Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 48 / 22.11.2004
Zur Druckversion .
Imke Rosebrock

Wer bin ich ohne Job?

Früh in Rente, und was dann?

"Guten Tag, mein Name ist Lohse, und ich kaufe hier ein", verkündet Frühpensionär Heinrich Lohse an der Theke im Krämerladen. Und handelt sich mit seinem weltfremden Gehabe die fassungslosen Blicke der Anwesenden ein. Unbeirrt führt Herr Lohse seinen Einkauf fort und verlässt den Laden mit einem Dreijahresvorrat an Senfgläsern. Wer mehr kauft, bekommt eben Rabatt. Das hat er in seiner früheren Tätigkeit als Chefeinkäufer seiner Firma gelernt.

Heinrich Lohse, dargestellt von Loriot in dem Film "Pappa ante portas", wurde in die Frührente abgeschoben, weil er auch für seinen Betrieb einen tollen Mengenrabatt ausgehandelt und Schreibmaschinenpapier gleich für die nächsten 40 Jahre geordert hatte. Mit Ende 50 aus dem Arbeitsleben entlassen, sucht er nach neuen Aufgaben.

So wie der Filmfigur des Heinrich Lohse geht es vielen Arbeitnehmern, zumindest was das verfrühte Ausscheiden aus der Welt des regelmäßigen Erwerbs angeht. Das faktische Renteneintrittsalter liegt in Deutschland bei durchschnittlich 60 Jahren. Viele aber gehen noch früher. Wer mit Mitte 50 seinen Job verliert, wird kaum eine neue Stelle finden und überbrückt die Zeit bis zum Renteneintritt vielleicht mit einer Abfindung und dem Geld vom Arbeitsamt. So hangeln sich viele Ältere auf die eine oder andere Weise irgendwie rüber in die Rente.

Nicht jeder erleidet einen "Pensionierungsschock". Im Gegenteil. Viele sind froh, endlich "draußen" zu sein, sagen Experten. Denn in den letzten Arbeitsjahren überlässt die Mehrheit der deutschen Arbeitgeber ihre älteren Angestellten sich selbst. Unmotiviert, unflexibel, nicht belastbar: So lautet das gängige Vorurteil in den Köpfen vieler Personalchefs. Dabei tragen viele Unternehmen selbst dazu bei, dass manche der Älteren schlichtweg die Nase voll haben. Denn Fortbildungen und Schulungen sind für Arbeitnehmer über 50 eher die Ausnahme. Gesundheitliche Prävention, altersgerechte Arbeitsplätze und angepasste Pausenregelungen ebenso, klagen Fachleute. Entsprechend demotiviert und nicht mehr auf dem neuesten Stand, reißt man schließlich die letzten Jahre im Beruf mit oftmals eintönigen Aufgaben ab.

Wer in der Arbeitswelt nicht mehr gebraucht wird, benötigt ein starkes Selbstbewusstsein. Männer haben meist größere Probleme, mit dem Ruhestand klar zu kommen. Das erklären Psychologen vor allem damit, dass sie sich nach wie vor stärker über ihren Beruf definierten. Und die jetzige Generation "50Plus" hat zudem noch meist eine geradlinige berufliche Laufbahn hinter sich. Frauen dieses Alters hingegen haben häufig durch Kinder und Familie eher Unterbrechungen und Umorientierungen in ihrem Arbeitsleben erfahren. Sie beziehen ihr Selbstbewusstsein oft darüber, dass sie den Spagat zwischen Familie und Beruf überhaupt vollbracht haben.

Das mag sich in Zukunft ändern. Schließlich müssen heute auch Männer mit mehr Brüchen in der Erwerbsbiografie rechnen. Kaum ein Schulabgänger glaubt noch ernsthaft daran, dass er bis zur Rente in ein und demselben Beruf oder gar Betrieb arbeiten wird. Wer sich schon während des Arbeitslebens ständig neu orientieren musste und auch mal Phasen der Arbeitslosigkeit miterlebt hat, wird vielleicht anders mit der Rente umgehen. Der "Pensionierungsschock", als ein Relikt aus einer Zeit, als es noch genügend Arbeit gab, könnte abgelöst werden: Durch einen lebenslanges Hin und Her zwischen beruflicher Krise, Beschäftigung und Erfolg.

Imke Rosebrock ist freie Journalistin in Berlin.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.