Kultur und Medien. Ein ungewöhnliches Thema hat den Bundestag am 29. September beschäftigt: Statt über Steuersätze, Haushaltspläne, Krankenkassen-, Renten- oder Pflegeversicherungsbeiträge ließen sich die Abgeordneten über die Quantität und Qualität der Musik aus den deutschen Landen in einer öffentlichen Anhörung mit Künstlern sowie Vertretern der Sender und der Musikbranche als Sachverständigen unterrichten und diskutierten anschließend bei zum Teil reger Anteilnahme des zahlreichen Publikums über das Für und Wider einer Musikquote für deutsche Titel. Der ehemalige französische Kulturminister Jacques Toubon berichtete in der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien und der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" über die Erfahrungen mit der Quote in seinem Land. Dort müssen die Radiosender schon seit zehn Jahren zu 40 Prozent französische Musik spielen.
Anlass für das Hearing war eine seit längerem in der Öffentlichkeit geführte Diskussion über den niedrigen Anteil deutscher Musik in den Hörfunkprogrammen und die Krise der deutschen Musikindustrie. Der Ruf nach einer Radioquote, der schon in den 90er-Jahren laut geworden war, findet zurzeit Unterstützung bei Politikern quer durch die politischen Lager und wird erneut von der Musikbranche lanciert. Nicht ohne Einfluss auf den Verlauf der Anhörung im Bundestag war wohl auch die Initiative von 500 Künstlern aus Deutschland "Musiker in eigener Sache", die sich für die Quotierung einsetzen. Der Initiator des Aufrufs, Jim Rakete, der als Sachverständiger geladen war, beklagte, deutschsprachige Musik mache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur noch 1,2 Prozent des Programms aus. Im Privatfunk liege der Wert noch darunter. Der Vorsitzende der deutschen Phonoverbände, Gerd Gebhard, kritisierte die öffentlich-rechtlichen Sender. Sie verweigerten sich, ihren Auftrag zu erfüllen. Deutsche Neuheiten würden in den Programmen ignoriert. Es gehe bei seiner Kritik nicht darum, die Versäumnisse der deutschen Musikindustrie schön zu reden. Es könne aber nicht sein, dass im Rundfunk "alles, was aus dem Ausland kommt, besser goutiert wird". Diese harsche Kritik ließ der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission, Gernot Romann, nicht auf sich sitzen. Diese pauschalen Aussagen stimmten so nicht. Angesichts der breiten Akzeptanz in der Bevölkerung könne er diese Schelte nicht ganz begreifen. "Unser Kriterium ist der Hörer und kein Lobbyistenverband". Die Quote würde zudem weder Qualität noch Vielfalt, noch die Talentförderung stärken. Gleichzeitig wies er auf die verfassungsmäßig garantierte Programmautonomie der Sender hin.
Grundsätzliche Ablehnung der Quotierung signalisierte Hans-Jürgen Kratz vom Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation. Dies würde einen massiven Eingriff in die Rundfunkfreiheit der privaten Rundfunkanbieter bedeuten und die Marktmechanismen außer Kraft setzen. Damit wären die Existenz der Sender und viele Arbeitsplätze bedroht.
Aus der Sicht des füheren französischen Kulturministers Toubon sprechen die Erfolge mit der Quote in seinem Land für das Modell. Neue Künstler hätten Marktchancen erhalten und der Verkauf französischer Platten sei um ein Mehrfaches gestiegen. Auch die Privatsender lebten gut damit. Die Förderung einheimischer Musik sei "eine Frage von grundlegender Bedeutung für die Identität unserer Völker und Europas". Um die Identität geht es bei diesem Thema auch nach Meinung von Udo Dahmen, Leiter der Popakademie Baden-Württemberg. Viele junge Künstler texteten gerne deutsch. Dies sei "hip" heute. Es geht dabei um Authentizität, nicht um "Deutschtümelei". Dahm sprach sich gleichzeitig für eine freiwillige Selbstverfpflichtung der Sender aus. Man müsse sich unbedingt verständigen, denn für die Künstler gilt: "Was nicht gehört wird, kann nicht konsumiert werden."