Mehr als vier Millionen Arbeitslose, dazu in wenigen Monaten hunderttausende Bezieher von "Arbeitslosengeld II", das sie mit so genannten "Ein-Euro-Jobs" etwas aufbessern können, und gleichzeitig Zehntausende von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die nicht nur einen sicheren Arbeitsplatz haben, sondern auch - erlaubten und oftmals lukrativen - Nebentätigkeiten nachgehen. Viele Menschen sehen hierin einen Widerspruch. Zum einen, weil es im Rahmen dieser Nebentätigkeiten bisweilen zu Interessenskonflikten kommen kann, aktuell aber vor allem, weil sie meinen, durch ein Verzicht auf Nebentätigkeiten beziehungsweise ihre Einschränkung oder gar Verbot könnten außerhalb des öffentlichen Dienstes neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Bei den im Bundestag vertretenen Parteien steht diese Frage offensichtlich derzeit nicht auf der Tagesordnung. So verweist der innenpolitische Experte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, darauf, dass nach dem Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz von 1985 alle privaten Nebentätigkeiten von Beamten einer Genehmigungspflicht unterliegen. Für die Angestellten knüpfe der Bundesangestelltenvertrag daran an. Paragraf 65 des Bundesbeamtengesetzes räume der Verwaltung keinerlei Ermessensspielraum ein, sondern schreibe zwingend vor, dass die Genehmigung zu versagen sei, wenn dienstliche Interessen beeinträchtigt werden könnten. Darüber hinaus konkretisiere die Vorschrift diesen Grundsatz sehr ausführlich und nenne Fallbeispiele, bei denen dienstliche Interessen insbesondere beeinträchtigt werden könnten. Dazu zählten alle Formen von Interessenskonflikten. In der Regel liege ein Versagungsgrund auch vor, wenn die zeitliche Beanspruchung durch eine Nebentätigkeit ein Fünftel der wöchentlichen Regelarbeitszeit überschreite oder sich sonst als Ausübung eines Zweitberufs darstelle. Diese Regelungen enthielten also schon eine starke Begrenzung von Nebentätigkeiten, die sich aber durch vorrangige dienstliche Belange rechtfertigte. Wiefelspütz: "Die ausnahmslose Untersagung entgeltlicher Nebentätigkeiten lässt sich damit jedoch nicht begründen. Allgemeine arbeitsmarktpolitische Beschränkungen nur für den öffentlichen Dienst dürften verfassungsrechtlicher Nachprüfung kaum standhalten."
Nebentätigkeiten von Beamten stellt auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, nicht in Frage und verbindet diese Haltung mit einem Bekenntnis zum Berufsbeamtentum als tragender Säule unseres Rechtsstaates. Es sichere die Stabilität, Gesetzestreue und Loyalität der Verwaltung als eine für die Existenz des modernen Rechtsstaates notwendige Bedingung. Zur Sicherung dieser Bedingung müssten jedoch der Nebenbeschäftigung von Beamten Grenzen gezogen werden, andernfalls wären Interessens- und Loyalitätskonflikte vorgezeichnet. Dies sei zuletzt mit den Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetzen 1985 und 1997 geschehen. Stadler. "Ein darüber hinaus gehender Handlungsbedarf für den Gesetzgeber besteht nach Ansicht der FDP-Bundestagsfraktion nicht. Ein genereller Ausschluss der Nebenbeschäftigung wäre zudem mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Er wäre unverhältnismäßig."
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes seien Restriktionen des Nebentätigkeitsrechtes nur zulässig, als es zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes nötig sei. Im Hinblick auf mögliche neue Arbeitsplätze außerhalb des öffentlichen Dienstes bei Einschränkung der Nebentätigkeiten ist die Haltung des FDP-Abgeordneten eindeutig: "Das Nebentätigkeitsrecht ist kein arbeitsmarktpolitisches Steuerungsinstrument. Die FDP-Fraktion spricht sich daher dafür aus, die Kirche im Dorf zu lassen. Das grundsätzliche Nebentätigkeitsverbot, die Möglichkeit der Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung bei Beeinträchtigung dienstlicher Interessen sowie die Ablieferungspflichten, die den wirtschaftlichen Anreiz, Nebentätigkeiten auszuüben, begrenzen, reichen aus." Sollte es im Einzelfall in einzelnen Bundesländern zu Exzessen kommen, seien diese nicht Folge fehlender Vorschriften, sondern fehlerhaften Gesetzesvollzugs.
Pauschale Kritik ist "in"
Hartmut Koschyk, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, geht auf eine weit verbreitete Stimmung ein, wenn er sagt: "Pauschale Kritik am öffentlichen Dienst und seinen Beschäftigten ist zurzeit ‚in' und findet nahezu überall Beifall. Allzu leicht wird, wie bei der Diskussion um Nebentätigkeiten, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Ein generelles Verbot von Nebentätigkeiten, die allenfalls Nischen, aber keine Vollzeitjobs besetzen, kommt nicht in Frage und wäre auch nicht sinnvoll." So habe das Bundesverfassungsgericht mit Bezug auf das Grundrecht der freien Berufswahl festgestellt, dass die Berufsfreiheit grundsätzlich auch das Recht umfasse, mehrere Berufe zu wählen und gleichzeitig nebeneinander auszuüben. Dieses Recht sei für Beamte bereits eingeschränkt, da sie ihrem Dienstherrn ihre volle Leistungsfreiheit zur Verfügung stellen müssten. Verbleibende Zeit diene der Erholung und der Erhaltung der Arbeitskraft. Dennoch, so Koschyk, hätten auch Beamte, wie privat Beschäftigte, das Recht, über Freizeit und verbleibende Arbeitskraft zu verfügen und sie auch gegen Entgelt zu verwerten. Das Nebentätigkeitsrecht stelle sicher, dass Interessenskollisionen vermeiden würden und die Unparteilichkeit gewährleistet bleibe. Arbeitsmarktpolitische Gründe oder gar die Bekämpfung des Doppelverdienertums dürften in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen.
Silke Stokar von Neuforn findet es positiv, "wenn Beamte über den Tellerrand des öffentlichen Dienstes hinausschauen". Erfahrungen aus anderen Bereichen, so sagt die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, würden in die Verwaltung getragen, und umgekehrt. Sie spricht sich daher dafür aus, durch eine umfassende Reform des öffentlichen Dienstes den Wechsel zwischen Wirtschaft und Verwaltung zu fördern. Die Abgeordnete verkennt aber nicht, dass Nebentätigkeiten immer wieder in Kritik gerieten, wenn sie sich in der Grauzone des Erlaubten bewegten und die erforderliche Transparenz fehle. Der Gesetzgeber habe zwar Ende der 90er-Jahre das Nebentätigkeitsrecht verschärft, doch sei erneut zu prüfen, ob damit das Ziel der Rechtsklarheit erreicht worden sei. Zum Skandal werde immer wieder der Missbrauch der Regelungen. Wenn Dienstherrn mit politischem Mandat ihre Beamten für parteipolitische Tätigkeiten missbrauchten, spreche dies nicht gegen Nebentätigkeiten, sondern gegen die verantwortlichen Politiker. Silke Stokar von Neuforn: "Problematisch wird es immer dann, wenn Beamte mit ihrem Insiderwissen die Seiten wechseln und im eigenen Fachbereich privatwirtschaftlich tätig werden. Hier müssen Konkurrenzklauseln deutlich gefasst werden." Ein arbeitsmarktpolitisches Problem sieht auch sie in den Nebentätigkeiten von Beamten nicht. Schließlich arbeiteten ja auch viele Beamte in Teilzeit.