Schutz von Arbeitnehmern vor optischer Strahlung
Die Debatte über die Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor optischer Strahlung führten die europäischen Abgeordneten streckenweise mit einem Gesprächspartner, der sich gar nicht im Raum befand: den Medienvertretern der Boulevardpresse. Die hatten im Vorfeld über die "Sonnenschein-Richtlinie" gewettert, die es künftig Fußballern untersage, in kurzen Hosen Richtung Gegner-Tor zu stürmen oder Kellnerinnen im Biergarten dazu verdonnern werde, hoch geschlossene Dirndl zu tragen. Nach einer hitzigen Debatte sprachen sich die Abgeordneten am 6. September mit knapper Mehrheit dafür aus, gesamteuropäisch nur Mindestvorschriften für optische Strahlung festzulegen. Bei natürlichen Strahlungen sollen die Mitgliedsstaaten selber darüber entscheiden, welche Verpflichtungen den Arbeitgebern auferlegt werden sollen.
In der aufgeheizten Debatte hatte Verkehrskommissar Jaques Barrot wenig Chancen, mit seinen ruhigen Argumenten für den Vorschlag des Rates zu werben. Neueste Forschungsdaten, so Barrot, machten deutlich, dass künstliche und natürliche Strahlung dem Organismus Schaden zufügen könne. Deshalb sei die Kommission verpflichtet, für künstliche Strahlenquellen entsprechende Grenzwerte festzulegen. Zusätzlich sei es aber wichtig, die Arbeitnehmer über die Gefahren der natürlichen Sonneneinstrahlung aufzuklären und ihnen einfache und angemessene Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen.
Das polemische Begleitkonzert der Medien übertönte fast die Argumente, die von Abgeordneten für die neue Arbeitsschutz-Richtlinie vorgebracht wurden. Der ungarische Konservative Csaba Öry, der für den Parlamentsbericht verantwortlich zeichnet, erinnerte daran, dass schon die Römischen Verträge festschreiben, dass neben den Mitgliedsstaaten die Gemeinschaft für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständig sein solle.
Eine entsprechende Rahmenrichtlinie, die die Verantwortung des Arbeitgebers für Risikoprävention und die Gesundheit der Mitarbeiter festlegt, gibt es seit 13 Jahren. Seither sind für den Schutz vor Vibrationen, Lärm und elektromagnetischen Strahlungen bereits EU-Vorschriften erlassen worden. Das Gesetz über optische Strahlung soll das Paket nun abrunden.
Viele Abgeordnete wiesen in der Debatte auf die Gefahren hin, denen im Freien arbeitende Menschen ausgesetzt sind. Der britische Labourabgeordnete Stephen Hughes sagte, in Großbritannien habe sich die Hautkrebsrate seit den 80er-Jahren verdoppelt und liege nun höher als in Australien.
Die deutsche Sozialdemokratin Karin Jöns erinnerte daran, dass die CDU/CSU-Abgeordneten den drei anderen Richtlinien zum Arbeitsschutz zugestimmt hätten. In Bezug auf die natürliche Strahlung werde dem Arbeitgeber in dem neuen Gesetz vor allem eine ausführliche Information seiner Mitarbeiter über die Risiken abverlangt.
Die liberale Fraktion, die Christdemokraten und die Konservativen sehen aber genau darin eine Bevormundung des einzelnen Bürgers, der sich selber um seine Gesundheit kümmern solle. "Nanny type regulation" - Babysitter-Richtlinie nannte die irische Konservative Avril Doyle den Ansatz von Rat und Kommission. Und die Liberale Elizabeth Lynne sagte, sie habe den Abschnitt über Sonneneinstrahlung im Gesetzentwurf zunächst für einen Witz gehalten. "So machen wir uns in der Öffentlichkeit lächerlich. Dieses Bemuttern geht zu weit."
Örys Vorschlag, die Richtlinie im Kern nicht zu verändern, die Details für den Schutz vor natürlicher Strahlung, sprich Sonneneinstrahlung, aber dem nationalen Gesetzgeber zu überlassen, stieß im Parlament auf geteiltes Echo. Während einige Konservative einen völlig neuen Vorschlag mit mehr Spielraum verlangt hatten, wollten die Grünen und einige Sozialisten auch natürliche Strahlung in der Richtlinie berücksichtigt sehen. Am Ende stimmte eine knappe Mehrheit für Örys Entwurf. Viele Abgeordneten hatten den Wunsch, die "Sonnenscheinrichtlinie" endlich aus den Schlagzeilen zu holen und sich weitere hämische Kommentare über die Eulenspiegeleien der Brüsseler Bürokraten zu ersparen. Der Rat hat nun drei Monate Zeit, Stellung zu nehmen. Stimmt der Rat nicht zu, beginnt ein Vermittlungsverfahren.