Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 09 / 23.02.2004
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Hartmut Hausmann

Entscheidung über das System ist wichtig für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Beim digitalen Polizeifunk ist Deutschland das Schlusslicht in Europa

Europa droht beim Aufbau von digitalen Sicherheitsfunknetzen für Behörden eine Spaltung in nicht miteinander kompatible Systeme mit entsprechenden Problemen bei der grenzüberschreitenden Fahndungsarbeit. Dabei hatten sich die Länder des Schengener Abkommens 1990 bereits dazu verpflichtet, sich für die Einrichtung eines europaweit einheitlichen Sprach- und Datenfunksystems für Sicherheitsbehörden als einen Ausgleich für den Wegfall der Grenzkontrollen einzusetzen. Inzwischen haben sich bereits zwei verschiedene Standards etabliert und es liegt an Deutschland, ob wenigstens im Kerneuropa weitgehend ein einheitlicher Standard genutzt wird.

Da in Deutschland vor allem die Bundesländer mit ihrer Hoheit in Polizeifragen involviert sind, aber auch die Bundesregierung hinsichtlich des Bundesgrenzschutzes mit im Boot sitzt, zögert sich die Entscheidung immer weiter hinaus. Während andere Länder längst über einen Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) verfügen oder dabei sind, ihn aufzubauen, streiten sich in Deutschland seit mehreren Jahren die Bundesländer unter einander und gemeinsam mit dem Bund über die Modalitäten der Ausschreibung und der Kostenübernahme. Mit dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik zusammen mit Albanien inzwischen das Schlusslicht im europäischen Geleitzug für den Aufbau eines leistungsfähigen und abhörsicheren Polizeifunks ist.

Für 2006 schon zu spät?

Fachleute sind sich sicher, dass der von Bundesinnenminister Otto Schily erhoffte Termin, zur Fußballweltmeisterschaft 2006 über ein flächendeckendes Digitalfunknetz verfügen zu können, nicht mehr zu halten ist. Bei diesem spektakulären Großereignis, das unter Sicherheitsaspekten wegen der Terrorismusbedrohung neben olympischen Spielen zu den größten Herausforderungen zählt, muss Deutschlands Polizei weiterhin mit einer veralteten Ausrüstung arbeiten, die bei Großeinsätzen häufig zusammenbricht. Ein Szenario, das im Bundestag sogar den Ansatz einer großen Koalition entstehen ließ, indem Abgeordnete von SPD und CDU davor warnten, die dringend notwendige Modernisierung der Sicherheitskommunikation nicht am "Schwarzen-Peter-Spiel" der Regierungen von Bund und Ländern scheitern zu lassen.

Die Länderchefs haben sich zwar nach dem langen Hin und Her in einer Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler grundsätzlich auf die Einführung eines bundesweit einheitlichen Standards für den digitalen BOS-Funk geeinigt, damit nicht auch in Deutschland ein Flickenteppich aus verschiedenen Systemen entsteht. Kein Einvernehmen aber gab es über einen Zeitplan für die Einführung und zur Kostenaufteilung. Die Uneinigkeit wurde nur dadurch überwunden, dass die Bundesländer das neue System nicht gleichzeitig, sondern entsprechend ihren finanziellen Möglichkeiten einführen dürfen. Da der Bund für die Ausrüstung vor allem des Bundesgrenzschutzes nur zehn, maximal 15 Prozent der Kosten zu übernehmen bereit ist, die Länder von Berlin aber eine 50-Prozent-Beteiligung haben möchten, wurde die Festlegung der Finanzierung erneut vertagt. Erst wenn die konkreten Zahlen der Anbieter vorliegen, soll eine Entscheidung fallen.

Am 19. Dezember gab es mit der Unterzeichnung einer Dachvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Einführung eines bundesweit einheitlichen Digitalfunksystems einen ersten Fortschritt. Damit ist die Chance gestiegen, dass angesichts des enormen Zeitdrucks die Ausschreibung für den Großauftrag in Höhe von rund drei Milliarden Euro über zehn Jahre ohne die Endgeräte noch im ersten Quartal formuliert werden kann.

Dabei soll jedoch keine Vorfestlegung auf ein bestimmtes System erfolgen, sondern es sollen lediglich die grundlegenden rechtlichen, technischen und betrieblichen Anforderungen definiert werden. Neben der Forderung nach einer transparenten Kostenstruktur muss in den Angeboten auch die Option für verschiedene Finanzierungsmodelle berücksichtigt werden, wie Maßstäbe für die Kostenverteilung zwischen den künftigen Nutzern des Digitalfunks wie Polizei, Grenzschutz, technische Hilfswerke, Rotes Kreuz bis hin zu möglichen privaten Organisationen, beispielsweise ADAC. Die Systemfestlegung als Ergebnis der Ausschreibung könnte dann Ende des Jahres erfolgen. Voraussetzung aber bleibt eine Einigung über die Finanzverteilung.

Wer immer auf der Anbieterseite den Zuschlag erhält, die Entscheidung provoziert nicht nur für Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene erhebliche neue Probleme, weil die beiden wichtigsten, aber unterschiedlichen Systeme nicht miteinander kompatibel sind. Die Polizei und das Land NordrheinWestfalen favorisieren das System "Tetra 25" von Telekom/Motorola, weil ein Feldversuch im Dreiländereck Aachen auch unter dem Aspekt der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit mit Belgien und den Niederlanden, bei denen Tetra bereits in Betrieb ist, ohne Probleme verlief. Darüber hinaus aber verwenden dieses System bisher nur die für eine Kooperation mit Nachbarländern uninteressanten, weil am Rande Europas liegenden Länder Großbritannien, Island und Finnland.

Weiter verbreitet ist da schon das von EADS Telekom verbreitete System "Tetrapol", das in Spanien, Frankreich, der Schweiz, Tschechien, der Slowakei und Rumänien bereits in Betrieb ist. Alle übrigen Staaten befinden sich noch in der Prüfungs- oder Ausschreibungsphase. Luxemburg möchte bei seiner Systemwahl die deutsche Entscheidung berücksichtigen, da sich an seinen Grenzen beide Standards etabliert haben. Vor einem Neuanfang steht Österreich, das mit einem von Siemens angeführten Konsortium einen Vertrag zum Aufbau eines landesweiten Behördennetzes auf der Basis von Tetra geschlossen hatte. Dieser Vertrag wurde Mitte vorigen Jahres gekündigt, weil vorangegangene Tests unzureichende Feldstärken bis hin zu regelrechten Funklöchern ergeben hatten, selbst im Zentrum von Innsbruck und auf der Brennerautobahn. Auch konnten vertraglich zugesagte Leistungen, wie die Versorgung der Tunnel, nicht erbracht werden.

Ähnliche Probleme tauchten in Norwegen auf, das sich 1997 für das Tetra-System entschieden hatte. In den oft engen Fjorden war eine ausreichende Funkabdeckung nicht überall zu erreichen. Deshalb wurden Ausschreibungen neu geöffnet, und in Oslo wird erwogen, auf das Tetrapol-System umzuschwenken. Arne Schönbohm von EADS erklärte diese technischen Probleme damit, dass Tetrapol gegenüber dem Wettbewerber klare Reichweitenvorteile habe, die auch in Deutschland in einem bundesweiten Test bestätigt wurden und die sich besonders in Gebirgsregionen deutlich auswirken, während sie im Flachland kaum Bedeutung haben. Vorteile hätte Tetrapol für Deutschland auch deshalb, weil bereits die Bundeswehr dieses System benutzt, was bei gemeinsamen Großeinsätzen zusammen mit Polizei und Grenzschutz, wie bei der Flutkatastrophe 2002, von großem Vorteil wäre. Auch die EU-Kommission hat sich für diesen Standard entschieden..


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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