Die Deutschen reisen gerne in die Türkei und für die sind die Touristen eine der wichtigsten Einnamequellen, die das Land künftig noch weiter ausbauen möchte. Dafür wurden die Bedürfnisse der potenziellen Urlauber aufwendig analysiert. Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Dienstleistungsbranchen in der Türkei - mit wachsender Tendenz und trotz mancher Rückschläge durch Kriege, Wirtschaftskrisen und der Bedrohung durch Terrorismus. 2002 wurde in dieser Branche ein Umsatz von 8,1 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Insgesamt besuchten 2003 knapp 14 Millionen Touristen die Türkei.
Obwohl infolge des Irak-Krieges weltweit der Tourismus um 13 Prozent zurückging, konnte die Türkei ihre Besucherzahlen um fünf Prozent steigern. Somit setzt die türkische Wirtschaft hohe Erwartungen und Hoffnungen in diesen bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung sind die Touristen aber auch wegen der interkulturellen und internationalen Verständigung zwischen der Türkei und Europa ein nicht zu unterschätzender Faktor. Vor dem Hintergrund der türkischen Bestrebungen, Mitglied der EU zu werden, unterstützt ein positives Bild der Türkei in der europäischen und vor allem in der deutschen Bevölkerung die Anstrengung der türkischen Regierung.
Um auch zukünftig den Anforderungen der Tourismusbranche und der Urlauber gerecht zu werden, strebt die türkische Regierung und mit ihr die Tourismusbranche derzeit eine Ausweitung der Urlaubsregionen und der Urlaubsformen an, durch die auch die saisonale Konzentration aufgelockert werden soll: So wird der Ausbau der Infrastruktur der Schwarzmeer-Region, aber auch anderer Regionen vorangetrieben. Alternative Tourismusformen wie Kultur- und Wellnessreisen, Religionstourismus, Aktiv- und Sporturlaub, Winter-, Yacht- und Seniorenreisen werden durch Investitionshilfen gezielt gefördert. Denn auch für die Zukunft wird mit einer Zunahme der Besucherzahlen gerechnet: Die World Travel Organisation schätzt, dass im Jahre 2020 27 Millionen Touristen die Türkei besuchen werden und für einen Umsatz von 40 Milliarden US-Dollar sorgen. Um dies zu erreichen und die Attraktivität als Urlaubsland zu erhalten oder zu steigern, muss die Branche aber auf neue Entwicklungen und Trends reagieren.
Die größte Urlaubergruppe stammt mit rund 3,3 Millionen Touristen aus Deutschland, dies ist knapp ein Viertel aller Touristen in der Türkei. Die Türkei zählt zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen, sie liegt nach Spanien und Italien bereits auf dem dritten Rang. Um auszuloten, welche Potenziale für den Türkei-Tourismus in Deutschland bestehen und welche Trends sich für die Urlaubsformen abzeichnen, führte das Zentrum für Türkeistudien im Februar 2004 eine repräsentative telefonische Befragung unter 1.000 Erwachsenen durch. Die Untersuchung der Einstellung zur Türkei als Urlaubsland zielte neben der Erfassung der künftigen Quantität auch auf die Qualität und die Erfolgsaussichten alternativer Urlaubsformen jenseits des Badeurlaubs, an die die Tourismusbranche durch die Möglichkeiten, weitere Urlaubergruppen zu rekrutieren, hohe Erwartungen knüpft.
23 Prozent der Deutschen haben bereits Urlaub in der Türkei gemacht. Die Struktur der Türkeiurlauber zeigt eine ausgewogene Geschlechterverteilung. Bisherige Türkei-Urlauber finden sich vor allem in der Altersgruppe zwischen 25 bis 30 Jahre, aber auch in der Gruppe zwischen 40 und 60 Jahren sowie unter den Befragten mit mittlerem und höherem Bildungsniveau häufiger als in der Bevölkerung insgesamt. Sie sind häufiger Angestellte und Beamte und mit mittleren und höheren Einkommen.
Der häufigste Grund, bisher noch nicht in die Türkei gereist zu sein, ist mit 43 Prozent mangelndes Interesse am Land. An zweiter Stelle wurden von einem Drittel finanzielle Gründe genannt. Mit großem Abstand folgt an dritter Stelle, dass sich bisher ein Türkei-Urlaub noch nicht ergeben habe. 13 Prozent meinten, die Kultur und Religion in der Türkei sei ihnen zu fremd. Jeweils jeder Zehnte nannte Angst wegen Anschlägen und Kriegen sowie allgemeine Flugangst. Keine Zeit hatten bisher neun Prozent, zu alt oder zu krank fühlen sich sieben Prozent. Sechs Prozent sind der Meinung, in Deutschland gäbe es genug Türken, so dass man nicht noch im Urlaub in die Türkei fahren müsse. Fünf Prozent wollten wegen der politischen Situation nicht in der Türkei, ebenso vielen ist es dort zu heiß oder zu weit weg beziehungsweise machen sie generell keine Auslandsreisen.
Dennoch können sich mehr als die Hälfte (52 Prozent) der bisherigen Nicht-Urlauber definitiv und neun Prozent vielleicht vorstellen, zukünftig in der Türkei Urlaub zu machen. Für 39 Prozent der bisherigen Nichturlauber kommt dies jedoch nicht in Frage. Hierunter finden sich vor allem Ältere und Befragte mit niedrigem monatlichen Haushaltseinkommen. Entsprechend sind unter den potenziellen Türkei-Urlaubern junge und vor allem mittlere Altersgruppen häufiger zu finden, sowie solche Befragte mit mittlerem und vor allem hohem Einkommen.
Diejenigen bisherigen Nichturlauber, die sich für die Zukunft einen Türkei-Urlaub vorstellen können, möchten fast zur Hälfte (46 Prozent) am liebsten einen Badeurlaub machen. Allerdings folgen dicht darauf an zweiter Stelle mit 36 Prozent Rund- und Kulturreisen. Sieben Prozent würden am liebsten eine Städtereise machen, fünf einen Aktivurlaub, zwei Prozent eine Kur- oder Wellnessreise.
Auch bei denjenigen, die schon in der Türkei waren, ist der Badeurlaub mit Abstand am beliebtesten, 70 Prozent machten einen solchen Urlaub. Mehr als drei Viertel derjenigen Urlauber, die einen Badeurlaub gemacht haben, besuchten während dessen das Landesinnere. Fast jeder Fünfte machte eine Rund- oder Kulturreise, fünf Prozent eine Städtereise. Andere Formen des Urlaubs wurden bisher nur von wenigen gemacht.
Badereisen sind vor allem bei den Jüngeren und bei Befragten mit niedrigem Einkommen beliebt. Rund- und Kulturreisen eher bei der mittleren und älteren Gruppe und bei gut Verdienenden. Städtereisen werden vor allem von Männern, den über 60-Jährigen mit mittlerem Einkommen, und Aktivurlaub (der Wandern einschließt) von den 51- bis 60-Jährigen mit eher niedrigem Einkommen gemacht.
Um das Potenzial zukünftiger Türkei-Urlauber und die Möglichkeiten für die verschiedenen Urlaubsarten zu bestimmen, wurden die Angaben von Urlaubern und Nichturlaubern zu ihren Plänen bezüglich zukünftiger Türkeiurlaube und der Art des gewünschten bzw. vorstellbaren Urlaubs. Im Ergebnis zeigt sich, dass sich 66 Prozent der Befragten zukünftig durchaus einen (weiteren) Türkeiurlaub vorstellen können. Hochgerechnet auf die (erwachsene) deutsche Bevölkerung von 70 Millionen bedeutet dies rund 46,2 Millionen potenzielle Türkeiurlauber. Somit ist das Potenzial künftiger Türkeiurlauber in Deutschland sehr groß. Unter den Alternativen - oder auch Ergänzungen - zum Badeurlaub liegt mit 46 Prozent aller Befragten und 70 Prozent der potenziellen Urlauber die Rund- und Kulturreise an der Spitze.
Um das vorhandene Potenzial auszunutzen, bieten sich neben qualitativen Verbesserungen im Bereich Transfer, Hotel und Freizeitangebot eine Diversifizierung des Programms an, denn neben den klassischen Formen Badeurlaub und davon getrennt Rundreisen scheinen auch kombinierte Reisen auf Zustimmung stoßen, beispielsweise: Badeurlaub mit einem umfangreicheren Kulturprogramm oder kombiniert mit Aktivurlauben, wie sich aus den Nachfragen an diejenigen, die sich zunächst einen Badeurlaub wünschen oder vorstellen, ergab. Ebenfalls erfolgversprechend scheint die Kombination Baden und Wellness zu sein. Dabei sind für Letzteres eher günstige Angebote für jüngere Leute, für Kultur- und Städtereisen auch solche im mittleren und höheren Preissegment für Leute ab 40 Jahre interessant.
Dr. Martina Sauer ist Abteilungsleiterin für empirische Forschung am Zentrum für Türkeistudien.