Das Militär ist - trotz der sukzessiven Öffnung der westlichen Streitkräfte für Frauen in den letzten Jahrzehnten - eine Institution, die bis heute am hartnäckigsten eine Form der Männlichkeit repräsentiert, die Jahrhunderte alten Vorstellungen entspricht.
Die direkte Verknüpfung von Militär und Männlichkeit ergibt sich zunächst einmal historisch. In der Geschichte sind Frauen als Soldatinnen oder Kriegerinnen eher eine Ausnahme oder besser gesagt: Das Militär hat sich als Institution bis vor wenigen Jahrzehnten nahezu ausschließlich durch Männer organisiert. Spätestens in den stehenden Heeren wurde auf Frauen weitgehend verzichtet, und im Laufe des 19. Jahrhunderts waren Frauen aus den entstehenden modernen Nationalarmeen schließlich verdrängt. Parallel wurde die allgemeine Wehrpflicht für Männer eingeführt und mit dem Bürgerstatus verknüpft. Staatsbürgerschaft und Landesverteidigung galten als zwei Seiten einer Medaille. Die Gewährung der Bürgerrechte im Nationalstaat war daran gebunden, Waffen tragen zu dürfen und den Staat verteidigen zu müssen. Die "ultimative" staatsbürgerliche Pflicht, als Soldat ein Leben der Nation zu opfern, galt nicht für Frauen. Ihr Ausschluss aus politischen Rechten wurde mit ihrer vermeintlichen Nichtwaffenfähigkeit begründet. Damit zog das Militär im 19. Jahrhundert "eine neue, symbolische und alltagsweltliche Trennlinie zwischen allen Frauen und allen Männern und markiert auf diese Weise die Bedeutung des Geschlechts als zentrales gesellschaftliches Organisationsprinzip", wie die Historikerin Ute Frevert feststellte. Das Militär avancierte zur "Schule der Nation" und zur "Schule der Männlichkeit".
Die Verknüpfung der Wehrhaftigkeit mit Männlich-keit hat eine symbolische und ideologische Funktion und entsprach durchaus der damaligen Vorstellung über die Geschlechterrollen. Die Gleichsetzung von Waffenfähigkeit, Kampfesmut und Männlichkeit einerseits und von Friedfertigkeit und Weiblichkeit andererseits gehörte zu den Merkmalen des europäischen Geschlechterdiskurses. Diese Dichotomie war lediglich die Zuspitzung der Polarisierung der Geschlechter, die mit der Industrialisierung und der zentralisierten Warenproduktion eingesetzt und zur Trennung von Erwerbsarbeit und Familie, von öffentlicher Sphäre und privater Sphäre geführt hatte. Die Zuschreibung von Eigenschaften, die Herausbildung von "Geschlechtscharakteren", erfolgte komplementär. Dem Mann wurden Aktivität, Rationalität, Vernunft und Stärke zugeschrieben, der Frau Passivität, Emotionalität, Sinnlichkeit und Schwäche. In der bürgerlichen Familienideologie wurden die Unterschiede der Geschlechter als natürliche Unterschiede, als Wesens-unterschiede angesehen und im Laufe des 19. Jahrhunderts durch Medizin und Anthropologie und andere Disziplinen vermeintlich wissenschaftlich unterlegt. Die Entrechtung von Frauen und ihre marginale Präsenz in der öffentlichen Sphäre wie auf dem Erwerbsarbeitsmarkt, in der Politik oder in der Bildung wurde damit legitimiert.
Die Ausschließlichkeit des Militärs für Männer scheint auch nach 1945 enorm wichtig gewesen zu sein. Nachdem die USA die Streitkräfte im Zuge der Umstellung auf eine Freiwilligenarmee 1973 auch für Frauen öffnete, wurde auch in westeuropäischen Ländern diskutiert, wie mit der Frage umzugehen sei. Für die generelle Nicht-Eignung von Frauen zum Militärdienst mit der Waffe wurden durchweg in sämtlichen Streitkräften der westlichen Länder stereotype Annahmen über Geschlechterunterschiede angeführt, die der oben skizzierten Polarisierung der Geschlechter entsprechen. Ausschlussargumente gegenüber Frauen wurden akribisch gesammelt. Angeführt wurden: Mangel an physischer Kraft und körperlicher Leis-tungsfähigkeiten auf Seiten der Frau; ihre höhere Verletzbarkeit in Fällen der Gefangenennahme; die Schwächung der Kampfkraft der männlichen Kameraden, weil diese vom "Feind abgelenkt" sich auf den Schutz der Soldatin konzentrierten; die Schwächung des erforderlichen "male-bonding", der männlichen Kameradschaft. Die entsprechenden Abhandlungen sind mit einer derart eifrigen Geschlechterideologie unterlegt, dass deutlich wird, wie wichtig die Aufrechterhaltung des männlichen Waffenmonopols war.
Interessant ist für die Frage nach Männlichkeit, dass umgekehrt die prinzipielle Eignung von Männern für Kampf und Waffendienst nicht in Frage gestellt wurde. Lediglich eine Nicht-Eignung aus pazifistischen Motiven wurde mit der Zeit anerkannt. Der stereotypen Annahme über die Geschlechterunterschiede entsprachen die bis vor kurzem geltenden Formulierungen in Artikel 12a Grundgesetz Absatz1: "Männer können vom vollendeten 18. Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden" und in Absatz 4 "Sie [Frauen] dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten". So behielten auch die deutschen Streitkräfte ihr Organisationsprinzip - die Rekrutierung von Männern - bei und etablierten sich als "männliche Institution".
Männlichkeit stellt ein Funktionselement dar. Eines der Merkmale ist die Sozialisation: Diese findet nicht hin zum geschlechtslosen Soldaten statt, sondern zum männlichen. Im Militär wird Männlichkeit sozialisiert. Was bewirkt der Wehrdienst? Er trennt Männer von Frauen und bindet sie an andere Männer. Für junge Männer bedeutet das Militär den Rückzug in einen Männerbund, in dem sie sich als Mann erweisen müssen. Militärische Sozialisation ist offenbar mit Verweiblichungsangst verwoben so wie in der männlichen Sozialisation insgesamt Aspekte dieser Angst eine Rolle spielen. Ein Versagen des Rekruts gilt als unmännlich - und damit als weiblich. Hierin könnte sich zeigen, was der Soziologe Michael Meuser als subtile Spätfolge des bürgerlichen Geschlechterdiskurses begreift: Der Mann steht "stärker als die Frau in der Gefahr, sein Geschlecht durch ein ‚falsches' Tun zu verfehlen". Vermeintlich weibliche Anteile müssen verdrängt werden, um wahrhaft männlich zu sein. Offenbar besteht in der fast ausschließlich männlichen Gemeinschaft das starke Verlangen, keine "Unklarheit" über die männliche und heterosexuelle Geschlechtsidentität aufkommen zu lassen. So erklärt sich auch die in Teilen der Streitkräfte starke Homosexuellenfeindlichkeit.
Damit soll nicht unterstellt werden, dass in den Streitkräften bewusst solche Zusammenhänge hergestellt werden. Es sollen vielmehr die vergeschlechtlichten dynamischen Prozesse angesprochen werden, die der militärischen Sozialisation unterliegen.
Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen auch zum Dienst an der Waffe wurde bekanntlich von einer jungen Frau gerichtlich erstritten und von der Bundesregierung konsequenterweise mit einer Öffnung sämtlicher Bereiche umgesetzt. Zu Beginn des Jahres 2001 wurden alle Verwendungen und Laufbahnen der Bundeswehr für Frauen geöffnet. Ihre bislang noch geringe Zahl - der Frauenanteil macht heute keine fünf Prozent aller Zeit- und Berufssoldaten aus - führt zu Integrationsproblemen und ändert nicht die oben dargestellte männliche Organisationskultur. Nach wie vor ist die Bundeswehr vorwiegend eine Männerwelt, eine homosoziale Gemeinschaft, die der Wehrpflichtige oder Soldat erlebt.
Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen hat in der Dichotomie "friedfertige Frau" - "wehrhafter Mann" eine Seite der Geschlechterstereotype aufgeweicht: das der friedfertigen Frau. Mit der Beibehaltung der Wehrpflicht für Männer wird jedoch die Chance vertan, sich auch von den stereotypen Vorstellungen über Männlichkeit zu verabschieden. Um Beibehaltung oder Abschaffung der Wehrpflicht wird gerungen, und es wird eine Reihe von gesellschafts- und sicherheitspolitischen Argumenten für die jeweilige Seite angeführt. Die geschlechterpolitische Perspektive bleibt in den Debatten außer acht. Dabei zeigt gerade die ge-schlechterpolitische Sicht die Notwendigkeit der Abschaffung der Wehrpflicht auf. Männer werden als Gruppe einer für sie benachteiligenden Regelung unterworfen, für die es keine zwingenden Argumente (mehr) gibt. Stattdessen muss - geschlechtsunabhängig - das Prinzip der Eignung und Befähigung gelten. Die Abschaffung der Wehrpflicht für Männer ist eine Voraussetzung zur Pluralisierung von Männlichkeitsentwürfen, die unsere Gesellschaft so dringend benötigt.
Dr. Uta Klein ist Professorin für Soziologie an der Fachhochschule Kiel.