Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 07-08 / 16.02.2004
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Alexander Weinlein

Rote Karte für Schleifer Platzek

Damals... vor 45 Jahren am 19. Februar 1959: Wahl des ersten Wehrbeauftragten des Bundestages

Hauptwachmeister Schulz und Schleifer Platzek hätten nur verständnislos mit dem Kopf geschüttelt. Der Gefreite Asch und Kanonier Vierbein hingegen wären begeistert gewesen. Ein Wehrbeauftragter, der sich - nur dem Parlament verantwortlich und keiner militärischen Befehlskette unterworfen - um die Sorgen und Nöte der Soldaten kümmert, war in ihrer Welt jedoch noch nicht vorstellbar. Als die vier Protagonisten der Romantrilogie "08/15" des Schriftstellers Hans Hellmuth Kirst in den Jahren 1954 bis 1956 auf deutschen Kinoleinwänden noch einmal preußischen Kasernenhofdrill und den Wahnsinn des Krieges zum Leben erweckten, da schickte sich die junge Bundesrepublik gerade an, wieder eine eigene Armee aufzubauen. Klar war, dass in den neuen Streitkräften kein Platz mehr sein sollte für Kadavergehorsam und Schleifertum. Und damit das Leitbild vom "Staatsbürger in Uniform" und die Richtlinien der "Inneren Führung" nicht nur Papiertiger blieben, wurde unter anderem das Amt des Wehrbeauftragten geschaffen.

Der Bundestag richtete dieses Amt nach langem politischen Streit am 26. Juni 1957 ein. Danach begann die Suche nach dem richtigen Mann für diesen Job. Nach der Gesetzeslage musste er das 35. Lebensjahr vollendet und mindestens zwölf Monate Wehrdienst geleistet haben. Schließlich wurde man sich einig, der Bundestag wählte den ehemaligen Generalleutnant Helmuth von Grolman mit 366 gegen 16 Stimmen bei 32 Enthaltungen zum ersten Wehrbeauftragten. Der damalige niedersächsische Flüchtlingsminister Pastor Heinrich Albertz hatte den ehemaligen Wehrmachtsoffizier 1949 als Referent für Umsiedlungsfragen nach Hannover geholt. Der von den Nazis verfolgte Albertz war während des Krieges von Grolman wiederholt vor dem Zugriff der Gestapo geschützt worden. 1954 stieg Grolman zum Staatssekratär im niedersächsischen Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte auf, von 1955 bis 1957 arbeitete er im Personalgutachterausschuss für die Bundeswehr mit.

In seiner Antrittsrede als Wehrbeauftragter legte Grolman ein bemerkenswert klares Bekenntnis zu den Männern des 20. Juli 1944 ab und machte somit deutlich, in welcher Tradition er die neue deutsche Armee sah.

Wie ernst er seine neue Aufgabe nahm, bewies Grolman gleich mit seinem ersten Jahresbericht, den er im Mai 1960 vorlegte. Seine Kritik an der Überforderung von Truppenführern in der Aufbauphase der Bundeswehr, die zu Stimmungsabfall und Resignation in den betroffenen Truppenteilen geführt habe, stieß auf wenig Gegenliebe bei Verteidigungsminister Franz Josef Strauß und anderen Unionspolitikern. Prompt entzündete sich eine Diskussion um Amt und Person des Wehrbeauftragten, der, so die Kritiker, seine Kompetenzen zu weit ausgelegt habe.

Auch der Bundestag selbst tat sich noch schwer im Umgang mit diesem "Glanzstück der Verfassungswirklichkeit", wie das Amt des Wehrbeauftragten heute gerne genannt wird. So wurden die Berichte Grolmans für die Jahre 1959 und 1960 vom Bundestag in seiner Plenumssitzung am 29. Juni 1961 ohne Debatte lediglich "zur Kenntnis genommen", wie es im Parlamentsdeutsch so schön heißt. Vizepräsident Carlo Schmid konnte sich deshalb auch einige mahnende Worte nicht verkneifen: "Ich nehme nicht an, dass dies in jedem Jahr die Form der Erledigung der Berichte des Wehrbeauftragten sein wird und es so bleiben bleiben sollte. Ich glaube dies feststellen zu müssen, denn das Amt des Wehrbeauftragten ist ein hohes Amt und ein wichtiges Amt."

Nur zwei Wochen später reichte Grolman seinen Rücktritt ein - aus persönlichen Gründen. Doch wenig später kündigten die Schlagzeilen der Presse, dass Grolman wegen einer homosexuellen Beziehung zu einem Jugendlichen, der später einen Selbstmordversuch unternahm, hatte gehen müssen. Grolman versuchte darauf hin, sich selbst das Leben zu nehmen, überlebte aber. Nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit lebte er zusammen mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in Hannover. Im Januar 1977 starb er im Alter von 78 Jahren.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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