"Ein Herrgottschnitzer wird immer Arbeit haben", sagt ein Kunstgewerbehändler in München. Er weiß, wovon er spricht, denn für deutsche Wertarbeit auch im Kunstgewerbe gibt es gute Nachfrage. Das gilt ebenso für Christbaumschmuck aus ostdeutschen Bundesländern und für regional typisches Spielzeug aus dem Erzgebirge, das von Hand hergestellt wird. Angesichts der großen Konkurrenz von Kunststoff-Souvenirs aus China und Taiwan haben es die deutschen Exoten im Handwerk nicht leicht. Sie hoffen natürlich auf die Treue von Kunden, die handwerklich gefertigte Dinge bevorzugen.
Was den Holzschnitzer betrifft, so handelt es sich entweder um die Gewerke "Drechsler (Elfenbeinschnitzer) und Holzspielzeugmacher" oder das Gewerk "Holzbildhauer" mit dem gleichnamigen Ausbildungsberuf. Der Holzbildhauer hat nach Angaben der Handwerksorganisation in den vergangenen sieben Jahren zwischen 32 und 42 Auszubildende, der Holzspielzeugmacher zwischen 24 (2003) und 44 (1998) Auszubildende gehabt. In der Ausbildung zum Drechsler (Elfenbeinschnitzer) befanden sich 1997 noch 109 Auszubildende. Die Zahl hat sich bis 2003 jedoch auf 50 reduziert.
Auf eine angenehme Weise werden fast alle Deutschen tagtäglich mit den Bäckern konfrontiert. Das Bäckerhandwerk genießt allein mit seinen Millionenauflagen von frischen Brötchen besondere Popularität. Von den mehr als 300 Brotsorten sowie mehr als 1.200 Sorten Kleingebäck und Feine Backwaren ganz zu schweigen. "In keinem anderen Land der Welt gibt es eine größere Vielfalt der Backwaren", sagt Eberhard Groebel, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks in Bad Honnef. Die begehrte backfrische Ware wird in 17.580 handwerklichen Bäckereien bundesweit produziert, sagt Volker Brusius vom Zentralverband. Regionale Spezialitäten, nach individuellen Rezepten fachmännisch bereitet, seien " fester Bestandteil der Alltags- und Esskultur in Deutschland". Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat ermittelt, dass allein für den Inner-Haus-Verzehr der privaten Haushalte im Jahr 2003 insgesamt 6,526 Milliarden frische Brötchen, Brezeln, Croissants gekauft wurden. Im Jahr 2003 hat das Bäckerhandwerk 31.481 Lehrlinge ausgebildet. Es zählt damit zu den Betrieben mit den meisten Lehrlingen.
Mosaizistin und Posamentierer
Moderne Techniken führen nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks Berlin dazu, dass traditionelle Berufe sich verändern, in neue Berufsgruppen eingegliedert werden oder tatsächlich zum Aussterben verurteilt sind. Erhalten haben sich viele Namen aus der "guten alten Zeit", unter denen sich die junge Generation kaum noch etwas vorstellen kann. Zu den Exoten gehört unter anderen die "Mosaizistin" im Bundesland Brandenburg. Sie wird offiziell als Fliesenlegermeisterin geführt.
"Interessant ist sicher auch der Seifensieder, dessen Tradition noch von einer Brandenburgerin fortgesetzt wird, und das Posamentieren (das Wirken von Gold- und Silbertressen und Borten) dessen einzige Meisterin in Sachsen wirkt", berichtet Marina Kronemann vom Deutschen Handwerkskammertag in Berlin. "Und der letzte Schirmmachermeister hat seine Werkstatt in Hamburg", sagt die für "Berufliche Bildung" zuständige Handwerksexpertin. Zu den Exoten kann man auch den "Seiler" zählen. Er ist nach wie vor ein Vollhandwerksberuf, jedoch mit geringen Ausbildungszahlen. Dem seltenen Handwerk des "Pfeifenmachers" liegt als Ausbildungsberuf der Drechsler zugrunde. Auch der Beruf des Böttchers wird nur noch wenig ausgebildet. Der Schmied, der in einer Agrargesellschaft vor allem auf dem Land auch für das Beschlagen der Hufe von den eingesetzten Zugtieren Pferd, Ochs und Kuh unverzichtbar war, hat inzwischen Museumswert.
Als aussterbende Handwerksberufe bezeichnen die Fachorganisationen diejenigen Berufe, deren Lehrlingsbestand sich zunehmend reduziert. Dazu gehört auf jeden Fall die Gruppe der Textilberufe. Sie hat sich seit 1952 von ca. 80.000 Lehrlingen auf unter 5.000 im Jahr 2003 verringert. In der Statistik sind Stricker (3), Gerber (9) und Handschuhmacher (1) bereits 1998 aus der Gruppe "Vollhandwerk" in die Gruppe "handwerksähnliche Gewerke" der Handwerksordnung verschoben worden. Heute werden in diesen Berufen nur noch 13 Jugendliche ausgebildet. Weitere Bereiche mit geringen Ausbildungszahlen sind zum Beispiel Berufe des Musikinstrumentenmacher-Handwerks: Bogenmacher, Handzuginstrumentenmacher sowie Zupfinstrumentenmacher. Hinzu kommen Thermometermacher, Korbmacher, Flexograf, Feinoptiker, Edelsteingraveur, Edelsteinschleifer, Böttcher und Backofenbauer.
Ausbildungsmarkt mit viel Bewegung
"Auf dem Ausbildungsmarkt herrscht viel Bewegung", sagt Kronemann. Gleichzeitig verändern sich die Berufsbilder der Ausbildungsberufe. So gab es in den 50er-Jahren noch den Steinholzleger, Ofensetzer, Waagenbauer, Mühlenbauer, Damaszierer (gravieren/ätzen) und Taschenuhr-Gehäusemacher. Häufig "verschwinden" alte Berufe durch Neuordnung in neuen Berufen und werden Teil der aktuellen Ausbildungsordnung. Dazu zählen unter anderen der Maßschneider (vorher Damen-, Herren- und Maßschneider), Metallbauer (vorher Schmied und Schlosser), Informationselektroniker (vorher Radio- und Fernsehtechniker, Fernmeldeanlagenmonteur, Büroinformationselektroniker), Metallbildner (vorher Ziseleur, Gürtler und Metalldrücker, Gold, Silber- und Aluminiumschläger), Feinwerkmechaniker (vorher Feinmechaniker, Werkzeugmacher, Dreher, Maschinenbaumechaniker), Metall- und Glockengießer (vorher Zinngießer, Metallformer und Metallgießer, Glockengießer).
Neue Berufe sind Berufe, die es bis zum Erlasszeitpunkt noch nicht als Ausbildungsberuf gegeben hat. Dazu zählen zum Beispiel die Berufe Automobilkaufmann, Kosmetiker, Bühnenmaler und -plastiker, Bestattungsfachkraft, Maskenbildner, Bodenleger, Mechatroniker (Elektromaschinenbauer/Montage), Fahrzeuglackierer, Bauten- und Objektbeschichter, Mechaniker für Karosserie-Instandhaltungstechnik, Maschinen- und Anlagenführer Fotomedienlaborant und Schädlingsbekämpfer sowie mit einer zweijährigen Ausbildungzeit Fahrradmonteur und Kraftfahrzeugservicemechaniker.
Damit seltene und eines Tages einmal ausgestorbene Berufe nicht ganz in Vergessenheit geraten, haben der Autor Albrecht Börner (Jena) und der Fotograf Russel Liebmann (New York) exotische Berufe in Mitteldeutschland aufgespurt und in dem Buch "Seltenes Handwerk" in Wort und Bild veröffentlicht.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.