Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 09 - 10 / 28.02.2005
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Jeannette Goddar

"Investition in meine Zukunft"

Gebühren an privaten Unis

Tobias Schäfers hat gar nicht erst versucht, es so zu machen wie alle anderen. Als er sein Abitur in der Hand hielt, stand für ihn fest: Wer sich auf dem Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts behaupten will, muss sich von der Masse abheben. Durch eine überzeugende Persönlichkeit, vielfältige Kompetenzen und gründliches Fachwissen, kurzum: durch eine effiziente und umfassende Ausbildung. Seine Kommilitonin Eleonora Gross war 22, als sie beschloss, bei ihrer Zukunftsplanung kein unwägbares Risiko einzugehen. Zwei Semester hatte sie da an einer staatlichen Universität verbracht. Sie hatte mit 500 Leuten in einer Vorlesung und mit 100 im Seminar gesessen, als sie außer dem Frust über den anonymen Massenbetrieb die Sorge um ihr Berufsleben zu plagen begann: "Was hätte ich bekommen?", fragt sie, "einen mittelmäßigen Abschluss, den tausende andere auch haben!"

Heute studieren beide im fünften Semester an der Privaten Fachhochschule Göttingen (PFH). Die PFH ist die einzige Hochschule Deutschlands, die ihren Studierenden von vornherein schriftlich gibt, dass sie später nicht ohne Erwerb dastehen. Laut "Job-Garantie" bekommt jeder, der ein halbes Jahr nach dem Diplom noch keine Stelle hat, die Studiengebühren des letzten Jahres erstattet. Bedenkt man, dass das immerhin 7.000 Euro sind, könnte man das für ein großzügiges Angebot halten. Es wurde allerdings noch nie eingelöst. Die Garantie ist nämlich in erster Linie gar nicht der finanzielle Anreiz, sondern ein Instrument, potenziellen Studierenden zu vermitteln, dass sie sich mit einem Abschluss der PFH keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen brauchen. Wer hier studiert, muss nämlich neben seiner in einem komplexen Auswahlverfahren festgestellten Eignung noch etwas bieten: 3.600 Euro Studiengebühren pro Semester, 600 Euro pro Monat. Viel Geld, finden auch die Studierenden. "Natürlich ist das erst einmal abschreckend", sagt Tobias Schäfers, "aber ich sehe das als Investition in meine Zukunft."

Anfangs skeptisch beäugt

In Zeiten unsicherer Aussichten sind immer mehr Studierende - oder Eltern - bereit, in die akademische Ausbildung eine gehörige Summe Geld zu investieren. Als die Universität Witten-Herdecke vor 20 Jahren ihre Arbeit aufnahm, galt sie noch als absolutes Novum in der deutschen Bildungslandschaft und wurde nicht selten skeptisch beäugt. Inzwischen bieten 53 staatlich anerkannte Universitäten und Hochschulen ihre Dienste an. Von US-amerikanischen Privatschmieden, in denen ein Studienjahr durchschnittlich mit 18.000 Dollar zu Buche schlägt, sind die Deutschen zwar noch weit entfernt, doch auch hier kostet das Studium mehr Geld, als durchschnittliche 18-Jährige und auch viele Eltern mal eben so aus dem Ärmel schütteln: Jahresgebühren zwischen 5.000 und 8.000 Euro sind die Regel - die, wie immer, von Ausnahmen wie der International University Bremen, wo das Jahr 15.000 Euro kostet, bestätigt wird. Eine ebensolche Regel ist, dass Private Hochschulen sich auf einen eingeschränkten Fächerkanon spezialisiert haben; weswegen die Bezeichnung Universität auch kaum gerechtfertigt ist. Viele bieten wie die PFH eine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung; aber auch Jura-Schmieden wie die Bucerius Law School in Hamburg oder die Reformmedizinstätte in Witten-Herdecke bewähren sich.

Insgesamt gilt: Private Hochschulen bilden vor allem in so genannten karriereträchtigen Studiengängen aus. Man lernt in kleinen Gruppen mit glänzender Betreuung, meist verbunden mit einem ausgebauten Mentorensystem aus Professoren und Praktikern.

An der PFH Göttingen betreuen sieben Professoren 217 Studierende. Die 40 bis 60 Studenten pro Jahrgang werden mit Hilfe eines zweistündigen Tests und persönlichen Gesprächen aus bis zu 300 Bewerbern gefiltert. Dass die Möglichkeit zur Auswahl der Studierenden an sich schon ein enormer Vorteil sei, räumt auch Vizepräsident Frank Albe unumwunden ein: "Wenn wir das Gefühl haben, dass die Motivation nicht stimmt, nehmen wir auch nicht auf. Und wer sich nicht wirklich anstrengen will, der kommt hier nicht zurecht." In der Tat bietet das Bezahlstudium in Göttingen nicht nur herausragende Bedingungen, sondern ebensolche Anforderungen: Zu regulären 26 bis 28 Semesterwochenstunden kommt mindestens noch einmal genau so viel Vor- und Nachbereitung. Zusätzlich zu den Erfahrungen in Deutschland sammelt nahezu jeder der Studierenden ebensolche bei einem halbjährigen Praktikum im Ausland. Und weil der Unternehmer von morgen mehr braucht als eine praxisnahe Ausbildung, Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse, werden auch die ganz soften Skills trainiert. Es wird Golf und Fußball gespielt; und zu einem Lifestyle-Abend reiste auch schon einmal ein Käseexperte an. Sehr aufwändig, findet auch Tobias Schäfers. Aber: "Wer etwas werden will, muss etwas leisten. Das ist doch ganz normal." Das A und O am Studium ist für Schäfers aber der Praxisanteil.

Ein Finanzierungssystem für Studiengebühren ist bisher auch an Deutschlands Privathochschulen wenig elaboriert; hochschulinterne Bildungsfonds, Kredit- oder Stipendiensysteme nach US-amerikanischem Vorbild existieren noch so gut wie nicht. Eine Ausnahme ist die Uni Witten-Herdecke, die die Studiengebühren von 250 Euro monatlich vorfinanziert. Nach dem Studium müssen Absolventen, die mehr als 17.000 Euro im Jahr verdienen, acht Jahre lang acht Prozent des Einkommens nach Witten-Herdecke überweisen.

Den meisten bleibt nur der Griff in die Familienkasse, die Bewerbung um ein Stipendium oder der Kredit bei einer Bank. Ein Modell, das Schule machen könnte: Wenn Studiengebühren auch an staatlichen Universitäten Realität werden, könnte der Bildungskredit bald zum Studierenden gehören wie ein Mietvertrag. Vorausgesetzt, die Banken ziehen auch über die Kreditanstalt für Wiederaufbau hinaus mit - und bieten angehenden Akademikern künftig weit mehr als ein gebührenfreies Konto.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.