Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 40 / 04.10.2005
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Reinhard Lassek

Zu klug für ein angepasstes Leben

Albert Einsteins Schwester Maja

Die Berühmtheit des Bruders bietet für die Schweizer Historikerin Franziska Rogger zwar noch keinen hinlänglichen Grund, sich mit Maja Einstein (1881-1951) zu beschäftigen. Dennoch ist es natürlich der entscheidende Reiz dieser reichhaltig bebilderten Biografie, dass hier der Lebensentwurf einer weithin unbekannten klugen Frau im Kontrast zum brüderlichen Genie entfaltet wird.

Maja Einstein gehörte zur Avantgarde, denn sie erwarb den Doktorhut, als dies für Frauen zwar schon möglich, aber noch keineswegs üblich war. "Maja Einsteins Leben", so Rogger, "war ein Lavieren zwischen konservativem und progressivem Lebenskonzept." Sie war viel zu klug, um ein angepasstes Frauenleben zu führen, aber auch zu wenig rebellisch, um ganz mit den Konventionen zu brechen.

Ihren erlernten Beruf als Lehrerin einer höheren Schule musste sie wegen ihrer Heirat aufgeben. So wollten es die damaligen gesetzlichen Bestimmungen. Die Intellektuelle bemühte sich fortan, als aufopferungsvolle Hausfrau den traditionellen Rollenmustern gerecht zu werden. Die Ehe mit dem Schweizer Juristen und Maler Paul Winteler gestaltete sich zwar glücklich, Wintelers Geschäfte blieben jedoch ohne Fortüne und Albert Einstein musste dem kinderlosen Paar immer wieder finanziell unter die Arme greifen.

Rogger bindet das bewegte Leben der Geschwister Einstein in die Geschicke ihrer Familien-Clans und in die geistigen Strömungen der Zeit ein. Wobei Maja Einsteins Denken und Handeln sich vor allem aus ihrer umfangreichen Korrespondenz erschließt. Die Bandbreite der Geschehnisse reicht von Geisteskrankheit, Kindstod und Mord bis zu finanziellem Bankrott und Nazi-Verfolgung.

Schließlich führt der Lebensweg der leidgeprüften Schwester zum erfolgsverwöhnten Bruder nach Princeton/USA. Maja Einstein, die ihrem Bruder äußerlich ohnehin in verblüffender Weise ähnelte, geriet nunmehr auch seelisch in größte Nähe zu ihrem Bruder, bei dem sie nicht nur liebevolle Aufnahme fand, sondern auch tröstliche Fürsorge bis zum Tode.

Rogger hat eine einfühlsame und detaillierte Rekonstruktion eines Frauenlebens vorgelegt, das zugleich ein besonderes Licht auf Albert Einsteins menschliche Qualitäten wirft. Das zweifellos herausragende wissenschaftliche Genie des 20. Jahrhunderts mag ein unzulänglicher Ehemann und Familienvater gewesen sein - seiner Schwester Maja gegenüber war Albert Einstein jedenfalls zeitlebens ein liebenswürdiger und verlässlicher Bruder. Eine Lektüre, die Interesse und Sympathie erweckt.


Franziska Rogger

Einsteins Schwester.

Maja Einstein, ihr Leben und ihr Bruder Albert.

Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2005; 200 S., 33,- Euro


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