Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 04 / 24.01.2005
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Johanna Metz

Nur die Stasi wusste Bescheid

Damals ...vor 5 Jahren am 20. Januar: Bundestagsdebatte zur CDU-Spendenaffäre

Die CDU-Spendenaffäre - spannend wie ein Krimi. Hauptschauplätze: ein Nobelhotel in Bonn, ein Parkplatz in der Schweiz, die Parteizentrale der Hessen-CDU in Wiesbaden. Grobe Handlung: anonyme Spender, geheime Geldübergaben, schwarze Kassen. Zentrale Figuren: Ein Ex-Bundeskanzler (Helmut Kohl), der als Edelmann mit Faible fürs Ehrenwort die Namen seiner großmütigen Spender nicht preisgeben mag; ein bayrischer Waffenhändler (Karlheinz Schreiber), der 1991 auf einem schweizerischen Parkplatz zwei CDU-Finanzverwaltern einen Koffer mit einer Million Mark in 1000-Mark-Scheinen übergibt; ein CDU-Schatzmeister (Walther Leisler Kiep), der das Geld annimmt, ohne dass es Erwähnung in den Rechenschaftsberichten der Partei findet; ein CDU-Fraktionschef (Wolfgang Schäuble), der bei einem Spendenessen 1994 vom Herrn Waffenhändler 100.000 Mark annimmt (was die damalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister und Karlheinz Schreiber bestreiten, denn sie behaupten, Baumeister habe das Geld angenommen und an Schäuble weitergereicht); ein CDU-Wirtschaftsprüfer (Horst Weyrauch), der für den hessischen CDU-Landesverband Geheimkonten in der Schweiz eröffnet.

In Bonn wie in Wiesbaden nahmen es Kohl und Konsorten mit der Haushaltsführung offenbar nicht sehr genau. Der zeitweilige Bundesinnenminister und Generalsekretär der hessischen Union (und spätere Landesvorsitzende), Manfred Kanther, unterhielt über Jahre, angeblich ohne Wissen der Führungsgremien der Hessen-Union, ein System schwarzer Konten. Rund 20,8 Millionen Mark Parteivermögen parkten seit 1983 in Liechtenstein und in der Schweiz und wurden im Laufe der Jahre, als Vermächtnisse deklariert, wieder der Partei zugeführt. Die Bundespartei muss dafür nun 21 Millionen Euro an staatlicher Parteienfinanzierung zurückzahlen.

Angesichts dieser Enthüllungen herrschte in der Republik Aufruhr. In der Bundestagsdebatte zur Spendenaffäre schossen die Anschuldigungen der Koalition erwartungsgemäß wie Pfeilspitzen durch das Plenum, getragen von der Sorge um die Stabilität des politischen Systems. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck sprach von einem der größten politischen Skandale seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland und warf Helmut Kohl vor, sein Ehrenwort über die Verfassung zu stellen. "Nennen Sie Ross und Reiter!", forderte er den Alt-Bundeskanzler auf, Deutschland dürfe nicht zu einer "kohlschen Bimbes-Republik" verkommen. Sein grüner Kollege Rezzo Schlauch sagte, es werde mehr und mehr deutlich, dass das System Kohl die CDU noch immer in den Fängen habe, "weil es zum System der Partei geworden ist". CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, der den Erhalt der 100.000 Mark von Waffenhändler Schreiber abgestritten hatte, entschuldigte sich für seine Unehrlichkeit und nannte die Affäre "unendlich schwierig und qualvoll". Begleitet von lautstarken Zwischenrufen gab er zu, dass in der Regierungszeit der CDU "ganz offensichtlich gegen Gesetze verstoßen" worden sei. Am 16. Februar 2000 legte er alle Ämter nieder.

Auch Helmut Kohl wiegelte ab. Von schwarzen Konten will er nichts gewusst haben, und erst im November 1999 gab er zu, Spenden am Haushalt der CDU vorbeigeschleust zu haben. Bis heute weigert er sich, die Spender zu nennen, die ihm zwischen 1993 und 1998 insgesamt 2,1 Millionen Mark in bar zugesteckt hatten - Gelder, die Kohl nach Gutdünken in der Partei verteilte. Sein Ehrenwort habe er den Geldgebern gegeben, und daran konnte auch der vom Bundestag eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuss nicht rütteln. Zweieinhalb Jahre lang versuchte der zu klären, von wem die sechs Millionen Mark auf den Auslandskonten der CDU stammten - erfolglos. Auch die Frage, wer nun wirklich die berüchtigten 100.000 Mark des Waffenlobbyisten Schreiber angenommen hat, Schäuble oder Baumeister, blieb unbeantwortet. Dabei war der Untersuchungsausschuss der teuerste in der Geschichte der Bundesrepublik: Über 138 Zeugen wurden gehört, 1800 Akten durchforstet, doch wegen der Ermittlungen verschiedener Staatsanwaltschaften konnten die Hauptfiguren der Spendenaffäre von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Dabei gab es Menschen, die über die Vorgänge in der CDU informiert waren. Die Gauck-Behörde erklärte im März 2000, dass die Stasi wichtige CDU-Finanzexperten jahrelang abgehört habe. Schon vor zwei Jahrzehnten wussten die DDR-Spione Bescheid über das illegale Finanzgebaren der CDU, aber: Fraktionsübergreifend vereinbarten die Bundestagsparteien, die Akten im Untersuchungsausschuss nicht zu verwenden.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.