Diskussion über Zulässigkeit von Listenverbindungen
Nicht nur über den endgültigen Namen der Partei hatte es jede Menge Diskussionen gegeben: doch jetzt ist sicher, dass die Linkspartei.PDS, kurz Linke. genannt, in allen 16 Bundesländern auf den Wahlzetteln zu finden sein wird. Die Landeswahlleiter akzeptierten am 19. August die von der Partei eingereichten Listen. Damit ist sicher: Die Linke. darf bei den Bundestagswahlen am 18. September antreten. Nach den neuesten Umfragen kann die Partei damit rechnen, die Fünf-Prozen-Hürde zu nehmen und in den 16. Deutschen Bundestag einzuziehen.
Der Gründung der neuen Linkspartei war eine wochenlange Kontroverse vorausgegangen. Die umbenannte PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) hatte ihre Listen für Kandidaten der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) geöffnet, um auf diese Weise endlich die erwünschte Ausdehnung in den Westen der Republik schaffen. Während die Mitglieder der PDS in erster Linie aus den neuen Bundesländern stammen, kommen viele Anhänger der WASG aus den alten Ländern. Ein Großteil der WASG-Mitgliedern steht den Gewerkschaften nahe und hatte sich aus Enttäuschung über die Politk der rot-grünen Koalition als Alternative zu den Sozialdemokraten gegründet. Die Linkspartei beschloss, den WASG-Funktionären vordere Listenplätze einzuräumen, so dass eine Reihe von ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im nächsten Bundestag vertreten sein wird. Erst Mitte Juli hatte die WASG mit mehr als 81 Prozent in einer Urabstimmung den Weg frei gemacht, auf den offenen Listen der Linkspartei zur Bundestagswahl kandidieren zu können. Prominentester Vertreter der WASG ist der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, der die Landesliste in Nordrhein-Westfalen anführt. Aber auch der ehemalige baden-württembergische SPD-Politiker Ulrich Maurer sowie das WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst sind über Parteigrenzen hinaus bekannt.
Umstritten war die Frage, ob es sich bei der Linkspartei.PDS um eine nach dem Wahlrecht unzulässige Listenverbindung zweier Parteien handelt. Die Frage der Zulässigkeit von Listenverbindungen hat historische Gründe: Die Väter und Mütter des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat wollten mit dieser Einschränkung vermeiden, dass kleine Parteien - die nicht in der Lage waren aus eigener Kraft ins Parlament einzuziehen - in einem "Huckepack"-Verfahren die Fünf-Prozent-Sperrklausel überwinden.
Im Kreise der 16 Landeswahlleiter war man sich jedoch einig: Eine unzulässige Listenverbindung liegt bei der Linkspartei.PDS nicht vor. Bei der Beurteilung des Sachverhalts kam es vor allem darauf an, zu prüfen, ob die Liste auch der entsprechenden Partei zuzuordnen sei. Dabei sei wichtig, ob - in diesem Fall - die Linkspartei über die Reihenfolge ihrer für sie antretenden Kandidaten in geheimer Wahl abgestimmt habe. Außerdem durften andere Parteien keinen dominierenden Einfluss ausgeübt haben. Bewerber, die nicht der Linkspartei angehören, sollen aber mit deren Programm und Wahlzielen übereinstimmen. Unterstützung erhielt die Linke. vom Düsseldorfer Staatsrechtler Martin Morlock, der im Auftrag der Partei diese Fragen geprüft hatte. Es sei keineswegs unüblich, dass auf Wahllisten einer Partei Kandidaten einer anderen anträten, so Morlock.
Andere Verfassungsrechtler reagierten auf die Entscheidung der Landeswahlausschüsse skeptisch bis ablehnend, darunter auch der Bonner Staatsrechtler Wolfgang Löwer. Er will nach der Wahl am 18. September Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen und ein so genanntes Wahlprüfungsverfahren einleiten. Damit sollen die Karlsruher Richter nachträglich prüfen, ob unzulässige Vereinbarungen zwischen den beiden Parteien vorlagen. Die ehemalige Verfassungsrichterin Karin Graßhoff hält die Zulassung ebenfalls für rechtswidrig. Sie fordert, ein so genanntes Wahlgericht einzurichten. Dieses Gremium soll aus Richtern des Bundes- und der Landesverfassungsgerichte zusammengesetzt sein und zu bestimmten Rechtsfragen bei Wahlen Stellung beziehen.
Mit Befriedigung hat der Bundeswahlkampfleiter der Linkspartei, Bodo Ramelow, auf die Entscheidung der Landeswahlleiter reagiert: "Allen Unkenrufen einiger Rechtsprofessoren zum Trotz", hätten die angeblichen Verstöße gegen das Wahlrecht sich als haltlos erwiesen, erklärte Ramelow. Die Linkspartei habe das Wahlrecht "strikt beachtet". Die Wählerinnen und Wähler hätten am 18. September bundesweit die Möglichkeit, eine Alternative zur Politik des Sozialabbaus, der Rentenkürzungen, Lohnkürzungen und Beschneidung von Arbeitnehmerrechten zu wählen.
Die Linkspartei und die WASG haben unterdessen beschlossen, ihren Fusionsprozess schneller voranzubringen als ursprünglich geplant. Der Linkspartei-Vorsitzende Lothar Bisky und WASG-Sprecher Klaus Ernst unterzeichneten gerade eine fünfseitige Kooperationsvereinbarung. Nach der Bundestagswahl sollen paritätisch besetzte Arbeitsgruppen ein gemeinsames Parteiprogramm auf den Weg zu bringen. "Eine Beschleunigung des Prozesses der Fusionierung der beiden Parteien werde sich in einem engagierten Wahlkampf beider Parteien für eine starke linke Fraktion im nächsten Bundestag widerspiegeln", so Ramelow.