Online-Konferenz
Islamisches Rechte
Transkript der Online-Konferenz
"Islamisches Recht und Menschenrechte"
Rudolf Bindig, SPD
Name | Frage | Antwort |
---|---|---|
Kaiser | Herr Bindig, Sie haben vor kurzem eine Anhörung zum heutigen Thema durchgeführt - welche Konsequenzen folgen aus den Beiträgen der Sachverständigen und wie gehen Sie mit Überlegungen um, eine spezielle Gesetzgebung für das Tragen von Kopftüchern vorzunehmen? |
Wichtigste Erkenntnis ist,
dass Menschenrechten und Islam miteinander vereinbar sind, und dass
sich Menschenrechtspolitik an den internationalen
Menschenrechtsabkommen orientieren muss. Wir halten einen
interkulturellen Dialog für sehr wichtig, plädieren aber
für eine klare Trennung zwischen diesem und
Menschenrechtsfragen. Das Urteil des BVerfG hat die Klärung, ob ein Kopftuch an Schulen erlaubt ist oder nicht an die Landesparlamente verwiesen. Ich trete dafür ein, das Thema nicht überzubewerten. Der Diskussionsprozess in unserer Fraktion läuft noch. Wichtig ist, dass die Leherer absolut neutral ihren Unterricht gestalten. Vielleicht sollte zunächst eine tolerante Lösung versucht werden, um dann die Erfahrungen auszuwerten. Ein Kopftuch als politische Demonstration kann nicht toleriert werden. |
T. Reiner | Hallo Herr Bindig, ich habe den Eindruck, dass die Diskussionen zum Thema Islam in den Medien immer dann aufgegriffen werden, wenn über besonders grausame und unmenschliche Übergrifffe oder Entscheidungen in islamischen Ländern berichtet werden kann. Sehen Sie das auch so? Wie können Sie in Ihrem Ausschuss dagegen angehen? Ich finde übrigens klasse, dass Sie so einen Anhörung gemacht haben! |
Die Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum Thema Mneschenrechte und Islam sind ein Versuch, das Thema zu versachlichen. Schwere Menschenrechtsverletzungen gibt es leider in vielen Staaten der Welt. Ein besonderer Bezug zum Islam ist meistens nicht vorhanden. Für weitere Infomationen lesen Sie bitte meine Presserklärung auf der Website der SPD-AG Menschenrechte, die Sie unter www.spdfraktion.de finden. |
Burkötter | Ich habe auf Ihren Menschenrechtsseiten gesehen, dass Sie islamische Läder bereist haben. Was bringen denn solche reisen für das Thema? Was genau folgt daraus? Über Ihre Meinung dazu würde ich mich freuen. | Jede dieser Dienstreisen
bringt wichtige neue Erkenntnisse. So haben wir bei Gesprächen
mit islamischen Geistlichen Ghom in Iran erfahren, dass eine Fatwa
(Rechtsgutachten)existiert, nach der Körperstrafen der Scharia
- in diesem Fall ging es um die Steinigung - durch andere
Nichtkörperstrafen ersetzt werden können. Darüber
hinaus haben wir mit Personen gesprochen, die sich für die
Einhaltung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
einsetzen. In Afghanistan und Pakistan haben wir detailliert mit Fragen zur Rolle der Frau in der Gesellschaft bzw. mit Flüchtlingsfragen befasst. Daraus leiten wir wichtige Folgerungen für unsere politische Arbeit ab. Daraus resultieren Initiativen gegen Schandemorde, politische Teilhabe der Frauen in Afghanistan und Ächtung der Genitalverstümmelung. Übrigens - freundlcihe Grüße in den Hartz. ich bin in Goslar aufgewachsen. |
Kaiser | Können denn solche Meinungen wie die von Hohmann und Nitsche nicht offen im Parlament vorgetragen werden? | Ihre Frage hat nichts mit dem Thema Menschenrechte und islamisches Recht zu tun. Es gibt einen Unterschied zwischen begründeten Meinungen und rassistischen Äußerungen. Letztere haben nichts im Parlament zu suchen. |
Heizmann | Sehr geehrter Herr
Bindig, ich freue mich, dass sich der Bundestag mit dem Thema befaßt! Mit großer Sorge lese, dass in islamischen Ländern häufig andersgläubige Reperessionen - bis hin zu Todesurteilen ausgesetzt sind. Was tun Sie dagegen? Herzliche Grüße, A. Heizmann |
Zunächst einmal sollte klargestellt werden, dass der Islam grundsätzlich andere Religionen respektiert, insbesondere die Buchreligionen. Intoleranz und Menschenrechtsverletzungen gibt es auch in an anderen und nicht islamischen Staaten. Dennoch ist mir bekannt, dass Andersgläubige oftmals diskriminiert werden. Wir drängen - z.B. in Bezug auf die Türkei - auf die Einhaltung der Menschenrechte (Kopenhagen Kriterien). Dies schließt die Religionsfreiheit ein, die auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt ist, zun deren Einhaltung sich die Türkei verpflichtet hat. In Bezug auf andere Länder drängen wir auf Einhaltung der Internationalen Menschenrechtspakte, insbesondere treten wir für die Ächtung der Todesstrafe ein. In jedem Gespräch mit Vertrtern dieser Länder sprechen wir über diese grundlegenden Menschenrechtsfragen. |
Dieter Bergmann | Hallo Herr Bindig, wie kann es sein, dass eine Moschee entgegen der Bauvorschrift mit einem viel zu hohen Turm gebaut wird und dies wird einfach mit einer Geldstrafe geahndet und der Turm muss nicht abgerissen werden? Hier wird doch ganz bewusst das deutsche Recht unterlaufen. |
Dieses ist ein kommunales Problem. Bitte wenden Sie sich an Mitglieder des Stadtrates oder an die Stadtverwaltung. Mit der Grundsatzfrage Menschenrechte und islamisches Recht hat diese Frage nichts zu tun. |
Lorenz | Inwieweit arbeiten die Menschenrechtsorganisationen vor Ort mit medizinischen Einrichtungen in den jeweiligen Ländern zusammen. Gibt es eine Zusammenarbeit und was kann man als Mediziner von Deutschland aus tun? | Die typischen menschenrechtsorientierten NGOs arbeiten meistens nicht speziell mit medizinischen Einrichtungen zusammen. Wichtig ist der Gesichtspunkt, dass Frauen Zugang zum Gesundheitswesen haben. Ein Land, das uns besonderes große Sorge bereitet, ist Afghanistan. Zu diesem Problemkreis gehört auch der Kampf gegen die Genitalverstümmelung und die medizinischen Folgen für die Mädchen und Frauen. Wenn Sie sich für den Gesundheitsbereich besonders interessieren, so gibt es NGOs, die speziell Gesundheitsprojekte durchführen (Ärzte ohne Grenzen). Auch das BMZ finanziert länderübergreifende Programme im Bereich des Gesundheitswesens. Für weitere Informationen können Sie sich gerne dort hinwenden. |
Dinger | Haben Sie schon mal mit Fundamentalisten im Ausschuss gesprochen - oder reden sie immer nur über die? Was ist mit den jüdischen und christlichen Fundamentalisten und ihren Vorstellungen und Taten bzgl. Verletzung der Menschenrechte? | Bei unseren Dienstreisen in verschiedene islamische Länder haben wir natürlich auch Kontakt mit eher fundamentalistisch orientierten Kräften. Ich persönlich habe mit solchen Fundamentalisten in Tschetschenien, Afghanistan und Iran gesprochen und meine menschenrechtlichen Anliegen vorgebracht. Bedauerlicherweise ist der Erfolg meistents gering, dennoch halte ich solche Gespräche für äußerst wichtig, um Anregungen zu geben und für eigene politische Inititiven zu erhalten. Manchmal gelingt es auch, einen mäßigenden Einfluss auszuüben. Dem Fundamentalismus jeder Ausprägung muss kritisch begegnet werden. Eine moderne Gesellschaft erfordert von allen gesellschaftlichen Kräften Toleranz. |
Uhland | Sehr geehrter Herr
Bindig, Sie schreiben in Ihrem Statement, dass 'Reformen von innen' in islamischen Ländern unterstützt werden müssen. Wie kann das von Ihnen denn unterstützt werden, ohne den Vorwurf der Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten zu provozieren.(s.China) Mit freundlichen Grüßen, Simone Uhland |
Sie weisen auf sehr schwierigen Bereich hin. Gerade in Bezug auf China haben wir beharrlich immer wieder Menschenrechtsfragen thematisiert. Ich selbst habe in Deutschland und in Peking an verschiedenen Dialogveranstaltungen zu allgemeinen Geltung derMenschenrechte teilgenommen. Dabei sprechen wir auch ganz konkret über die Administrativhaft, die extensive Anwendung der Todesstrafe, Minderheitenfragen, Religionsfreiheit und das Tibetproblem. Wenn es auch nur allmähliche Veränderungen gibt, sind solche Gespräche wichtig und werden neuerdings sogar mit Offenheit aufgenommen. Auch mit islamischen Staaten werden im Rahmen von Kulturdialogen solche Gespräche geführt. Auch hier geben wir Anregungen zu Reformen, die Reformen selbst müssen jedoch aus der jeweiligen Gesellschaft selkbst kommen. In manchen Ländern ist es allerdings nur indirekt möglich, Kontakt zu NGOs zu halten und ihre Arbeit zu unterstützen. |
König | Herr Bindig, in Kreuzberg (und in Berlin insgesamt) haben wir zu viele Türken. Unsere Kinder verlernen Deutsch, die Türken lernen es nie. |
Unsere Bemühungen um Integration von Ausländern müssen weiterhin verstärkt werden. Dies bedeutet insbesondere das Anbieten von Sprachkursen, um vor allen Dingen Kindern und Jugendlichen eine Perspektive zu eröffnen. Ich persönlich kenne viele Zugewanderte, die inzwischen hervorragend Deutsch sprechen, und die sich gut in unsere Gesellschaft integriert haben bei Wahrung ihrer kulturellen Identität. Dies gilt insbesondere für die sogenannte Zweite Generation. |
Quelle:
http://www.bundestag.de/live/forum_archiv/konferenzen/2003/menschenrechte/trans_bindig