Stralsunds Bürgermeister Harald Lastovka (CDU) will gegen den Widerstand der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern die Sparkasse der Hansestadt zu Geld machen. 30 bis 50 Millionen Euro sollen so der dramatisch geleerten Stadtkassen zugute kommen. Um sein Ziel zu erreichen, will Lastovka sogar bis nach Brüssel gehen.
Im Dezember hatte es die Stralsunder Bürgerschaft mit großer Mehrheit beschlossen: Alle Möglichkeiten des Verkaufs der kommunalen Sparkasse an einen privaten Investor oder einer Fusion mit Wertausgleich sollten geprüft werden. Zwischen 30 und 50 Millionen Euro, so die Hoffnung, könnten erzielt werden. Das Geld soll für die dringend nötige Sanierung von Schulen und Kindergärten eingesetzt werden.
So edel wie die Absicht, so energisch ist der Widerstand des Landes gegen den Verkauf. Innenminister Gottfried Timm (SPD) hat eine umfangreiche Rechtsprüfung in Gang gesetzt, und Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) will sogar eine Änderung des Sparkassengesetzes durchsetzen, um dem Verkauf einen Riegel vorzuschieben.
"Die Sparkassen sind für das Land unverzichtbar", begründet Keler den Gegendruck. Denn das deutsche Bankensystem, das durch den Wettbewerb seiner drei Säulen, private Großbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen, geprägt sei, habe sich gerade in Mecklenburg-Vorpommern bewährt.
Die Zahlen belegen das. Weil sich die Großbanken in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend zurückhalten, fällt den zwölf Sparkassen des Landes bei der Kreditvergabe für Existenzgründer und die mittelständische Wirtschaft mit rund 6,8 Milliarden Euro oder 35 Prozent der größte Marktanteil zu (Angaben der Landesregierung). Bei den Spareinlagen sind die Sparkassen mit 62 Prozent Markanteil - das sind rund 9,3 Milliarden Euro - ungeschlagen im Nordosten.
Schließlich, so die Ministerin weiter, blieben die regional tätigen Sparkassen im dünnbesiedelten Flächenland und mit dem "Konto für Jedermann" auch in wirtschaftschwachen Zeiten ihren Kunden vor Ort treu. Natürlich auch dem Fiskus: 2003 zahlten die Sparkassen 7,1 Millionen Euro Gewerbesteuer an die Kommunen. "Die Veräußerung einer Sparkasse ist nach geltendem Recht eindeutig rechtswidrig", ist sich Keler sicher. "Klarstellungsbedarf besteht lediglich in der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Sparkasse aufgelöst werden darf."
Genau diese Lücke will sich Lastovka zu nutze machen. Alle Vermögenswerte, so der Plan der Stralsunder, sollen erst herausgelöst und dann verkauft werden. Und die verbleibende leere Hülle der Sparkasse wird anschließend einfach aufgelöst. Befürworter halten den Plan im Sinne kommunaler Finanzpolitik für ausgesprochen clever. Zumal die Stralsunder Sparkasse nach dem Wegfall der Gewährsträgerhaftung 2005 ohnehin nicht mehr allein überlebensfähig wäre und als naheliegendste Lösung mit der mächtigeren Sparkasse Vorpommern fusionieren müsste - dann allerdings ohne ein Plus für die Stadtkasse.
Allein das Vorgehen der Ministerin, die Vorschriften zur Auflösung der Kasse zu verändern, betrachtet Lastovka als Bestätigung. "Frau Keler hat ein herrliches Eigentor geschossen", witzelt der Bürgermeister. Denn mit der Gesetzesinitiative in genau diese Richtung habe die Finanzministerin eingestanden, dass die Stadt eben nicht rechtswidrig gehandelt habe.
Tatsächlich enthält das geltende Gesetz den Passus, dass "der Auflösung von Sparkassen keine praktische Bedeutung zukommt", da stets "die Vereinigung als sinnvollerer Weg vorzuziehen sei". Da Auslegungen möglich seien, sagt Keler, habe sich das Land entschlossen, seinen gesetzgeberischen Willen "klarstellend im neuen Gesetz zum Ausdruck zu bringen".
Rückendeckung erhält die Ministerin vom Regierungspartner PDS. Deren rechtspolitischer Sprecher im Landtag, Karsten Neumann, will der Verunsicherung der Bürger mit einem klaren Verkaufsverbot im Gesetzestext ein schnelles Ende bereiten. Es sei der Wunsch tausender Stralsunder, die Sparkasse zu erhalten; etliche hätten bereits ein entsprechendes Bürgerbegehren unterzeichnet.
Die Opposition im Landtag wird den Gesetzentwurf allerdings kaum unterstützen. Laut CDU-Fraktionschef Eckhardt Rehberg stellt die Novelle lediglich eine "Lex Stralsundia" dar. Sie reagiere nicht auf Entwicklung der Sparkassen. Weder die Auswirkungen von Basel II noch der Wegfall der Gewährträgerhaftung ab Mitte 2005 seien berücksichtigt. Rehberg: "Die CDU wird eine Gesetzesnovelle nur dann mittragen, wenn sie das Sparkassenwesen im Land modernisiert und zukunftssicher macht." Ein neues Gesetz müsse sowohl den Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute als auch die Beteiligung privater Banken an den Sparkassen ermöglichen.
Bis zum 26. Januar herrschte Waffenstillstand zwischen Stralsund und Landesregierung. Jetzt liegt das Ergebnis der Rechtsprüfung seitens des Innenministeriums vor: Bereits die Prüfung der Möglichkeiten zum Verkauf der Sparkasse sind danach rechtswidrig. Damit seien auch der Beschluss der Stralsunder Stadtvertreter vom Dezember "aufgehoben", teilte Innenminister Timm am Montag mit. Stralsunds Stadtsprecher Peter Koslik kommentiert das mit hanseatischer Gelassenheit: "Jetzt haben wir nicht nur die Möglichkeiten des Verkaufs, sondern auch die Möglichkeiten des Bürgerbegehrens und die Rechtmäßigkeit der Beschlussaufhebung zu prüfen." Andererseits sei nun auch der Weg nach Brüssel geöffnet.