kurz notiert
Bis vor kurzem hat kaum jemand etwas von den Ritchie Boys gehört oder gelesen, obwohl der Zweite Weltkrieg, in dem diese eine wichtige Rolle gespielt haben, schon lange vorüber ist. Auf die Ritchie Boys haben erst jetzt ein Film und ein Buch des Literaturwissenschaftlers und Dokumentarfilmers Christian Bauer aufmerksam gemacht.
Die Ritchie Boys waren junge deutsche, durchweg jüdische Emigranten, die nach ihrer Flucht aus dem Deutschland der Nationalsozialisten im Camp Ritchie in den Blue Ridge Mountains im US-Staat Maryland vom Geheimdienst der amerikanischen Armee in Propaganda und psychologischer Kriegsführung ausgebildet und danach zurück an die Front in Europa geschickt wurden. Sie sollten die psychische Widerstandskraft ihrer einstigen Landsleute und jetzigen Gegner erforschen und lähmen.
Zu den Ritchie Boys gehörten bekannte Leute wie die Schriftsteller Klaus Mann, Stefan Heym und Hans Habe, ferner der Regisseur Hanus Burger, der spätere Literaturprofessor Guy Stern alias Günther Stern aus Hildesheim, Fred Howard aus Berlin, der in seinem ersten Leben Fritz Ehrlicher hieß, Morris Parloff, Rudy Michaels aus Leipzig, Victor Brombert und viele andere. Sie alle waren gut ausgebildet und hochmotiviert. Ihr stärkstes Motiv waren Hass und Wut auf die Nazis. Zuerst wurden die Ritchie Boys im Afrikafeldzug gegen die Armee Rommels eingesetzt, dann bei der Landung in Italien und schließlich nach der Invasion in der Normandie.
Christian Bauer hat einige der heute noch lebenden Ritchie Boys aufgespürt - fast alle haben ein erfolgreiches Berufsleben hinter sich - und erzählt ihre an Abenteuern, Anekdoten und auch komischen Zwischenfällen reiche Geschichte. Dabei lässt er seine Interviewpartner häufig zu Wort kommen.
Christian Bauer / Rebekka Göpfert
Die Ritchie Boys. Deutsche Emigranten beim US-Geheimdienst.
Hoffmann & Campe, Hamburg 2005; 224 S., 19,95 Euro