der Vertretung der damaligen CSSR lag das Grundstück an einer Stadtbrache. Es gab keine Nachbargebäude auf der damaligen Otto-Grotewohl-Straße, die Plattenbauten mit verhältnismäßig aufwändiger Fassade kamen erst später. Die Botschaft wurde als Solitär mit enormen Ausmaßen entworfen. 48 mal 48 Meter misst die Grundfläche, das Gebäude ist aufgeständert und scheint über der diagonal durch das Haus verlaufenden Vorfahrt im Erdgeschoss zu schweben. Das tschechische Architektenpaar Vera Machonina und Vladimir Machonin errichteten den stark vom Brutalismus beeinflussten Bau in den Jahren 1974 bis 1978.
Er wirkt wie eine Raumstation in einem sozialistischen Science-Fiction-Film, die aus Versehen in der Wilhelmstraße gelandet ist. Nun verkeilt in der Gegenwart, kann die ehemalige diplomatische Vertretung der Tschechoslowakei hier nicht mehr weg. Die alte Crew ist verschwunden, einst arbeiteten hier Hunderte von Beamten. Heute sind es 14 Mitarbeiter.
Die neue Besatzung ist eher pragmatisch, schnell und jung. Aus der Altlast des Kalten Krieges macht sie das Beste. Etwas zu kalt ist inzwischen nur noch die Luft aus der Klimaanlage.
Obwohl außen brutal - innen ist die Botschaft ein echtes Phänomen. Denn das 70er-Jahre-Interieur, das ebenfalls von den Architekten bis ins Detail entworfen wurde, ist noch original erhalten. 1993, als sich Slowaken von Tschechen trennten, wurde auch aller Staatsbesitz geteilt und das weltweit. Nach der Gütertrennung im Verhältnis 2:1 für Tschechien hatten die beiden neuen Republiken andere Sorgen, als ihre auswärtigen Immobilien zu renovieren. Außer der Sicherheitstechnik blieb erst einmal alles so, wie es war: Holzvertäfelung kombiniert mit rot, orange und gelb an Wänden und Decken, bequeme Sitzmöbel aus geschwungenem Holz und farbigen Lederpolstern, raffinierte Lampen aus Glas und ein abgestimmtes Lichtdesign. Es gibt einen Kinosaal, einen großen hellen Raum für Feste und Bars. Kaum ein Szene-Club könnte heute origineller eingerichtet sein. Herzstück des Gebäudes ist ein ovaler Besprechungsraum mittendrin, mit unglaublich modern wirkenden Deckenlampen. Intern wird der Raum das "U-Boot" genannt; kein Fenster, einbetonierter Tisch, abhörsicher.
Aus dem sozialistischen Edelpop-Ambiente ist ein Kapital geworden. Das Botschaftsinterieur ist als Location der letzte Schrei. Models posieren vor holzvertäfelten Wänden und unter ausgefallenen Glaslampen. Auch die Fotokünstlerin Candida Höfer hat den speziellen Ort entdeckt, eine Fotoserie im Georg-Kolbe-Museum ausgestellt und das Buch "Wilhelmstraße 44" daraus gemacht.
Die Diplomaten stehen jeder Umdeutung des Gebäudes offen gegenüber, sei es als Kulisse für Spielfilme, Mode oder inhaltlich im Sinne einer "Public Diplomacy" für Diskussionen, Konferenzen oder Kinoabende. Wer interessiert ist, kann sich das Gebäude sowieso ansehen. Zwei Drittel der Fläche des für heutige Zwecke völlig überdimensionierten Botschaftsgebäudes, sind allerdings an das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsforschung vermietet.
Doch so originell der Bau auch ist, so wenig ist er repräsentativ. "Das Haus kann man nicht mit Tschechien identifizieren", sagt Botschaftsrat Sechter. "Man denkt doch eher an die feine Architektur Prags, den Hradschin…". Zum Glück hat der Botschafter ja noch eine Residenz im Grunewald.