Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 07 / 14.02.2005
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Hartmut Hausmann

Dänen und Iren haben wohl wenig Grund zu klagen

Der Bürgerbeauftragte kämpft gegen Missstände in der EU-Bürokratie

Wie kann Europa den Bürgern näher gebracht werden, wie lässt sich die Kluft zwischen der Brüsseler Eurokratie und den Men-schen in den 25 Mitgliedstaaten verringern? Darüber haben die Staats- und Regierungschefs der EU erst Anfang November bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel wieder beraten, ohne jedoch zu wesentlich neuen Erkenntnissen gekommen zu sein. Einer, der durch seine tägliche Arbeit erfolgreich an dem Problem arbeitet, ist der Grieche Nikiforos Diamandouros, der Bürgerbeauftragte der EU. Seine Vermittlerfunktion wird immer öfter von Bürgern und Unternehmen in Anspruch genommen, wenn diese gegenüber der Allmacht der EU-Institutionen nicht weiterkommen. Und sein jüngster Jahresbericht gibt erneut beherzigenswerte Hinweise auch für die Regierungschefs, wie sie dem von ihnen immer wieder proklamierten Ziel - dem "Europa der Bürger" - wenigstens einige Schritte näher kommen können. Der gegenwärtige Amtsinhaber trat im April 2003 die Nachfolge des Finnen Jacob Södermann an.

Offenbar spricht es sich herum, dass es sich lohnt, den Europäischen Bürgerbeauftragten einzuschalten. 2.436 Beschwerden gingen 2003 im Straßburger Büro des Griechen ein, das sind zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und im ersten Quartal 2004 wurde ein weiterer sprunghafter Anstieg von 40 Prozent registriert. 93 Prozent der Eingaben kamen von einzelnen Bürgern, sieben Prozent von Unternehmen, Verbänden und Vereinen. Diese Zahlen belegen, dass der Bekanntheitsgrad der Institution zwar enorm gestiegen ist, sie zeigen aber auch, dass es bei dem Wissen um die Zuständigkeiten und Möglichkeiten noch große Unsicherheiten gibt. Fast drei Viertel der Einsprüche fielen nicht in die Zuständigkeit Diamandouros, doch selbst in diesen Fällen konnte er den meisten Hilfesuchenden helfen, indem er ihre Beschwerden an zuständige Einrichtungen wie den Petitionsausschuss des Parlaments oder nationale oder lokale Bürgerbeauftragte, weiterleitete.

Das Amt des Bürgerbeauftragten wurde 1992 auf der Grundlage des Maastrichter Vertrages in Straßburg eingerichtet. Der Bürgerbeauftragte ermittelt aufgrund von Beschwerden von Bürgern beim Verdacht von Verwaltungsmissständen in EU-Institutionen und -Einrichtungen. Dafür gibt es seit vier Jahren im Internet ein elektronisches Beschwerdeformular in den 20 Amtssprachen der Gemeinschaft. Der Bürgerbeauftragte kann aber auch aus eigener Initiative tätig werden, um Verbesserungen der Verwaltungspraxis im Interesse der Menschen vorzuschlagen. Die meisten Beschwerden im Jahr 2003 betrafen den mangelnden oder verweigerten Zugang zu EU-Dokumenten (28 Prozent), die fehlende Transparenz bei Einstellungsverfahren (15) sowie Fälle der Verzögerung, ausbleibender Beantwortung von Korrespondenz oder unhöflicher Ausdrucksweise (10), aber auch Fälle von Diskriminierungen (12).

In 253 Fällen wurden Untersuchungen eingeleitet; 180 Fälle endeten mit Entscheidungen über Auflagen an die entsprechenden Institutionen. "EU-Beamte vergessen leicht, dass es für Außenstehende schwierig sein kann, die Arbeitsweise der EU-Institutionen und den EU-Jargon zu verstehen", hieß es dazu in Europäischen Parlament. Bei 87 Beschwerden konnten allerdings keine Missstände in der Verwaltungstätigkeit festgestellt werden. In 48 Fällen führte das Einschreiten des Bürgerbeauftragten dazu, dass die betroffenen EU-Institutionen den Fall zur vollen Zufriedenheit des Beschwerdeführers beilegten. Als Beispiel für viele ähnliche Vorgänge wird die Universität Stockholm genannt, die erst durch die Intervention von Diamandouros bewilligte Gelder für ein Forschungsprojekt erhielt und neben einem Entschuldigungsschreiben auch Zinsen für die Zeit der Verzögerung.

67 Prozent der Beschwerden betrafen die Europäische Kommission, was auch nicht verwunderlich ist, weil sie der eigentliche Verwaltungsapparat der EU ist. Elf Prozent der Beschwerdeführer fühlten sich vom Europäischen Parlament schlecht behandelt, sieben Prozent vom Amt für Personalauswahl und sechs Prozent vom EU-Ministerrat. Der Rest betraf weitere Institutionen und Behörden der Gemeinschaft.

Von den insgesamt 13.500 Eingaben seit der Einsetzung des Bürgerbeauftragten kamen übrigens 17 Prozent aus Deutschland, gefolgt von Spanien (14 Prozent), Frankreich (13 Prozent) und Italien (zehn Prozent). Am wenigsten beschwerten sich Dänen und Iren mit jeweils nur einem Prozent.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.