Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 07-08 / 16.02.2004
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Ines Gollnick

Die "Kultur-Anwältin": Gitta Connemann

Parlamentarisches Profil

Nach nur neun Monaten im Deutschen Bundestag wählten im Juli 2003 alle Fraktionen Gitta Connemann einstimmig zur Vorsitzenden der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland". Diese soll dem Parlament bis Mitte 2005 konkrete, umsetzbare Vorschläge unterbreiten, wie Kunst und Kultur gestärkt werden können. Soviel Anerkennung hat die 39-jährige Juristin gefreut und nicht erwartet. Nie habe sie zu diesem Zeitpunkt, wo sich die "Neuen" eigentlich noch in den Parlamentsbetrieb einarbeiten, mit dieser Ernennung gerechnet.

Dass ihr die Arbeit viel Freude bereitet, hängt auch damit zusammen, dass sie Kunst und Kultur zu ihren Leidenschaften zählt. "Kultur ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit", sagt sie. Sie selbst spielt Klavier und mag Literatur, liest gerade eine Biografie über Magda Göbbels, immer wieder mal Theodor Storms "Schimmelreiter", einen Krimi von Donna Leon oder Reisebeschreibungen.

"Was immer du tun kannst oder wovon du träumst, fange es an!" hat sich Gitta Connemann als Motto zu eigen gemacht, geborgt beim Klassiker Goethe. Worte, mit denen sie sich motiviert. Das kann sie offenbar gut. Dafür steht ihre berufliche Biografie: Schuhfachverkäuferin, Rechtsanwältin, verschiedene juristische Aufgaben, unter anderem beim Arbeitgeberverband Landwirtschaft, und als selbstständige Rechtsanwältin, Bundestagsabgeordente seit Herbst 2002.

Als Gitta Connemann Mitte der 90er-Jahre beschloss, ihren Lebensmittelpunkt wieder in ihrer Heimat Ostfriesland zu etablieren, fiel auch die Entscheidung, sich politisch zu engagieren.

Sie trat 1996 in die CDU ein und wurde direkt in den Rat der Gemeinde Hesel gewählt. Seit 2001 gehört sie als direkt gewählte Abgeordnete dem Kreistag in Leer an. Auch den Wahlkreis Unterems holte sie direkt, unterstützt vom ehemaligen Bundesminister und Parlamentsvizepräsidenten Rudolf Seiters, ihrem Vorgänger im Wahlkreis. Große Fußstapfen für die zierliche, attraktive Frau. "Wir haben eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit gehabt, und die gibt es immer noch", sagt Connemann. "Ich hole mir Rat, weil Rudolf Seiters einen sehr wertvollen Erfahrungsschatz hat", so die Parlamentarierin. 2002 war sie mit ihm auf dem Wahlplakat abgebildet, um sowohl Harmonie als auch den Stabwechsel, der gleichzeitig ein Generationswechsel war, auszudrücken.

"Ich mache Politik, weil ich mitgestalten und Einfluss nehmen will. Dass ich mit der Politik irgendwann Geld verdienen würde, habe ich anfangs nicht geahnt. Ganz sicher ist es kein Beruf wie jeder andere, eher Berufung."

Connemann ist ehrgeizig, "ohne vom Ehrgeiz besessen zu sein", findet sie. Politisch wird sie schon deshalb Spuren hinterlassen, weil sie die erste Frau ist, die für den Wahlkreis Unterems in den Bundestag eingezogen ist. Doch wer ehrgeizig ist, will natürlich viel mehr erreichen. Connemann sitzt in Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, ein Wunschausschuss. Nicht unbedingt, weil sie selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen ist, sondern weil die Landwirtschaft mit ihren vor- und nachgelagerten Bereichen zweitgrößter Arbeitgeber in Niedersachsen ist. Die nochmaligen Einkommenseinbußen der Landwirte und die Äußerungen von Ministerin Renate Künast Anfang Februar anlässlich der Vorstellung des Agrarberichts 2004, dass sich diese mehr am Markt orientieren müssten, hat Connemann "als Schlag ins Gesicht der Landwirte" kritisiert.

Neben der Enquete-Kommission "Kultur" und dem Landwirtschaftsausschuss sitzt Connemann als stellvertretendes Mitglied im Petitionsausschuss.

Ihre Erwartungen an das Mandat haben sich erfüllt, resümiert die norddeutsche Politikerin nach 17 Monaten im Hohen Haus. Bei allen positiven Erfahrungen habe es sie jedoch auch erschreckt, wie zuweilen mit den Rechten der Abgeordneten umgegangen werde. Zum Beispiel, wenn während laufender Ausschusssitzungen umfangreiche Änderungsanträge auf den Tisch kämen, was unzumutbar sei. Als immer wieder "erhebend" empfindet sie es jedoch, im Plenarsaal des Berliner Reichstagsgebäudes Platz zu nehmen und im Anblick des Bundesadlers zu arbeiten.

Ihre breit gefächerten Interessen spiegeln sich in ihrer politischen Arbeit wider. Rechtliche Fragen im Verbraucherschutz, Gartenbau, der Fischerei und bei Tierseuchen stehen im Kontrast zur Kulturanalyse. Dass es die Enquete auf Bundesebene gibt, obwohl Kultur Ländersache ist, begründet Connemann so: "Ausschlaggebend war der Eindruck, dass unsere Kulturlandschaft zunehmend bedroht ist. In Deutschland gibt es eine beispiellose kulturelle Vielfalt - noch. Denn versiegende öffentliche Finanzen führen zur Schließung von Theatern, Museen, Opernhäusern, Stadtteilbibliotheken und Musikschulen", sagt die Kulturpolitikerin.

Die Frage, was überhaupt zur "kulturellen Grundversorgung" gezählt werden soll, beantwortet Connemann so: "Wichtig ist mir, dass wir uns nicht nur auf die so genannten kulturellen Leuchttürme konzentrieren. Kultur ist 'Hochkultur' und Breitenkultur in allen ihren Ausformungen. Dazu gehören auch die Musikschule, die Stadtbibliothek, der Heimatverein und der Kirchenchor."

Große Potenziale sieht die Abgeordnete im ehrenamtlichen, bürgerschaftlichen Engagement. Politik müsse hier atmosphärisch wirken, damit bürgerschaftliches Engagement in einem guten Klima gedeihen könne. Gerade ist sie für die Wahl zur Vizepräsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände vorgeschlagen worden, ein Ehrenamt. Da will sie sich hautnah über die Leistung der kulturellen Breitenarbeit informieren und besser einschätzen lernen, welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. So sehr sie sich auf diese Aufgabe freut - privat, zur Entspannung, mag sie es lieber leise und genießt die Zeit für sich allein, es sei denn, sie greift selbst in die Tasten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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