Die Bilanz des zehnjährigen Beschäftigungsprogramms der sozialistischen Jospin-Regierung für Jugendliche und für neue Dienstleistungen ist umstritten - vor allem in den Augen der neuen konservativen Regierung. "Nouveaux services - Emplois Jeunes" (Neue Dienstleistungen - Arbeitsplätze für Jugendliche) - so lautete das ambitionierte Programm der Arbeitsministerin Martine Aubry (Parti Socialiste) im Oktober 1997. Zwei Fliegen wollte sie mit einer Klappe schlagen. Zum einen sollten 700.000 arbeitslose Jugendliche mit selbstbestimmten Aufgaben im Sozial-, Umwelt-, Erziehungs- oder Multimediabereich dank öffentlicher Förderung beschäftigt werden. Zum anderen sollten innovative Dienstleistungen im Dritten Sektor - zwischen Staat und Markt - entstehen. Sie sollten benachteiligten Bevölkerungsgruppen zugute kommen und deren Alltag verbessern.
Die Idee ist von dem zweiten Arbeitsmarkt Deutschlands nicht weit entfernt. Allerdings ist sie mit weniger Bürokratie, mit viel Freiheit in der Definition der Aufgaben und mit einer Kontinuität von fünf Jahren verbunden. Knapp 450.000 junge Franzosen haben seit 1997 einen "emploi-jeune" gehabt, bezahlt in der Höhe von 80 Prozent des Mindestlohnes (SMIC), das heißt etwa 15.000 Euro im Jahr. Zurzeit gibt es noch rund 40.000 "emplois-jeunes" in Frankreich, im Jahr 2006 werden es nur noch knapp 2.000 sein. Danach wird der Begriff "emploi-jeune" definitiv zur Vergangenheit gehören.
Die Fehler an dem Programm der Parti Socialiste erläutert das rechte Kabinett des aktuellen Staatssekretärs für die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, Laurent Hénart, gerne. Ursprünglich sollten 700.000 Jugendliche beschäftigt werden, davon maximal die Hälfte im Non-Profit-Sektor, betont das Kabinett. Schließlich seien aber nur 220.000 dauerhafte Arbeitsplätze entstanden und keiner davon im Profit-Sektor. Eine weitere Kritik der konservativen Regierung an ihre Vorgänger betrifft die Kosten für die öffentliche Hand. Die "emplois-jeunes" haben drei Milliarden Euro verschlungen. Das Geld sei hauptsächlich qualifizierten Jugendlichen zugute gekommen, also Arbeitssuchenden, die es nicht unbedingt brauchten. Unter ihnen hätten 82 Prozent das Abitur gehabt.
Darüber hinaus sei die öffentliche Förderung für Arbeitsplätze missbraucht worden, die sowieso entstehen sollten. Von Innovation könne nicht gesprochen werden. Eine unfaire Konkurrenz mit dem Profit-Sektor sei teilweise daraus entstanden. Außerdem wirft die neue Regierung den Sozialisten vor, Jugendliche in einem Sonderbereich geparkt zu haben. Sie hätten zu wenig über die Aufrechterhaltung der geförderten Arbeitsplätze nachgedacht. Kurzum, die Konservativen betrachten die "emplois-jeunes" als eine blauäugige Verteilung von öffentlichen Geldern. "Wollen Sie auch noch Deutschland ruinieren?", spottet ein Angestellter des aktuellen Arbeitsministeriums, gefragt nach der Übertragbarkeit der "emplois-jeunes" auf die andere Seite des Rheins.
Mehr Chancen bei Bewerbungen
Gegen eine negative Bilanz des Programms spricht allerdings die Meinung der betroffenen Jugendlichen: 80 Prozent von ihnen erklären, dass sie bei dem Programm berufliche Kompetenzen erworben haben. Mehr als die Ausbildung haben ihnen jedoch die Erfahrungen aus der Praxis geholfen. Damit erhöhen sie ihre Erfolgschancen bei Bewerbungen.
Eine erfolgreiche Senkung der Arbeitslosenquote bei Jugendlichen hat das Programm jedoch nicht erreicht. In einer Zwischenbilanz im Jahr 2002 betonte die damalige Arbeitsministerin zwar zuversichtlich, die Arbeitslosenquote sei bei Jugendlichen zwischen 1997 und 2001 um zehn Prozentpunkte zurückgegangen. Das sei wesentlich mehr als in anderen Bevölkerungsgruppen. Zwischen März 2001 und März 2004 sei jedoch die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen um 3,7 Punkte gestiegen, so die Informationen der neuen konservativen Regierung.
In der Praxis erfinden heute die pfiffigsten Projekte neue Wege, um mehr oder weniger bequem ohne die "emplois-jeunes" zu überleben. Der Verein "Astib" in der Nähe der Stadt Arras im Norden Frankreichs gehört zu den wenigen Organisationen, die sich bis 2007 auf die Förderung für einen "emploi-jeune" verlassen können. Danach rechnet der 27-jährige Koordinator David Carlier mit einem Mix aus weiteren Förderungen der Arbeitsmarktpolitik, aus der Unterstützung von Stiftungen und nicht zuletzt aus dem Sponsoring von Unternehmen. Seit 2004 dürfen nämlich private Unternehmen in Frankreich ihre Spenden an gemeinnützige Projekte steuerlich absetzen. "Wir finden einfach neue Partner", teilt er optimistisch mit. Die aktuellen 230 Nutzer seiner Bustransporte - 1.350 Transporte im Jahr 2004 - werden nicht mehr als acht Euro im Jahr und 50 Cent pro Kilometer bezahlen müssen. Die Hälfte von ihnen lässt sich den Kilometerpreis durch Renten-, Behinderten- oder Arbeitsämter erstatten. Die andere Hälfte kann die Kosten steuerlich absetzen.
"Da wir auf dem Land sind, stellen wir keine Konkurrenz für den Profit-Sektor dar", betont er. "In der Stadt wäre es anders. Hier könnten Taxi-Unternehmer unsere Leistung nicht anbieten. Und die vielen Rentner mit einer Rente von 600 Euro müssen trotzdem ihre Einkäufe in der nächsten Stadt machen." Seine Fahrgäste nennt David Carlier Mitglieder - nicht Kunden. Diese können jederzeit bei Astib einen Transport zum Krankenhaus, zum Markt, zu Ämtern oder zu ihrer Schule telefonisch buchen. "Wir bieten flexiblere Zeiten als die Buslinien, die nur ein- oder zweimal am Tag fahren können."
Nicht so rosig sieht Frédéric Carpentier die Zukunft seiner Essenlieferungen in die Wohnungen von älteren Menschen. "Da uns die Zusage eines ?emploi-jeune' im September zurückgenommen wurde, müssen wir die Arbeitszeit mit anderen Fördertöpfen finanzieren. Allerdings sind dann weniger Stunden möglich. Die Zeit, die für Gespräche mit den vereinsamten, alten Menschen übrig bleibt, wird daher auch kürzer. Dabei sind wir manchmal die einzigen Menschen, die sie am Tag sehen." Fazit: Die Lebensqualität, die aus den Dienstleistungen der "emplois-jeunes" entstanden sind, lässt sich schwer in Zahlen fassen.