> Unter der Kuppel > Jugendmedienworkshop
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Berichten:
Wenn wir die Tagesschau einschalten, gibt es fast immer Nachrichten
aus dem Bundestag. Wie ein Tag im Bundestag in die Medien kommt,
hat GLASKLAR live mitverfolgt. Außerdem erzählen
Abgeordnete ihre persönliche Medienstory, eine
Politikwissenschaftlerin sagt, wieso die "Tür manchmal zu
bleibt" und Cécile aus Frankreich, warum sie in Berlin ihr
Glück gefunden hat.
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Politik aktiv gestalten:
Mitmischen.de ist das Jugendforum des Deutschen Bundestages im
Internet. Die Plattform bietet Chats mit Abgeordneten des
Bundestages, Diskussionsforen, Abstimmungen, Nachrichten und
Hintergrundberichte zu aktuellen politischen Themen.
www.mitmischen.de
Hintergrundgespräche mit Abgeordneten und TV-Diskussion, dazwischen Redaktionsarbeit und Informationsrunden mit Bundestagsfachleuten. Was zum Alltag von gestandenen Parlamentskorrespondenten gehört, erlebten beim Jugendmedien-Workshop 40 Nachwuchsjournalisten aus ganz Deutschland. Bei ihrem einwöchigen Aufenthalt im Bundestag tauchten sie ein in die Welt der Bundespolitik und der Medien. Dabei kommt es schon mal zu kleinen Überraschungen – etwa wenn plötzlich ein leibhaftiger Parteichef um die Ecke biegt.
Die Kameras sind auf Eva und Martin gerichtet, Scheinwerfer erleuchten hell Bühne und Kulissen des Studios. Eine Mitarbeiterin der Maske pudert noch einmal rasch die Gesichter der Talkgäste, als die Regieassistenz über Lautsprecher ein Zeichen gibt: Nun dauert es nur noch wenige Sekunden, bis die Diskussion im TV-Studio des Bundestages beginnt.
Eva streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Martin schlägt die Beine übereinander. Ein wenig aufgeregt wirken beide, aber das ist auch kein Wunder: Schließlich diskutieren die beiden Jugendlichen nicht jeden Tag mit Politikern wie der Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) oder Journalisten wie Jürgen Leinemann und Ferdos Forudastan über Medien und Demokratie. Es geht um den „Rausch der Macht“, dem Spitzenpolitiker, aber auch Journalisten erliegen können.
Wer hat denn eigentlich die Macht, die Medien oder die Politik? Wer kontrolliert wen? Und wie sieht die Kehrseite von politischem Einfluss und medialer Öffentlichkeit aus? Das möchte Moderator Steffen Hallaschka von seinen Talkgästen wissen. Mit Fragen wie diesen haben sich Eva Schüler und Martin Schwemmele schon beschäftigt, denn die beiden gehörten zu den 40 Teilnehmern einer in Deutschland einzigartigen Veranstaltung, deren Abschluss die TV-Diskussion ist: dem Jugendmedien-Workshop des Deutschen Bundestages.
Anfang Dezember konnten Nachwuchsredakteure von Lokal- und Schülerzeitungen im Bundestag Hauptstadtjournalismus und Politik hautnah erleben: etwa indem sie mit Abgeordneten über Themen wie Studiengebühren oder europäische Integration diskutierten, Hauptstadtkorrespondenten bei ihrer Arbeit begleiteten und selbst eine Veranstaltungszeitung produzierten.
Eine Woche lang hatten Eva und Martin und die anderen 14- bis 20-jährigen Teilnehmer Zeit für solche besonderen Begegnungen. Für sie öffneten sich im politischen Zentrum des Landes Türen, die sonst oft verschlossen bleiben: Ob Ausschusssitzung oder Plenardebatte, Pressehospitationen bei ARD, „Spiegel“ oder der Nachrichtenagentur dpa, ein Besuch beim ZDF-Polit-Talk „Berlin Mitte“ oder ein Essen in der Parlamentarischen Gesellschaft.
Bereits zum dritten Mal hatten der Deutsche Bundestag, die Bundeszentrale für politische Bildung und der Verein Jugendpresse Deutschland junge Medienmacher nach Berlin eingeladen und diesmal unter dem Motto „Medien und Politik – (k)eine Zukunft?“ ein umfangreiches Programm zusammengestellt. Das Ziel: Jugendlichen einen Blick hinter die Kulissen von Medien und Politik zu ermöglichen und so Demokratie transparent zu machen.
Bundestagsvizepräsidentin und Workshop-Schirmherrin Susanne Kastner, die den Dialog mit jungen Menschen in das Zentrum ihrer Arbeit stellt, zieht eine positive Bilanz: „Die Jugendlichen haben das Parlament und die im Bundestag arbeitenden Menschen eine Woche lang kennen gelernt. Ich bin davon überzeugt, dass sich diese jungen Medienmacherinnen und Medienmacher nach diesen Erlebnissen und Erfahrungen zukünftig für die parlamentarische Demokratie stark machen.“
Jugendliche mit journalistischen Ambitionen wollen sich eine Veranstaltung wie den Jugendmedien-Workshop nicht entgehen lassen: Viermal mehr Bewerbungen, als es Plätze gab, trafen im Bundestag ein. Jeder Bewerber musste im Vorfeld einen Artikel einreichen. Aus rund 160 Bewerbungen wählte dann eine Jury die 40 besten Einsendungen aus. Damit haben die Organisatoren des Workshops beim Bundestag eine ähnliche Erfahrung gemacht wie viele Journalistenschulen: Auch hier sind aufwändige Auswahlverfahren notwendig, um die Besten herauszufiltern.
Trotz Medienkrise und unsicherer Berufsaussichten gilt Journalismus noch immer als Traumjob unter jungen Menschen. Umso bemerkenswerter, als das Image des Journalisten in der Bevölkerung eher am unteren Ende einer Prestige-Skala liegt, die das Institut für Demoskopie Allensbach seit Jahren regelmäßig ermittelt. Vergleichbar kritisch werden in diesem Ranking nur „die Politiker“ gesehen. „Zu abgehoben“ seien die Volksvertreter, lautet zum Beispiel eine weit verbreitete Meinung.
Die Teilnehmer des Jugendmedien-Workshops hatten die Chance, solche Vorurteile zu überprüfen und sich selbst ein Bild vom politischen Alltag der Volksvertreter zu machen. Ob im Paul-Löbe-Haus, im Reichstagsgebäude oder Jakob-Kaiser-Haus – in Fahrstühlen, Fluren und in den unterirdischen Gängen trafen die Jugendlichen immer wieder bekannte Gesichter: „Guido Westerwelle hat uns ganz locker mit ‚Hi, wie geht’s, was macht ihr denn hier?‛ begrüßt“, erzählte die 20-jährige Simone Elpers aus Steinfurt, „und als wir die Fotoapparate zückten, hat er sich für uns Zeit genommen“.
Der direkte Kontakt zu den Volksvertretern kommt gut an. Viele der Nachwuchsjournalisten suchten ihn bewusst und genossen es, Fragen zu stellen. „Das Schönste war für mich, dass ich endlich mit einem Politiker offen über Studiengebühren diskutieren konnte“, sagte Susanne Reinig. „Und endlich konnte ich auch einmal direkt meine Meinung dazu sagen.“ Einer der Höhepunkte des Programms war deshalb ein Treffen mit jungen Abgeordneten: Peter Friedrich (SPD), Miriam Gruß (FDP), Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Julia Klöckner (CDU/CSU) und Michael Leutert (Die Linke.) gehören zu den Jüngsten in ihren Parteien und sind – bis auf Julia Klöckner, die bereits zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt wurde – allesamt Parlamentsneulinge.
Sie kamen, um über ihren „neuen Job“ zu berichten – und stellten sich so mancher kritischen Frage: Etwa was sie in ihrer Politik antreibt oder wie sie es schaffen, trotz ihrer besonderen Stellung nicht den Bezug zur Realität zu verlieren. Die fünf Abgeordneten antworteten freimütig und oft sehr persönlich. „Es ist zwar schwer, Zeit für Verabredungen zu finden“, bekannte Julia Klöckner, „aber es geht. Ich kann vielleicht nicht mit ins Kino kommen, aber später in der Kneipe dazustoßen.“ Dass Freunde eine wichtige Rolle spielen, damit man die Bodenhaftung nicht verliert, fand auch Michael Leutert: „Die sagen einem auch mal ‚Du bist blöd‘, wenn es nötig ist.“
So viel Offenheit machte Eindruck. Die Distanz zwischen den Abgeordneten „da oben“ und den „normalen Bürgern“ schmolz in den Tagen des Jugendmedien-Workshops. „Politiker sind für mich menschlicher geworden“, bilanzierte etwa der 17-jährige Jörg Hüttner aus Hof stellvertretend für viele seine Erfahrungen.
Text: Sandra Schmid
Fotos: Sandra Schmid
Erschienen am 20. Dezember 2005