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Es gibt viel zu tun! GLASKLAR „Arbeiten“ begleitet die
Abgeordneten durch die Sitzungswoche, schaut sich an, wie ein
Gesetz entsteht und hat junge Menschen getroffen, die im Bundestag
arbeiten. Und was macht eigentlich ein Bundestagspräsident und
was eine Fraktionsvorsitzende? GLASKLAR hat einfach mal
nachgefragt.
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Claudia Stolz arbeitet an Orten, die den meisten nur vom Hörensagen bekannt sind: in den Untergeschossen und auf den Dächern der Bundestagsbauten. Dort sind die Energieversorgungssysteme untergebracht.
Ohne Claudia Stolz wäre man in den Untergeschossen des Jakob-Kaiser-Hauses oder des Paul-Löbe-Hauses rettungslos verloren. So in etwa stellt man sich den Drehort für einen Science-Fiction-Film über das Energieversorgungssystem eines Planeten irgendwo am Rande der Milchstraße vor.
Also nur nicht die freundliche Frau aus den Augen verlieren, die, mit ihrem Schlüsselbund klappernd, zielstrebig durch die Gänge läuft, schwere Stahltüren öffnet und schließt, steile Treppen aus Metall und Laufstege aus Gitterwerk besteigt, hin und wieder auf große Speicherbehälter zeigt oder mit dem Finger dem Verlauf von Rohrleitungen folgt. Dabei redet sie über Kälte, Wärme, Austausch, Luftströme, geschlossene Systeme, Versorgung, Entsorgung, Schaltsysteme oder Druckluftregler. Sie lässt Begriffe wie Fortluftkanal und Abluftkanal fallen, plaudert über Wasseraufbereitungsanlagen, Filtersysteme, Verteiler und Absorbtionskältemaschinen.
Bitte, denkt man, warum habe ich im Physikunterricht nicht besser aufgepasst und warum hat mir nie jemand erklärt, wie es im Inneren eines Schaltschrankes aussieht? Claudia Stolz lächelt und sagt: „Das ist schon beeindruckend, nicht wahr? Ein perfektes System. Macht großen Spaß, hier zu arbeiten.“ Ganz sicher. Wenn man’s kann.
Das perfekte System ist der Stolz vieler Menschen, seiner Erfinder ebenso wie derjenigen, die es nun am Laufen halten. Einfach gesagt ist es ein ressourcenschonendes Energie- und Heizungssystem, dessen Herzstück zwei Blockheizkraftwerke sind, die mit nachwachsenden Rohstoffen die Versorgung der Bundestagsbauten mit Strom und Wärme sicherstellen. Integrierte Strom-, Wärme- und Kälteversorgung vor Ort nennt man das. Je vier große Verbrennungsmotoren treiben in den beiden Heizkraftwerken Generatoren an. Die Abwärme aus dem Motorenkühlwasser und aus den Abgasen dient zur Heizung der Gebäude und zum Antrieb von Kältemaschinen. Klingt nach perfekter Anwendung des Energieerhaltungssatzes: Verloren gehen kann nichts, höchstens verschwendet werden.
Was einmal errichtet und in Gang gebracht worden ist, muss gewartet und überwacht werden. Im Bundestag gibt es die so genannte Abteilung Z – Zentrale Dienste –, zu der vier Unterabteilungen gehören, von denen eine, ZT, die Technischen Dienste und die Allgemeine Verwaltung umfasst. ZT 3 wiederum ist ein Referat dieser Unterabteilung und steht für Liegenschaften und Gebäudetechnik.
Hier arbeitet Claudia Stolz – seit zwei Jahren erst und noch als einzige Frau. Auch das Referat ZT 3 ist in verschiedene Sachbereiche aufgeteilt, beispielsweise Elektro, Sanitär, Gebäudetechnik, Sicherheitstechnik, Bautechnik, Energie.
„Ein perfektes System. Macht großen Spaß, hier zu arbeiten.“
Claudia Stolz ist mit ihren Kollegen zuständig für Maschinen- und Versorgungstechnik, HKL und RWA. So sagt sie es erst einmal und schickt dann auf ein in die Luft gemaltes Fragezeichen hinterher: Heizung, Klima, Lüftung, HKL, und Rauchwarnanlagen, RWA. Die meisten Anlagen befinden sich in den Untergeschossen, einige auf den Dächern der Häuser, wie beispielsweise Entrauchungsanlagen und Abluftanlagen für die Sanitärräume.
Nun ist man endlich in den Bürozimmern der Abgeordneten, der Verwaltung des Bundestages, in den Anhörungs- und Sitzungssälen, da jedenfalls, wo Menschen sind, die weder frieren noch schwitzen wollen und eine Menge Luft zum Atmen brauchen. Nehmen wir mal an, so ein Mensch kommt morgens ins Büro und es ist zu warm. Wird auch nicht kälter, nachdem er an allen denkbaren Reglern gedreht hat. Dann kann er die 119 anrufen und sagen: Es ist zu warm und das stört mich. Diese Störmeldung landet im Referat von Claudia Stolz, und sie oder einer ihrer Kollegen kümmert sich um schnelle Behebung des Problems. Kann sein, dass ein Keilriemen in der Lüftungsanlage gerissen oder ein Fensterkontakt defekt ist. Das setzt die ganze Raumlüftung außer Kraft. „Drei Sachen sind für das Raumklima wichtig“, sagt Claudia Stolz: „Heizung, Lüftung und Baukerntemperierung.“ Jetzt malt man schon wieder ein Fragezeichen in die Luft. „Baukerntemperierung hat was mit den Rohrleitungen in den Wänden zu tun.“
Das also ist eine wichtige Aufgabe des Referats, Störungen im System möglichst schnell beheben. Nun ist hier wie anderswo Vorbeugen besser als Reparieren. Deshalb beginnt die Frühschicht morgens um sieben erst einmal mit einem Rundgang. Alle Anlagen werden angeschaut und geprüft. Das dauert in der Regel zwei Stunden. Dann kommen Wartungsfirmen, die betreut werden müssen, Material brauchen, Werkzeuge, Schlüssel. Parallel dazu die Bearbeitung der Störmeldungen, die mit abgestufter Dringlichkeit versehen sind. In Sitzungswochen, wenn fast alle Räume belegt sind, kann das hektisch werden.
Claudia Stolz kann schnell, zuverlässig und vor allem planvoll arbeiten – bei dem Job unabdingbar. Allerdings redet sie nur ungern über sich, nur kein Aufhebens, winkt sie ab, während ihre Kollegen hinten im Raum rufen, sie solle sich jetzt mal berühmt schreiben lassen.
Die 41-Jährige hat 1979 im Stahlwerk Hennigsdorf Elektrikerin gelernt. Dass sie irgendeinen technischen Beruf machen wollte, wusste sie da schon lange. Die naturwissenschaftlichen Fächer lagen ihr in der Schule besonders.
Bis zur Wende blieb sie im Stahlwerk und ging dann in ein kleines Unternehmen, um Schaltschränke zu bauen. Für Laien ist ein Schaltschrank ein Mysterium, Leitungen und Relais sehen zwar aus, als gäbe es ein System, aber erschließen tut es sich nicht. Sieht einfach nur gut aus. Am liebsten möchte man hundert Fragezeichen in die Luft malen, fragt aber stattdessen, ob die Elektrikerin zu Hause auch alles selbst repariert. Selbstverständlich, sagt sie. Nun, an den Fernseher gehe sie nicht, aber sonst sei sie bei den meisten Dingen ihr eigenes Dienstleistungsunternehmen. Und der 15-jährige Sohn? Der schlage eher in die andere Richtung, könne gut mit Worten umgehen.
Die kleine Firma, in der Claudia Stolz nach 1990 arbeitete, machte irgendwann Pleite. Sie wechselte zu einer Leihfirma, um weiterhin Schaltschränke zu installieren und im Störungsdienst zu arbeiten. Bei ihrer Arbeit für die Leihfirma, die eigentlich gar keine Frauen anstellte, kam Claudia Stolz viel rum. Sie schloss unter anderem Schaltschränke für Klima- und Lüftungsanlagen an: im Hotel Adlon, in der ungarischen Botschaft und später auch in den Gebäuden des Parlaments. Als vor zwei Jahren eine feste Stelle im Bundestag ausgeschrieben war, die genau ihrer Qualifikation entsprach, bewarb sie sich.
„Mich hat dieses Energieverbundsystem von Beginn an beeindruckt.“
Nun fährt sie an jedem Arbeitstag von Birkenwerder, wo sie wohnt, nach Berlin. Wenn sie Frühschicht hat, heißt das zeitig aufstehen, aber auch die so genannte Spätschicht beginnt schon morgens um neun. In Sitzungswochen endet die Arbeit eine halbe Stunde nach Abschluss der Plenarsitzung.
Was sie tut, macht ihr Spaß. „Mich hat dieses Energieverbundsystem von Beginn an beeindruckt und die Zusammenarbeit hier im Referat ist gut und angenehm.“
Das ist dem Raum, in dem Claudia Stolz zu treffen ist, wenn sie nicht gerade Rundgänge macht oder Störungen behebt, anzumerken. Ein langer Tisch, an dem die Kollegen in den Pausen zusammensitzen, darauf ein buntes Gemisch von Zeitungen und Zeitschriften, Kaffeetassen, die den Namen ihrer Besitzer tragen oder mit Blümchenmuster aufwarten, das an Großmutters Sonntagsgeschirr erinnert. Ein großes Radio dudelt leise vor sich hin und andauernd klingelt das Telefon. Claudia Stolz nimmt die Nachrichten entgegen und leitet sie gleich weiter, wenn nötig: „Du, im Anhörungssaal ist es zu kalt, kümmerst du dich? Wenn die nachher nicht die Scheinwerfer anmachen, müssen wir den Kühler runterdrehen.“
Alles klingt so einfach. Aber nach dem Rundgang durch die Untergeschosse, die eben aussehen wie das Energieversorgungssystem eines Planeten irgendwo am Rande der Milchstraße, ahnt man doch, dass hier nur nicht scheitert, wer sich richtig gut auskennt.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 08. November 2004