Europa. Experten und die Mitglieder des Europaausschusses sind unterschiedlicher Meinung über eine von der EU-Kommission vorgelegte Verordnung zur Kennzeichnung und Bewerbung von Lebensmitteln. In einem Fachgespräch über die Zuständigkeiten der EU im Bereich des Gesundheits- und Verbraucherschutzes wies der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin, Gerhard Sabathil, am 3. März in einer öffentlichen Sitzung des Europaausschusses darauf hin, dass die Verordnung eine Reaktion auf die Komplexität des Lebensmittelmarktes und die gestiegenen Interessen der Verbraucher an eine Etikettierung sei.
Es gehe darum, eine Harmonisierung im Binnenmarkt zu schaffen und einen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Konsumenten zu leisten. Strittig seien die Aufnahme von Ernährungsprofilen in die Kennzeichnung von Lebensmitteln sowie das Verbot von bestimmten Werbemaßnahmen, wie zum Beispiel die Herstellung von wissenschaftlich nicht erwiesenen Zusammenhängen. Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, sprach sich dagegen aus, Nährwertprofile für Salz, Fett und Zucker in die Verordnung aufzunehmen. Dadurch würden Produkte, die zum Beispiel nur einen geringen Anteil an Vitaminen hätten, unweigerlich vom Markt verschwinden. Es gehe darum, Werbeverbote zu implementieren und Täuschungen der Verbraucher zu verhindern. Professor Olaf Sosnitza von der Universität Würzburg ist davon überzeugt, dass die Kommission mit dieser Verordnung ihre Kompetenzen überschreitet. Die Verbraucherpolitik der Gemeinschaft führe zu einer Verdrängung der nationalen Kompetenzen. Mit der Verordnung entstehe zudem ein unverhältnismäßig hoher bürokratischer Aufwand, da Werbemaßnahmen in einem komplizierten Verfahren genehmigt werden müssten.
Martin Dörmann von der SPD wies darauf hin, dass der juristische Dienst des Ministerrates keine Bedenken gegen die Verordnung erhoben hat. Für den Abgeordneten sind die Vorschläge zu weitgehend, Nährwertprofile in die Etikettierung aufzunehmen. Thomas Silberhorn von der CDU/CSU sah Harmonisierungsbedarf in einigen Bereichen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes. Im Falle dieser Verordnung überschritten die Brüsseler Behörden ihre Kompetenzen. Gegenwärtig würden der freie Warenverkehr und somit der EU-Binnenmarkt nicht behindert. Die Entscheidungsträger müssten zudem deutlich machen, welche zusätzlichen Belastungen auf die Lebensmittelindustrie zukommen. Die Bündnisgrünen sahen politischen Handlungsbedarf, da die Verbraucher durch eine zunehmende Vielfalt des Lebensmittelmarktes nicht irregeführt werden dürften. Die Regulierung des Binnenmarktes sei nötig, da es unterschiedliche Regelungen bei der Etikettierung von Lebensmitteln in den Mitgliedstaaten gebe. Die Fraktion sprach sich dafür aus, die Nährwertprofile in die Verordnung aufzunehmen. Für die FDP überschreitet die Kommission mit der Verordnung ihre Kompetenzen. Die Bürger dürften nicht als unmündig betrachtet und mit zusätzlicher Bürokratie belastet werden. Diese Haltung unterstützte Peter Hinze von der CDU/CSU. Der Bezug auf die Regulierung des Binnenmarktes sei unzulässig, da in keinem EU-Mitgliedstaat die Frage der Nährwerte geregelt werde. Die Verordnung führe zu einer Überregulierung, die die Situation eher verschlimmere.
Bundestag nimmt Stellung
Der Bundestag hat am 4. März einen Antrag der Koalitionsfraktionen (15/2579) zu dem von der EU-Kommission vorgelegten Verordnungsentwurf über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln angenommen und einen Antrag der CDU/CSU (15/1789) zum gleichen Thema auf Empfehlung des Verbraucherschutzausschusses vom Vortag (15/2595) abgelehnt.
Die Koalitionsfraktionen sprechen sich in ihrem Antrag dafür aus, nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben von Lebensmitteln im Sinne einer Verbesserung des Verbraucherschutzes und des fairen Wettbewerbs europaweit einheitlich zu regeln. Der hierzu von der EU-Kommission vorgelegte Verordnungsentwurf über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln wird von den Koalitionsfraktionen grundsätzlich begrüßt. Es sei sinnvoll, dass bei nährwertbezogenen Angaben künftig für alle Wirtschaftsteilnehmer die gleichen Vorschriften gelten sollen und bei gesundheitsbezogenen Angaben nur wissenschaftlich belegte und für den Verbraucher verständliche Aussagen verwendet werden dürfen. Wie die Reaktionen aus den betroffenen Wirtschaftszweigen zeigten, sei jedoch der Anwendungsbereich des EU-Verordnungsvorschlags zu unbestimmt.