Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 28 / 05.07.2004
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Karl-Otto Sattler

Rätselraten um Ministerriege

Baden-Württemberg: Wie wird Teufel das Kabinett umbilden?

Das Puzzle mit Personalien gehört zu den beliebtesten Spielen in politischen und Medienkreisen. Viel Raum für solche Spekulationen offeriert derzeit in Baden-Württemberg die Kabinettsumbildung, die durch den Rücktritt des affärengebeutelten FDP-Wirtschaftsministers Walter Döring so plötzlich erzwungen wurde. CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel persönlich nährt die Spannung vor der für Mitte Juli geplanten Vereidigung der neuen Ministerriege: Es sei zwar "keine Revolution" zu erwarten, doch sei durchaus ein Revirement denkbar, das über die Ersetzung Dörings durch den FDP-Fraktionsvorsitzenden Ernst Pfister und über die Berufung eines Nachfolgers für den amtsmüden Unions-Innenminister Thomas Schäuble hinausgeht. Teufel: "Ich strebe eine Gesamtlösung an".

Der Regierungschef verrät nichts über seine Favoriten, und so drängen sich Fragen über Fragen auf. Welcher Minister muss gehen? Werden Ressorts neu zugeschnitten? Wie mischen der CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger und Kultusministerin Annette Schavan mit, die um Teufels Nachfolge konkurrieren? Was wird das neue Personaltableau über Teufels eigene Pläne aussagen, wird der 64-Jährige 2006 noch einmal antreten und sowohl Oettinger als auch Schavan leer ausgehen lassen? Dörings tiefer Fall provoziert Umbrüche im Regierungslager - am Kabinettstisch und in den Koalitionsparteien.

Die Zeiten sind schnelllebig. Die personelle Zäsur in Stuttgart drängt Dörings Sturz schon in den Hintergrund, obwohl die unduchsichtige Affäre das FDP-Politikers keineswegs aufgeklärt ist und noch Überraschungen zutage fördern könnte. "Es reicht": Mit diesem Spruch begründete Döring seinen Rücktritt, nachdem die Staatsanwaltschaft sogar Räume seines Ministeriums durchsucht und eine seltsame Spende Moritz Hunzingers publik geworden war. Der schillernde PR-Guru hatte Ende 1999 Döring persönlich 10.000 Mark (rund 5.100 Euro) zukommen lassen, die dieser an den FDP-Kreisverband Schwäbisch-Hall als Parteispende weiterleitete.

Diese Summe entsprach jenem Betrag, die zuvor die zu dem ins Gerede gekommenen Konzern Flowtex gehörende Tochterfirma Flow Waste an das in Hunzingers Unternehmenskomplex integrierte Infas-Institut überwiesen und intern vermutlich als Scheinrechnung verschleiert hatte: Bezahlt worden ist auf diesem Weg eine Gefälligkeitsumfrage von Infas für Dörings Ministerium, die dessen Politik eine positive öffentliche Resonanz bestätigte. Klarheit im Detail über die merkwürdigen Geldströme vor fünf Jahren herrscht immer noch nicht, die Aussagen widersprechen sich, gegen Hunzinger und gegen Dörings Ex-Büroleiterin Margot Haussmann wird wegen Verdachts der uneidlichen Falschaussage ermittelt. Döring ist wegen des Verdachts der Vorteilsannahme ins Visier des Staatsanwalts geraten, Bettina Morlok als Chefin von Flow Waste wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung: Als Minister hatte sich Döring für die Geschäftsinteressen von Flow Waste eingesetzt. Bettina Morlok ist die Nichte von Jürgen Morlok, des Ehrenvorsitzenden der Südwest-FDP. Dass Döring vor fünf Jahren 50 Aktien von Hunzingers Unternehmen gekauft hatte, passt als Apercue ins Gesamtbild.

Lange Zeit wies der Minister alle Vorwürfe zurück, zuletzt räumte er eine "Teilschuld" sein. Döring tritt auch als Vorsitzender des Landes-FDP und als FDP-Vize auf Bundesebene zurück. Mit der Nominierung von Ernst Pfister (57) zum Wirtschaftsminister und der Bundestagsabgeordneten Birgit Homburger (39) zur Parteichefin haben die schwäbischen und badischen Freidemokraten ihre Personalprobleme vordergründig rasch geklärt. Doch die Südwest-FDP wurde weithin mit der Person Dörings identifiziert. Ob die Umweltexpertin Homburger und der Bildungsfachmann Pfister als öffentlich bislang wenig profilierte Politiker die Lücke schließen können, muss sich noch erweisen.

Homburger, die auf einem Parteitag am 17. Juli gewählt werden soll, wurde im Landesvorstand einstimmig nominiert. Pfister, wirtschaftspolitisch ein unbeschriebenes Blatt, hat bislang die zehn FDP-Parlamentarier im Landtag solide geführt. In der Fraktion musste er sich jedoch gegen Michael Theurer in einer Kampfabstimmung durchsetzen. Die FDP-Bundesspitze wollte lieber den 37-jährigen Rathauschef von Horb als neuen Minister sehen, um so einen Neuanfang in Baden-Württemberg zu symbolisieren

Noch offen ist die künftige Zusammensetzung der CDU-Kabinettsriege. Teufel hatte sich einen anderen Zeitplan zurechtgezimmert: In der zweiten Jahreshälfte wollte er die Regierung umbilden, und im Februar 2005 sollte die Union ihre Nummer eins für die Wahl 2006 küren. "Ich werde rechtzeitig erklären, ob ich erneut für eine Spitzenkandidatur zur Verfügung stehe", sagte Teufel wenige Tage vor Dörings Rücktritt - und signalisierte so offiziell, dass sein Abschied keineswegs eine ausgemachte Sache ist.

Dörings Sturz hat Teufels Strategie über den Haufen geworfen. Denn eine Kabinettsumbildung "auf Raten" soll es nicht geben. Schon vor längerer Zeit hatte Innenminister Schäuble seinen Rückzug angekündigt, es lockt der lukrative Posten an der Spitze der staatlichen Rothaus-Brauerei. Auch Finanz-Staatsekretär Wolfgang Rückert (CDU), ein Weggefährte Teufels, will ausscheiden. Der Ministerpräsident schweigt bisher eisern über seine neuen Favoriten. Dieses Stillschweigern dürfte manchen Ressortchef beunruhigen. So müht sich Verkehrs- und Umweltminister Ulrich Müller seit Jahren vergeblich, seinen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit nennenswert zu steigern. Immer mal wieder fällt in den Medien auch der Name von Sozialminister Friedhelm Repnik als Wackelkandidat. Diskutiert wird über eine eventuelle Zusammenlegung von Kultus- und Wissenschaftsressort: Ein solches Ministerium würde dann wohl von Annette Schavan geführt, Kollege Peter Frankenberg müsste weichen.

Eine Aufwertung Schavans würde Günther Oettinger nicht passen, schließlich ringen beide um Teufels Nachfolge. Der CDU-Fraktionsvorsitzende wendet sich denn auch gegen eine Neuaufteilung der Ressorts. Zudem plädiert er für Staatssekretär Heribert Rech als Nachfolger Schäubles. Der Ministerpräsident aber will sich nicht dreinreden lassen - und vor allem möchte er sich selbst alle Optionen offenhalten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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