Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 08 / 21.02.2005
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Bedrohungen haben sich geändert

Interview mit Professor Eberhard Sandschneider

Das Parlament: Herr Sandschneider, Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht in der NATO nicht mehr die primäre Institution für transatlantische Konsultationen und Koordinierung. Stimmen Sie seiner Analyse zu?

Eberhard Sandschneider: Die Sachbeschreibung des Kanzlers ist völlig richtig, wenn man sich die Debatte um den Irak anschaut, aber auch viele andere Dinge. Dann muss man sagen: Wir diskutieren das nicht mehr zwangsläufig in der NATO. Das hat auch damit zu tun, dass die NATO eine militärische Organisation ist, und da darf man sich nicht wundern: Die wesentlichen Bedrohungen sind anderer Art und im wesentlichen nicht-militärischer, asymmetrischer Art, da hat eine Institution wie die NATO zunächst auch mal keine Antworten darauf, das ist das Problem der NATO.

Das Parlament: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat sich betont freundschaftlich gegeben - bricht ein neues Kapitel in den transatlantischen, in den deutsch-amerikanischen Beziehungen an?

Eberhard Sandschneider: Also eine neue Dimension gibt es noch nicht, aber eine neue Phase. Diese Phase ist dadurch geprägt, dass jetzt erstmal auf atmosphärischer und emotionaler Ebene die üblichen und notwendigen Symbole laufen, dass man wieder aufeinander zugeht. Rumsfeld hat das nach der Umarmungsinitiative von Condoleeza Rice eher im Entertainerstil gemacht und sich selbst als Old Rumsfeld bezeichnet und das hat Lacher ausgelöst. Und wenn Leute lachen, dann entspannt sich die Situation auch ein bisschen, das war seine Intention. Aber man darf sich keine Illusionen machen: Wir haben an vielen Stellen unterschiedliche Interessen und auf der Arbeitsebene wird man diese Konflikte austragen müssen.

Das Parlament: UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sehr engagiert für eine Reform der Vereinten Nationen geworben - wird eine solche Reform gelingen?

Eberhard Sandschneider: Es ist bemerkenswert, dass es der von ihm eingesetzten Gruppe gelungen ist, trotz großer Skepsis der Beteiligten am Anfang mit einem solchen Konsensergebnis aufzuwarten. Spannend wird es, wenn nun die UNO selbst vor die Frage gestellt wird: welche Reformen wollen wir jetzt, und sind wir überhaupt in der Lage, uns zu reformieren. Doch eine Sache hat er ausgelassen: Den Sicherheitsrat. Aber eine Reform der Vereinten Nationen ohne eine Reform des Sicherheitsrates ist schlicht undenkbar, und das ist genau eines der Nadelöhre, durch das die UN durch muss. Die ursprüngliche Idee: mehr Repräsentativität des Sicherheitsrates ist wunderbar, aber da sind harte Machtinteressen im Spiel und das wird keine einfache Situation für die UNO werden. Aber am Sicherheitsrat wird sich entscheiden, ob die UNO tatsächlich reformfähig ist.

Das Parlament: Hillary Clinton hat erstmals in Deutschland einen Einblick in ihr außenpolitisches Denken gegeben - für welche Form amerikanischer Außenpolitik steht sie?

Eberhard Sandschneider: Sie hat im Prinzip schon das Credo der demokratischen Partei vorgetragen, mit sehr starken Worten, was die Bedeutung der Vereinten Nationen angeht, was auch die Bedeutung der Vereinten Nationen für die USA angeht. Da gewinnt man schon den Eindruck, dass eine prominente Senatorin jetzt anfängt, auf dem internationalen Parkett Erfahrungen zu sammeln. Das Signal zur Stärkung der UNO ist allerdings eine Position, die wir auch von anderen demokratischen Präsidentschaftskandidaten, nicht zuletzt von ihrem Mann, schon gehört haben.

Das Interview führte Michael Hyngar

Prof. Dr. Eberhard Sandschneider ist Direktor am Berliner Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.