Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 14.03.2005
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Peter Manstein

Kassandrarufe und Insideranalyse über eine Weltmacht

Die Umweltkrise aus prominenter US-amerikanischer Sicht

Globale Umweltprobleme - der Autor führt deren Ausmaß und Entstehung eindringlich vor Augen und fordert ein globales Gegensteuern. Aber was leicht gesagt ist, ist umso schwerer umgesetzt. Besonders aufschlussreich ist das Buch, wo der renommierte amerikanische Umweltwissenschaftler und -aktivist Speth schildert, wie wenig internationale Umweltabkommen in aller Regel bewirken, wenn es um die meist sehr komplexen Ursachen der Umweltkrise geht wie die Armut oder die Überbevölkerung in der Dritten Welt.

Eine gelungene Übereinkunft ist noch lange kein gelungener Umweltschutz, weil die Vertragsstaaten dabei ja nichts von ihrer Souveränität abgeben, und der "good will" in der praktischen Umsetzung von vertraglichen Zugeständnissen häufig genug von "harten" Widerständen gehindert wird. Aus diesem Grund kann die ganze Prozedur der von Diplomaten dominierten Verhandlungen geradezu als Augenwischerei oder Beruhigungspille wirken: Indem scheinbar eine Lösung, also Übereinkunft, gefunden wird, gerät die eigentliche Umsetzungsaufgabe in den Hintergrund und wird auf die lange Bank geschoben.

Es ist jedenfalls kein Zufall, dass wir mittlerweile eine ernorme Anzahl an Übereinkünften haben, dass sich aber an der fortschreitenden Degradation der Umwelt (sei es nun die künstliche Klimaerwärmung, sei es die Abholzung der Regenwälder oder die Zunahme der Wüstenbildung und Versteppung) nichts geändert hat. Unter dieser Perspektive ist das bisherige Fernbleiben der USA, auf deren Konto etwa ein Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes geht, vom Kyoto-Protokoll zur Eindämmung dieses Ausstoßes nicht das eigentliche Skandalon, sondern dass es eben ein Drittel ist und dass die USA bisher sowenig dagegen unternehmen.

Das leuchtende, für Speth einzig bedeutsame Beispiel eines internationalen Erfolgs ist das Montreal-Abkommen zur Eindämmung und Zurückdrängung der stratosphärischen Ozonzerstörung durch Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW). Hier ist wirklich ein Stopp gelungen, aber letztlich nicht aufgrund eines papiernen Vertrages, sondern aufgrund des Willens der Industrieländer, den Schutzschild gegen die Hautkrebs erzeugenden UV-Strahlen wieder zu reparieren.

Vieles könnte schon institutionell verbessert werden an erster Stelle nennt der Autor hier die Etablierung einer Weltumweltorganisation (WEO), die ähnlich stark wie etwa die Welthandelsorganisation (WTO) verankert sein müsste. Aber der eigentliche, "der Königsweg zu einer nachhaltigen Weiterentwicklung der Welt besteht darin, viel Zeit und Geld darauf zu verwenden, das es in acht Bereichen zu breit angelegten, miteinander gekoppelten Übergängen zu einem neu definierten und ausgerichteten Wachstum kommt".

Diese Bereiche sind Bevölkerungszahl, Armut, Technologien, umweltgerechte Preise, Konsum, Wissen und Lernen, Regierungsführung und schließlich für Speth der wichtigste Punkt: Kultur und Bewusstsein müssen sich in Richtung Nachhaltigkeit wandeln. In allen Bereichen macht Speth hoffnungsvolle Ansätze aus, aber er schildert hier wesentlich nichts Neues. Viele seiner Vorschläge haben den bekannten Charakter des "sollte, müsste, wenn-dann". Trotzdem muss man dem Autor beipflichten: Was bleibt dem Einzelnen anderes, als genau dies so klar und eindringlich wie möglich immer wieder zu tun!

Die Vorzüge des Buches liegen in der fundierten, kritischen Ausbreitung der inneramerikanischen Umweltpolitikszene und deren Austrahlungen auf die internationale Ebene. Unter anderem als Berater Carters und Clintons in Umweltfragen und Mitautor des grundlegenden "Global 2000"-Berichtes weiß Speth, wovon er spricht. Es habe bisher eigentlich nur unter der späten Präsidentschaft Clintons eine energische und in sich konsistente Umweltpolitik gegeben. Ohne eine solche Politik seien aber globale Lösungen der globalen Probleme schlechterdings nicht möglich. Die inneramerikanischen Zusammenhänge können also auch global gesehen und in ihrer Bedeutung gar nicht überschätzt werden.


James Gustave Speth

Wir ernten, was wir säen.

Die USA und die globale Weltkrise.

Verlag C.H. Beck, München 2005; 288 S., 22, 90 Euro


Der Autor arbeitet als freischaffender Journalist in Bonn.


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