PISA 2000
Interview mit Roland Meka über Kennzahlensteuerung und "ganzheitlich verantwortliche" Rektoren. Meka ist Mitglied der Geschäftsleitung der Kienbaum-Unternehmensberatung und hier verantwortlich für den Bereich Wissenschaft und Bildung.
Das Parlament: Herr Meka, Sie haben dem deutschen
Schulsystem nach den ersten PISA-Ergebnissen eine Bruchlandung
bescheinigt. Besteht mittlerweile Hoffnung auf Aufwind?
Roland Meka: Ich verspüre derzeit höchstens ein laues Lüftchen. Tatsächlich haben wir viel Zeit ins Land streichen lassen und seit PISA 2000 nichts Grundlegendes bewegt.
Das Parlament: Woran hapert es denn?
Roland Meka: Die einzelnen Maßnahme der Länder - Beispiel Schul-TÜV, Vergleichsprüfungen - sind durchaus sinnvoll. Das Problem ist: Die meisten Reformansätze wie das Projekt "Selbstständige Schule" in Nordrhein-Westfalen bleiben im ewigen Versuchsstadium stecken oder es bleibt weitgehend der einzelnen Schule überlassen, welche Konsequenzen aus festgestellten Defiziten gezogen werden sollen. Das kann so nicht funktionieren, da in den Schulen derzeit noch kaum Kompetenzen zum Veränderungsmanagement vorhanden sind.
Das Parlament: Was fehlt nach Ihrer Meinung?
Roland Meka: Was fehlt, sind zwei Dinge: erstens eine wirkliche Stärkung der Qualifikation und Kompetenzen der Schulleiter und Schulleiterinnen sowie die Qualifikation von engagierten Veränderungsteams; zweitens die Einrichtung eines Bildungscontrollings, das auf transparenten Zielen und Daten basiert.
Das Parlament: Wie könnte ein solches Controlling aussehen?
Roland Meka: Wir sollten drei Ebenen unterscheiden: die strategischen Ziele und Vorgaben der Schulpolitik, die operative Umsetzung in den Schulen und die Begleitung des Veränderungsprozesses durch eine neu verstandene Schulaufsicht.
Das Parlament: Das klingt sehr nach freier Wirtschaft. Kann man Schulen wie Unternehmen führen?
Roland Meka: Nein. Aber Schulen können von Unternehmen viel Handwerkszeug übernehmen. Denn die wesentlichen Managementfähigkeiten wie zielorientierte Führung, Moderation oder dezentrales Ressourcenmanagement unterscheiden sich methodisch nicht. Auch nicht das Projekt- und Qualitätsmanagement, wie wir es heute schon in zahlreichen Bildungseinrichtungen vorfinden.
Das Parlament: Das klingt ziemlich theoretisch. Können Sie ein Beispiel nennen?
Roland Meka: Nehmen Sie das Problem Unterrichtsausfall. Hier könnte eine Landesregierung zum Beispiel konkret das Ziel vorgeben: Wir senken den Unterrichtsausfall um zehn Prozent. Eine solche Zielvorgabe müsste dann im Programm jeder einzelnen Schule aufgenommen und vor Ort unter Berücksichtigung der speziellen Situation dieser Schule in Maßnahmen, Zeiträume und Verantwortliche umgesetzt werden, beispielsweise indem die Abwesenheitszeiten für Fortbildungen vor Ort flexibler koordiniert werden. So können Schulen über inhaltliche Vorgaben gesteuert werden. Als Teil der vereinbarten Entwicklung wird dann auch eine Steuerung über quantitative Kennzahlen erfolgen müssen. Da decken sich Schule und Unternehmen.
Das Parlament: An welchen Kennzahlen könnten sich Schulen orientieren?
Roland Meka: Klassiker könnten neben dem Unterrichtsausfall die Abbrecherquote oder die Zahl der Wiederholer sein. Aussagekräftig könnten aber auch die Fehlzeiten von Schülern oder in bestimmten Regionen die soziale Auffälligkeit bis hin zur Kriminalitätsrate sein. Es darf aber auch innovativ gedacht werden: Wie wäre es nach der Zufriedenheit der Absolventen mit ihrer Ausbildung zwei Jahre nach Beendigung der Schule zu fragen - wenn sie in Universitäten oder einer Lehre Anschluss finden müssen?
Das Parlament: Welche Rolle sollen die Schulleiter übernehmen?
Roland Meka: Die Schulleiter sind die dezentral ganzheitlich verantwortlichen Manager vor Ort mit der Zuständigkeit für die Ressourcen, das Personal und das pädagogische Konzept. Ich halte die Rolle der Schulleiter für den Dreh- und Angelpunkt einer gelungenen Schulreform.
Das Parlament: Da dürften sich einige aber überfordert fühlen.
Roland Meka: Managementqualitäten sind nicht angeboren, sondern lernbar. Die Schulleiter brauchen also eine ernstzunehmende Ausbildung zum Schulmanager und - ganz wichtig - ein qualifiziertes Managementteam. Dabei kann es auch sinnvoll sein über Weiterbildungsmodule Coaching aus der Wirtschaft zuzulassen. Angebote gibt es bereits. Beispielsweise bietet die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände ein ganzes Servicepaket zur qualitätszentrierten Schulentwicklung an, unter anderem auch Fortbildungsveranstaltungen für Rektoren und Lehrer zu Themen wie Projektmanagement oder Evaluation.
Das Parlament: Qualitätsmanagement bedeutet immer auch Standardisierung. Wie ist das in Einklang zu bringen mit dem auch von Ihnen erhobenen Anspruch, Kinder individuell zu fördern?
Roland Meka: Einfach. Wie in den skandinavischen Ländern sollten Kinder individuelle Entwicklungspläne haben. Sie sind die Basis für eine zielgenaue Förderung. Die aus dem Qualitätsmanagement abgeleiteten Maßnahmen bilden den äußeren Rahmen und helfen, diese Bildungsziele zu erreichen.
Das Parlament: Sie sind mit Ihren Ideen mehrfach an die Politik herangetreten. Wie war die Resonanz?
Roland Meka: Ich habe den Eindruck, dass gerade die Schulverwaltung zu Unrecht eine Heidenangst hat vor Transparenz von Daten über die tatsächliche Leistungsfähigkeit ihrer Schulen. Man fürchtet offenbar eine unkontrollierbare Diskussion. Das führt dazu, dass sich bislang niemand konsequent mit dem Thema Bildungscontrolling beschäftigt.
Das Gespräch führte Jutta Witte.