Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 28 / 05.07.2004
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K. Rüdiger Durth

Nur die PDS reibt sich die Hände

Kommunalwahlen in Thüringen: CDU verliert - SPD bricht weiter ein

Die Thüringer sind wahlmüde. 14 Tage nach den Europa- und Landtagswahlen waren sie aufgerufen, neue Stadt-, Gemeinde- und Kreisparlamente zu wählen. Nahmen an der Wahl vor fünf Jahren noch 58,3 Prozent der stimmberechtigten Thüringer teil, so sind es diesmal nur noch 50,6 Prozent. Und wieder ist esChristoph Matschie, der SPD-Landesvorsitzende, der eine herbe Niederlage eingestehen muss. Bei den Wahlen in den kreisfreien Städten und Landkreisen sackte die SPD auf 15,6 Prozent und büßte 112 Mandate ein, bei den Wahlen für die Gemeinde- und Stadträte kam sie sogar nur noch auf 11,9 Prozent, was einem Minus von 456 Mandate entspricht. Nun hat sie noch 166 beziehungsweise 846 Mandate.

Doch auch der Landesvorsitzende der CDU, Ministerpräsident Dieter Althaus, sieht in dem Ergebnis für seine Partei "keinen Grund zum Feiern". Immerhin büßte die CDU einige Prozentpunkte ein und kam bei der Wahl der Parlamente für die kreisfreien Städte und Landkreise auf 40,9 Prozent der Stimmen (was 433 Mandaten entspricht, 39 weniger als 1999). Bei den Wahlen für die Gemeinde- und Stadträte kam die CDU nur noch auf 32,6 Prozent der Stimmen (das sind 2.891 Mandate, 207 weniger als bei der Wahl zuvor).

Doch diese Kommunalwahl kennt auch zwei Sieger: Das ist zum einen die PDS, deren starker Mann Bodo Ramelow seine Partei in zwei Jahren wieder in den Deutschen Bundestag einziehen sieht, und zum anderen die Freien Wählergemeinschaften. Letztere wurden bei den Gemeinde-und Stadtratswahlen mit 34,7 Prozent (5.298 Mandaten) sogar stärkte politische Kraft - noch vor der CDU. Bei den Wahlen für die Parlamente der kreisfreien Städte und Landkreise mussten sie sich mit 10,8 Prozent (118 Mandate) zufrieden geben.

Strahlen kann die PDS, die sich nach der Landtagswahl vom 13. Juni nun auch bei der Kommunalwahl als zweitstärkste politische Kraft in den kreisfreien Städten und Landkreisen mit 24,6 Prozent (einem Plus von 6,7 Prozentpunkten gegenüber der Kommunalwahl 1999) etablieren kann. Künftig verfügt sie über 268 Mandate, das sind 62 mehr als vor fünf Jahren. Bei der Gemeinderats- und Stadtratswahl legt sie 2,5 Punkte zu und kommt auf 15,2 Prozent der Stimmen (was 758 Sitze ausmacht).

Ursachen des Ergebnisses

Woran liegen die Ursachen für dieses Wahlergebnis, das zudem die FDP mit 4,7 Prozent der Stimmen bei der Wahl der Parlamente für die kreisfeien Städte und Landkreise und 3,7 Prozent für die Gemeinde- und Stadträte vor den Grünen mit 3,5 beziehungsweise 19,9 Prozent zeigt? Zum einen liegt die Ursache in der niedrigen Wahlbeteiligung. Gerade einmal jeder zweite stimmberechtigte Thüringer hat seine Stimme abgegeben. Das kam vor allem der PDS und den Freien Wählergemeinschaften zugute, denen es gelang, ihre Wähler zu mobilisieren.

Eine weitere Ursache liegt offensichtlich in einem mangelnden Interesse an Wahlen in den neuen Bundesländern. In Thüringen ist in den vergangenen Jahren die Wahlbeteiligung kontinuierlich zurückgegangen. Noch niedriger wird in einer Woche die Wahlbeteiligung sein, wenn in 50 Gemeinden Stichwahlen für die Wahl der Bürgermeister anstehen. Verständlich, dass CDU-Chef Althaus durchaus zufrieden ist mit dem Wahlergebnis, weil seine Partei die stärkste Partei geblieben ist. Doch für seine Frauen und Männer vor Ort wird das Regieren zum Teil sehr viel schwieriger, weil sich die Mehrheitsverhältnisse gravierend verändert haben.

Christoph Matschie, der den partei-internen Kampf gegen seinen Kontrahenten Drewes nach der verlorenen Landtagswahl gewonnen hat, ist überzeugt: Die schlechte Stimmung in der Gesamtbevölkerung über die "Agenda 2010" mit ihren zum Teil erheblichen sozialen Einschnitten hat auch bei der Kommunalwahl wieder durchgeschlagen. Es werde Jahre dauern, bis die SPD durch harte Arbeit das Vertrauen wieder zurückgewonnen haben werde. Immerhin hat Matschie sich für Thüringen entschieden. Er hat zugunsten des Landtagsmandates und des Vorsitzes der (drittgrößten und damit kleinsten) Fraktion im Erfurter Landtag sein Bundestagsmandat zurückgegeben. Und damit auch sein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär.

Die Freien Wählergemeinschaften, die am 13. Juni nicht den Sprung in den Thüringer Landtag schafften, haben mit dem guten Abschneiden nicht gerechnet. Worauf führen sie es zurück? Vor allem auf eine glaubwürdige und engagierte Politik vor Ort für den Bürger. In Zukunft werden sie zahlreiche Bürgermeister in Thüringen stellen und in manchen Kommunen verfügen sie sogar über eine absolute Mehrheit. Aber auch die Zahl der PDS-Bürgermeister wird größer. Alles in allem wird die Politik vor Ort bunter. Parteipolitisch zumindest.

In der Wintersportstadt Oberhof im Thüringer Wald schafft die SPD nicht einmal die Fünf-Prozent-Hürde und ist im neuen Stadtrat nicht vertreten. In zahlreichen Städten brechen die Sozialdemokraten um zehn und mehr Prozentpunkte ein. Werfen wir einen Blick auf die größten Städte des Landes: In der Landeshauptstadt Erfurt büßt die CDU 6,9 Punkte gegenüber der Kommunalwahl von 1999 ein und kommt noch auf 39,3 Prozent. Sie bleibt damit vor der PDS mit 32,4 und der SPD mit 16,2 sowie den Grünen mit 8,7 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Stärkste Partei bleibt die CDU - trotz schwerer Stimmenverluste - auch in Weimar mit 29 Prozent vor der PDS mit 20,7 Prozent.

In der Goethe- und Schillerstadt überholen die Grünen mit 0,1 Prozent sogar die Sozialdemokraten und kommen auf 12,4 Prozent. Das sind 4,1 Prozentpunkte mehr für die Grünen als bei der letzten Kommunalwahl und 15,1 Punkte weniger für die SPD. Allerdings wird die Wählerinitiative "Weimarwerk" mit 21,2 Prozent die zweitstärkste Fraktion im Erfurter Stadtrat stellen. 1999 gab es "Weimarwerk" noch gar nicht.

Stärkste Fraktion wird die PDS in Suhl mit 31,8 Prozent der Stimmen vor der CDU mit 25,5 Prozent (mit einem Minus von 18,1 Prozentpunkten). Hier kommt die SPD noch auf 10,6 Prozent der Stimmen (mit einem Minus von elf Punkten). Allerdings schafft die Wählergemeinschaft "Aktiv Suhl" mit 28,8 Prozent auf Anhieb Platz 2 hinter der PDS im Suhler Stadtrat. In Gera übertrumpft die PDS mit 38,1 Prozent der Stimmen sowohl die CDU (28,7) als auch die SPD (11,1) und die Wählergemeinschaft "Arbeit für Gera" (15,8) und die Grünen sowie die FDP (jeweils 3,9).

Selbst im prosperierenden Jena überholt die PDS mit 24,4 Prozent der Stimmen die CDU, die nur noch auf 22,9 Prozent kommt. Die SPD schafft hier 19, die FDP 9,1 Prozent. Mit 12,5 und 12,3 Prozent der Stimmen erweisen sich die "Bürger für Jena" und die Grünen als sehr stark. In der Lutherstadt Eisenach muss die CDU einen Verlust von 12,1 Prozentpunkten hinnehmen, bleibt aber mit 35,2 Prozent stärkste Fraktion im Stadtparlament vor der PDS (23,4), der SPD (15,5) und den Grünen (8,7). Die "Bürger für Eisenach" und "Eisenacher Aufbruch" kommen zusammen auf 13,8 Prozent.

Im Landkreis Eichsfeld, der Heimat von Ministerpräsident Althaus, kann die CDU gegenüber 1999 noch einmal 2,2 Prozentpunkte zulegen und kommt auf 67,1 Prozent - während die SPD 7,8 Punkte verliert und auf 9,5 Prozent abrutscht. Zweitstärkste Fraktion im Kreistag wird mit einem Plus von 3,6 Prozentpunkten die PDS, die auf 13,3 Prozent kommt. Im Kyffhäuserkreis kann die CDU ebenfalls zulegen und erreicht 43,7 Prozent der Stimmen, gefolgt von PDS (27,6) und Freien Wählern (15,9). Die SPD rutscht mit 9,6 Prozent auch hier unter die Zehn-Prozent-Grenze. In der Stadt Gehren verliert die CDU 14,6 Prozentpunkte der Stimmen und muss der Freien Wählergemeinschaft mit 44,6 Prozent der Stimmen den Platz 1 im Stadtrat überlassen. Die SPD schafft mit 5,2 Prozent gerade die Fünf-Prozent-Hürde. Vor ihr liegt mit 16,4 Prozent die PDS. Die Linkssozialisten haben offensichtlich sowohl in den großen Städten als auch in den Kleinstädten und Gemeinden des Freistaates nicht nur von der geringen Wahlbeteiligung sowie der Mobilisierung ihrer eigenen Wähler profitiert, sondern auch viele enttäuschte Sozialdemokraten zu sich herübergezogen.

Der Jenaer Politologe Michael Edinger ist überzeugt, dass die Menschen in Thüringen Demokratie sehr stark über die sozialen Leistungen definierten. Sobald Zahlungen sinken, schwinde auch die Zustimmung zur Demokratie. Nach Edinger wird der Eigenwert der Demokratie noch zu wenig erkannt. Geraten Werte in Spannung zueinander, so der Jenaer Wissenschaftler, dann haben Werte wie Freiheit etwa im Verhältnis zur Sicherheit erheblich weniger Chancen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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