Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004
Zur Druckversion .
Claudia Heine

Der Hang zum Zwang

Im Porträt: Elizabeth II.

Nicht nur Elizabeth II. schickt sich an, Rekorde zu brechen. Seit nunmehr 52 Jahren im Amt, zwingt sie auch ihren ältesten Sohn Prinz Charles dazu. Denn genauso lange ist er schon amtierender Thronfolger im Vereinigten Königreich - und wird es wahrscheinlich noch einige Zeit bleiben. Aber kann man in ihrem Fall überhaupt von Zwang reden? Man kann. Auch wenn sie natürlich auf den ersten Blick freiwillig den Thron bestieg, so führt Elizabeth II. ihre Rolle in einem Verständnis, zu dem sehr viel Zwanghaftigkeit gehört. Milder formuliert könnte man von Pflichtbewusstsein sprechen. Als "Verpflichtung zu lebenslangem Dienst" bezeichnete sie das Amt anlässlich ihres 50. Thronjubiläums im Jahre 2002. Während etliche adelige Kollegen oder auch Politiker sich in den letzten Jahrzehnten um ein "menschliches" Image bemühten und bemühen: Sich als Person hinter der offiziellen Maske zu erkennen zu geben, scheint für eine Königin eine der ältesten und konservativsten Monarchien der Welt undenkbar.

Die oder zumindest eine Erklärung dafür findet sich in den Umständen ihrer Krönung - eigentlich ein "Zufall" -, war sie doch bei ihrer Geburt 1926 nur die Tochter eines Bruders des künftigen Königs Edward VIII. Als dieser dann 1936 abdankte, weil ihm die Heirat mit einer geschiedenen, bürgerlichen Frau untersagt worden war, hatte die englische Monarchie ernst-hafte Schwierigkeiten, diese Vertrauenskrise unbeschadet zu überstehen. Nun war der Weg frei für Georg VI. - und für die künftige Elizabeth II. Wohin es führt, Gefühle über die Pflicht der Krone zu stellen, hatte sie erlebt. Für sie selbst galt fortan also das Gegenteil. Aber auch damit kann die Monarchie, wenn nicht ernsthaft ins Wanken, so doch erheblich beschädigt werden. Vor dem Hintergrund der gescheiterten Ehen ihrer vier Kinder wurden vor allem in den 90er-Jahren in der britischen Öffentlichkeit ihre Erziehungsqualitäten angezweifelt, und es wurde über die Vernachlässigung ihrer Mutterrolle gegenüber ihren Repräsentationspflichten spekuliert. Ihre Vorliebe für Pferderennen, mittlerweile schon sprichwörtlich, rundeten dieses Bild auf der anderen Seite und nicht zu ihrem Vorteil ab.

Verkehrte Welt: Die Frau, die als Sinnbild für Steifheit und Pflege überholter königlicher Etikette bezeichnet werden kann, musste sich hauptsächlich wiederfinden auf jenen "menschelnden" Seiten der Boulevard-Presse. Entgegen dem Vorbildcharakter einer königlichen Familie stand eben jene nun für eine Zerrüttung, wie sie überall in der Gesellschaft zu finden ist. Auf diesem Umweg wurden die Windsors also doch noch "wie du und ich". Ließe man den finanziellen Hintergrund beiseite: Elizabeth II. galt lange als reichste Frau der Welt. Schätzungen ihres Privatvermögens bewegen sich zwischen fünf und 15 Milliarden Pfund, Spekulationen, denen das Königshaus immer wieder entgegentrat. Von den Medien wurde sie deshalb auch schon als "teuerster Sozialrentner der Nation" beschimpft.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.