Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004
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Cornelia Schmitz

Die Prinzessin auf der Erbse lebt nur noch im Märchen

Ob Journalistin, Diplomatin oder Lehrerin: Die Königinnen von morgen sind erfolgreiche Karrierefrauen

Es war einmal eine Prinzessin, deren Vater ihre Mutter hinrichten ließ, als sie drei Jahre alt war, sie selber ließ der Vater für illegitim erklären - was sie von der Thronfolge ausschließen sollte. Das war im Jahre 1533. Die Prinzessin sprach mehrere Sprachen und übersetzte bereits als Kind lateinische Dichter. Mit 21 Jahren ließ ihre 14 Jahre ältere Halbschwester, die inzwischen als "Maria die Katholische" den Thron bestiegen hatte, sie für vier Jahre einkerkern. Das Land wurde derweil von innenpolitischen und Kämpfen um die "richtige" Religion geschüttelt. Mit der katholischen Großmacht Spanien fand ein (noch) nicht erklärter Krieg statt, der jährlich Unsummen aus der königlichen Kasse verschlingt.

Elisabeth, Prinzessin von England, Wales und Irland, wurde schließlich trotz allem im Jahr 1558 mit 25 Jahren zur Königin gekrönt. Als solche herrschte sie bis zu ihrem Tod 1604 fast ein halbes Jahrhundert lang. Die innere Einheit im politischen wie religiösen Sinn schaffte Königin Elisabeth durch die Uniformitätsakte schon ein Jahr nach ihrem Regierungsantritt, die spanische Flotte wurde 1588 vernichtend geschlagen. Gefahr drohte ihrem Thron durch die Ansprüche ihrer Cousine Maria, Königin von Schottland, die als Urenkelin des englischen Königs Heinrich VII. auch Königin von England werden wollte. Maria hatte mächtige Verbündete: den Papst und die - katholischen - Königshäuser von Spanien und Frankreich. Elisabeth blieb unbeeindruckt: Als Maria wegen eines antikatholischen Aufstandes in Schottland bei ihrer Cousine um Asyl bat, lässt diese sie kurzerhand einkerkern - 19 Jahre lang, bis Elisabeth 1587 nach langem Zögern das Todesurteil ihrer Cousine unterschrieb. Elisabeth blieb unverheiratet, mehrere Liebschaften wurden ihr nachgesagt, aber ihr Leben widmete sie ganz England.

Weder befreit noch wachgeküsst

Es war einmal ein andere Prinzessin, Maria Antonia Josepha von Habsburg-Lothringen, die wurde 1770 mit dem Thronfolger und Prinzen Ludwig von Frankreich verheiratet; da war sie 15 und er 16 Jahre alt. Der Bräutigam war kränklich, unansehnlich und ein eher verschlossener Typ. Prinzessin Marie Antoinette focht das nicht an: Sie feierte und gab viel Geld aus. Im Juli 1789 erhob sich das hungernde, geknechtete Volk, die königliche Familie versuchte zu fliehen, arrangierte sich dann zunächst mit den neuen Verhältnissen. Ludwig und Marie wurde 1792 der Prozess gemacht, der König wurde im Januar des Folgejahres zum Tode verurteilt. Marie Antoinette blieb derweil in Haft, der Sohn wurde ihr weggenommen. Im Oktober wurde sie geköpft, der kleine Dauphin starb im Kerker an Tuberkulose. "Und wenn sie nicht gestorben sind, …", dieses märchenhafte Ende der Geschichte von der Prinzessin, die endlich von ihrem Ritter, ihrem Prinzen gefunden, befreit, wachgeküsst und immer geheiratet wird, dieses märchenhafte Dasein, dass alle kleinen Mädchen fast weltweit für sich erträumen, hatte und hat immer noch überhaupt gar nichts mit der Realität zu tun. Zwar sind die Zeitalter, in denen Prinzessinnen wie ihre männlichen Gegenparts aus politischen Gründen zur Heirat regelrecht verschachert wurden, ihnen die eigenen Kinder unter grausamen Umständen entrissen wurden, ihnen der kurze Prozess zur Verbannung, Einkerkerung oder Hinrichtung gemacht wurde, weitgehend vorbei. Aber wie romantisch ist ein Leben als Prinzessin tatsächlich?

So recht was fürs Mädchen- und Frauenherz sind immer noch die Märchenhochzeiten, die seit der Verbreitung des Fernsehens weltweit am Bildschirm mitverfolgt werden. Eine der ersten war die des Königs Baudouin von Belgien mit der spanischen Adeligen Fabiola de Mora y Aragon 1960. Eine der spektakulärsten Hochzeiten war die des Prinzen von Wales mit Lady Diana Spencer 1981. Aber auch deren Ehe wurde mit allen Höhen und Tiefen und mit ihrem Scheitern quasi öffentlich geführt. Der Unfalltod der traurigen Prinzessin, die seit ihrer Hochzeit mit dem Prinzen von ihm betrogen worden war, erschütterte die Welt. Auch die böse Schwiegermutter, die die ehemalige Kindergärtnerin aus der königlichen Firma geschmissen hatte, gehört zu diesem Märchen ohne Happy End.

Die geborenen Prinzessinnen des 21. Jahrhunderts haben ein umfangreiches Ausbildungs- und Arbeitspensum zu absolvieren. Die allermeisten erhalten eine Hochschulausbildung, gehen dann bürgerlichen Berufen nach: Infanta Elena de Borbon von Spanien zum Beispiel ist von Beruf Englischlehrerin, Kronprinzessin Märtha Louise von Norwegen Physiotherapeutin. Auch für direkte Anwärterinnen auf königliche Weihen bedeutet das zukünftige Leben als Königin alles andere als Romantik und rauschende Feste in opulenten Ballkleidern. Viktoria von Schweden etwa, für die erst 1980 als Erstgeborene das schwedische Thronfolgerecht zeitgemäß auch für Mädchen geöffnet wurde, hat sich ganz umfassend für den "Beruf" Königin vorbereiten lassen: Nach dem Studium der Geschichte und Politik hat sie sowohl bei der UNO als auch in diplomatischen Vertretungen sowie im Parlament ihres Landes gearbeitet.

Die angeheirateten Prinzessinnen sind mittlerweile bürgerliche Frauen wie du und ich: Sie arbeiten als Journalistin, Studentin, Bankerin, Werbefachfrau, als Selbständige in Public Relations - und fast alle haben studiert. Der Übergang in ein Leben unter höfischen Etiketten ist jedoch oft schmerzvoll: Die Gazetten berichten von Depressionen, Magersüchten, von Vereinsamung und dem Druck, einen männlichen Thronfolger produzieren zu müssen. Kronprinzessin Masako von Japan zum Beispiel, in ihrem früheren, bürgerlichen Leben eine Karrierediplomatin mit Havard-Abschluss, steht wegen der ungebrochen männerzentrierten Traditionen in ihrer Heimat massiv unter Druck - hat sie doch bisher "nur" eine Tochter geboren.

Kein Ausstieg möglich

So oder ähnlich hat sich bei den Royals aller Länder bis heute einige Strenge erhalten. Einst musste sich Edvard VIII., der knapp zwölf Monate auf dem englischen Thron saß, zwischen Krone und Geliebter entscheiden; er dankte ab, um die zweifach geschiedene - bürgerliche - Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten. Das war 1936. Fast 70 Jahre später haben sich die Probleme nicht wesentlich geändert: Johan Friso, zweiter in der Thronfolge der Niederlande, verzichtete auf seinen Platz in der Thronfolge, um die bürgerliche Mabel Wisse Smit heiraten zu können. Hier war nicht deren Herkunft das Problem; vielmehr soll die Braut einst Umgang mit einem Drogenboss gehabt haben. Das niederländische Abgeordnetenhaus verweigerte seine Zustimmung zur Hochzeit. Mit seinem Verzicht ist das Ehepaar offiziell nicht mehr Mitglied des niederländischen Königshauses. Und wenn sich Mette Marit, Kronprinzessin von Norwegen, einmal von ihrem Herzensprinzen scheiden ließe, so müsste sie die in der Ehe geborenen Kinder der Fürsorge der Krone überlassen.

"Es war einmal …" ist also tatsächlich wörtlich zu nehmen, denn das Dasein als Prinzessin - oder eben als Prinz - bedeutet heute vor allem pausenloses Repräsentieren, fortwährendes Verstecken vor Paparazzi, enormer Druck durch die Öffentlichkeit, die eigenen Familien und gelegentlich auch durch die Parlamente der jeweiligen Länder. Gut, meistens geht mit dem Leben an einem Königshof auch eine Menge Geld einher, aber anders als Menschen, die sich durch "normale" Arbeit ihr Geld verdient haben, ist es für Mitglieder einer Königsfamilie eher schwer, auszusteigen, sich zurückzuziehen, in Ruhe gelassen zu werden. So richtig herrschen - das war einmal.

Cornelia Schmitz arbeitet als freie Journalistin in Bonn.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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