> Sonderausgabe > Der Wahlprüfungsausschuss
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Jeder Wahlberechtigte hat innerhalb von zwei Monaten nach dem Wahltag das Recht, Einspruch gegen die Gültigkeit einer Bundestagswahl einzulegen. Nach Artikel 41 des Grundgesetzes obliegt die Prüfung der Einsprüche dem Bundestag. Die eigentliche Arbeit leistet dort der Wahlprüfungsausschuss. Er ist der kleinste aller ständigen Ausschüsse des Bundestages und seine Mitglieder stehen nur selten im Rampenlicht. Und doch stellt er ein unverzichtbares Instrument demokratischer Kontrolle dar.
Er ist die Instanz, an die sich die Bürger wenden können, wenn sie meinen, dass bei den Wahlen zum Bundestag oder zum Europäischen Parlament etwas nicht korrekt gelaufen ist“, sagt die SPD-Abgeordnete Erika Simm, Ausschussvorsitzende der nun ablaufenden 15. Wahlperiode. Seine neun ordentlichen Mitglieder, die im Unterschied zu den anderen Ausschüssen nicht von den Fraktionen benannt, sondern für die Dauer der Legislaturperiode vom Bundestag gewählt werden, beraten über die einzelnen Einsprüche. Vorher werden Stellungnahmen eingeholt, insbesondere die der zuständigen Wahlleiter.
Der Ausschuss legt dem Plenum des Bundestages zu jedem Einspruch eine Beschlussempfehlung vor, aufgrund der das Parlament seine Entscheidung trifft. Gegen diese kann binnen zweier Monate das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Bislang hat es jede Entscheidung des Bundestages bestätigt.
Die Einsprüche, die bei dem Ausschuss eingehen, sind bunt gemischt: In einem Postfach wurden Briefwahlzettel vergessen, ein Wahllokal hatte keine behindertengerechten Zugänge. Die Aufstellung von Wahlkabinen wurde ebenso moniert wie Probleme bei der Versendung der Wahlbenachrichtigungen ins Ausland. Weiterhin ging es um die Zahl der Briefwähler, die Gestaltung der Stimmzettel sowie die Geheimhaltung der Stimmabgabe: So wurde beanstandet, dass es keine Wahlumschläge mehr gibt und Stimmzettel sind so vorzufalten, dass niemand die Wahlentscheidung sehen kann.
Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Thomas Strobl (CDU) erinnert sich an eine Wahlanfechtung, die damit begründet wurde, dass in der Wahlkabine keine Kugelschreiber, sondern Bleistifte auslagen. Andere Wahleinsprüche betreffen grundlegende Fragen des Wahlrechts, wie etwa die Überhangmandate. Behaupten diese Einsprüche die Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung, beispielsweise der Fünf-Prozent-Klausel, ist letztlich allerdings nicht der Bundestag, sondern das Bundesverfassungsgericht zuständig.
Grundsätzlich gilt: Ein Wahleinspruch ist nur dann begründet, wenn der beanstandete Fehler die Verteilung der Mandate beeinflusst hat oder diese hätte beeinflussen können. Nur in diesen Fällen wären Sitze anders zu verteilen oder Neuauszählungen oder gar Neuwahlen anzuordnen. Dies ist allerdings bislang nicht vorgekommen.
Doch auch mit der Behauptung von Wahlmängeln, die keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatten, setzt sich der Ausschuss akribisch auseinander. Dadurch will er sicherstellen, dass sich Fehler etwa bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl oder der Auszählung der Stimmen beim nächsten Mal nicht wiederholen.
Über Arbeitsüberlastung konnte der Wahlprüfungsausschuss in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik nicht klagen. So gab es gegen die Bundestagswahl vom 15. September 1957 gerade einmal sechs Einsprüche. Doch ist die Anzahl der Wahlanfechtungen seither deutlich angestiegen. Mit 520 Einsprüchen gegen die Bundestagswahl 2002 und 46 Anfechtungen der Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments 2004 mussten sich die Ausschussmitglieder in der 15. Wahlperiode auseinandersetzen. Durch die vorgezogenen Neuwahlen gerät der Wahlprüfungsausschuss aber nicht unter Zeitdruck: Im Januar 2004 hatte er die Prüfung aller Wahleinsprüche gegen die Bundestagswahl und im Januar 2005 derjenigen gegen die Europawahl abgeschlossen.
Text: Nicole Alexander
Fotos: Picture-Alliance
Erschienen am 13. September 2005