Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 40 / 04.10.2005
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Martin Gerner

Mehr Soldaten - weniger Diplomatie

Die deutsche Vertretung in Herat hat geschlossen

Bereits vor der Wahl in Afghanistan am 18. September war klar: Die Außenstelle der deutschen Botschaft in Herat wird schließen. Am 30. September war es dann so weit. Ein Grund: Die NATO ordnet zum Jahreswechsel die militärischen Einflusszonen am Hindukusch neu: Die Deutschen sind dann für die Sicherheit im gesamten Norden zuständig, Franzosen und Türken für Kabul, Kanadier und Briten für den Süden und Italiener für Herat, in Nachfolge der Deutschen.

Das wäre alles nicht dramatisch, würde die Vertretung in Herat nach Meinung zahlreicher Experten nicht überdurchschnittlich erfolgreich arbeiten. Ausgerechnet jetzt, da Deutschland seine Präsenz am Hindukusch militärisch verstärkt, soll diplomatisch abgerüstet werden.

"Ein Unding", findet Rupert Neudeck, der mit der Hilfsorganisation "Grünhelme" in der Provinz Herat aktiv ist. Der Gründer von Cap Anamur findet, dass mit Herat "die einzige zivile Botschaft in der Region" aufgegeben wird und damit auch die Probleme der Menschen. "Eine Katastrophe", pflichtet auch Ernst Fassbender bei, der als Deutscher in Afghanistan eine überregionale Medienorganisation leitet. "Ausverkauf ohne Not", meint ein Dritter. Auch in diplomatischen Kreisen herrscht Erstaunen. Deutsche Diplomaten, die Afghanistan aus früherer Anschauung kennen, sind überrascht von der Entscheidung des Auswärtigen Amts. Die Vertretung in Herat wird statt des kleinen Stabes künftig einen einzigen Verbindungsmann in Mazar-i-Sharif haben. Ein Diplomat unter vielen deutschen Soldaten.

Im Moment ist die Lage in Herat ruhig. Die Stadt sei kulturell, wirtschaftlich und strategisch ein Schlüsselort für die künftige Entwicklung in Afghanistan - Amerikaner und Italiener hätten das begriffen, kommentiert ein Beobachter. Dabei verbindet Herat etwas Besonderes mit Deutschland: Auswanderer von hier bilden die kulturell und geschäftlich einflussreichste Gruppe unter den Exil-Afghanen in Deutschland. Einer von ihnen will in Kürze mit Hilfe aus Deutschland ein Fernsehprogramm starten, das ausschließlich Bildungsinhalte sendet.

Die Einrichtung der Außenstelle kurz nach dem Fall der Taliban war mehr als nur ein Prestigeobjekt. Von afghanischer Seite wurde sie mit Enthusiasmus und Hoffnung begrüßt. In Herat sprechen die Menschen nur vom "deutschen Konsulat".

Im Innenhof der Vertretung wehten drei Fahnen: die afghanische, die deutsche und die französische. Die Außenstelle arbeitete mit einem französischen Kollegen. Fast ahnt man die Arbeitsteilung: Der Franzose kümmerte sich um die Kultur, die Deutschen um den Rest. Zur Zeit laufen viele deutsche Projekte in Herat. So zum Beispiel neue Physik- und Chemiesäle für eine Mädchenschule. Im Zuge der Altstadtsanierung wird eine historische Zisterne restauriert. Der Wiederaufbau der Wasserversorgung wird durch die Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) koordiniert. Für dies alles war die Präsenz der deutschen Vertretung eine Erleichterung.

Jean-Claude Voisin, so heißt der Mann für das Kulturelle, kümmert sich um junge Autoren, unter ihnen Filmemacherinnen. Kein Bereich, in dem afghanische Frauen sich früher tummeln konnten. Die 24-jährige Roya Sadat ist Regisseurin der neuen Generation und gibt sich überrascht. "Das Konsulat war meine Anlaufstelle für viele Dinge, nicht nur Visum und Formalitäten. Ich habe vom kulturellen Austausch profitiert."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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