Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 01-02 / 03.01.2005
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Bert Schulz

Karl Freiherr vom und zum Stein

Porträt

Er hatte nur ein gutes Jahr Zeit, um sich als einer der bedeutendsten deutschen Staatsreformer in den Geschichtsbüchern zu verewigen: Am 30. September 1807 ernennt König Friedrich Wilhelm III. den Reichsfreiherrn Karl vom und zum Stein zum leitenden Minister. Jener zögert nicht lange und beginnt, weitreichende Verfassungsänderungen anzustoßen, von denen er selbst die Bauernbefreiung und die Städteordnung umsetzt. Schon im November des folgenden Jahres muss er auf Druck Napoleons den Dienst quittieren und schließlich nach Russland fliehen.

Es war nicht Steins erste Zwangspause. Der 1757 in Nassau Geborene studiert in Göttingen Jura, Geschichte und Wirtschaftswissenschaft. 1780 tritt er in den preußischen Staatsdienst ein und arbeitet in der Verwaltung. 1804 ernennt ihn der König zum Staatsminister. Stein soll die weit aufgefächerte Verwaltung in den preußischen Ländern durch eine zentrale und fachlich gegliederte Behörde ersetzen. Der Freiherr, der nicht zu den umgänglichsten Menschen gehört, scheitert jedoch; schlimmer noch: Anfang 1807 fällt er beim Regenten in Ungnade und wird entlassen. Seine - letztlich kurze - Auszeit nutzt Stein: Er zieht sich in seine Heimat zurück und verfasst im Juni 1807 die danach benannte "Nassauer Denkschrift". Sie enthält die theoretischen Grundlagen der Steinschen Städteordnung und wird zu seinem bekanntesten Werk.

Stein geht darin von der Annahme aus, dass nach der militärischen Katastrophe von 1806 Preußen nur wieder erstarken könne, wenn die Bevölkerung stärker in die Staatsstrukturen eingebunden würde: Der "Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden" müsse wieder hergestellt werden. Freilich bezieht er dies nur auf die "gebildeten Klassen" - für Stein waren dies vor allem Haus- und Grundeigentümer. Jene sollen durch "Überzeugung, Teilnahme und Mitwirkung bei den Nationalangelegenheiten an den Staat geknüpft" werden; "den Kräften der Nation" solle "eine Richtung auf das Gemeinnützige" gegeben werden. Kurz: Gemeingeist, Bürgersinn und Vaterlandsliebe müssten geweckt werden. Er zielt damit weniger auf eine allgemein verstärkte gesellschaftliche Mitbestimmung. Stein will den Einfluss der Beamten zurückdrängen: Eigentümer fühlten sich, so seine Überzeugung, dem Gemeinwesen stärker verpflichtet.

Nach dem Frieden von Tilsit 1807 und dem Verlust großer Gebiete Preußens bekommt der Freiherr auf Drängen Napoleons die Chance, den preußischen Staat neu zu strukturieren und seine Reformen zu verwirklichen. Mit dem Edikt vom 9. Oktober jenes Jahres wird die Freiheit der Person und des Grundeigentums ausgerufen, die Erbuntertänigkeit der Bauern wird aufgehoben. Die Städteordnung wird am 19. November 1808 Realität.

Wenige Tage später ist Stein auf der Flucht: Er hatte sich an den militärischen Vorbereitungen Österreichs und Russlands gegen Frankreich beteiligt. Ab 1812 findet er Anstellung als Berater von Zar Alexander, auf dem Wiener Kongress ist er nur als dessen Vertrauter ohne politischen Einfluss anwesend. Ein Jahr darauf zieht er sich auf sein Gut zurück und widmet sich der Geschichtsforschung. Im Alter von 70 Jahren wird ihm noch einmal ein öffentliches Amt angetragen: Ab 1826 sitzt er als "Marschall" - sprich Präsident - den ersten drei westfälischen Provinziallandtagen vor und versucht dabei, die regionale Selbstverwaltung weiter zu entwickeln. Am 29. Juni 1831 stirbt er auf seinem Landgut.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.