Nachfolger für Menschenrechtskommissar des Europarates gesucht
Nicht nur die schiere Zahl sorgt für Aufsehen: Neun hochkarätige Bewerber wollten zum neuen Menschenrechtskommissar des Europarats gekürt werden, ein Kandidaten-Rekord. Einen solchen Ansturm auf ein Wahlamt gab es in der 56-jährigen Geschichte des Staatenbunds noch nie. Bedeutsamer noch ist die politische Botschaft dieses Machtkampfs: Offenbar verleiht das Engagement für Freiheitsrechte inzwischen auf der internationalen Bühne Renommee - das Interesse an der Funktion wächst. Zu den Leidtragenden der harten Konkurrenz gehört indes auch ein Deutscher: Rudolf Bindig, Leiter der Bundestagsdelegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, schaffte es nicht in die Endrunde mit drei Bewerbern.
Der Schwede Thomas Hammarberg, der Pole Marek Antoni Nowicki und der Belgier Marc Verwilghen treten an, wenn Anfang Oktober die Volksvertretung des Staatenbunds den Menschenrechtskommissar und damit den Nachfolger des Spaniers Alvaro Gil-Robles bestimmt. Sechs Wahlgänge waren nötig, bis sich das Ministerkomitee hinter verschlossenen Türen für diese Dreierliste entschied. In dieses Gremium entsenden die Außenministerien der 46 Mitgliedsnationen des Europarats ihre Straßburger Botschafter.
Hammarberg managt als Generalsekretär das Olof-Palme-Center in Stockholm. Nowicki hat sich einen Namen als UNO-Ombudsmann im Kosovo gemacht. Überraschend mutet der Erfolg des belgischen Wirtschaftsministers Verwilghen an, der auf diesem Politikfeld international bislang nicht in Erscheinung getreten ist.
Durch den Rost gefallen sind im Ministerkomitee Paavo Nicola (Finnland), Jenö Kaltenbach (Ungarn), Elmira Suleymanova (Azerbaidschan), Nils Muiznieks (Lettland) sowie der Belgier Pierre-Yves Monette - und eben Rudolf Bindig. Der SPD-Politiker hatte sich Chancen ausgerechnet, zumal er sich anders als die Konkurrenten beim Europarat selbst mit seinem Einsatz für Menschenrechte in der Parlamentarischen Versammlung profiliert hat. Vor allem Bindigs Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sorgten für Furore, auch seine Kritik am autokratischen Herrschaftssystem des russischen Präsidenten Wladimir Putin schlug Wellen. Gerade solche Vorstöße weckten aber offenbar im Ministerkomitee auf russischer Seite Vorbehalte gegenüber seiner Kandidatur. Zudem sollte nach dem mehrheitlichen Willen des Gremiums niemand aus den Reihen des Parlaments Kommissar werden - wobei es Bindig wenig nutzte, dass er vom Berliner Außenministerium und nicht von der Straßburger Deputiertenkammer vorgeschlagen worden war.
Ob Hammarberg, Nowicki oder Verwilghen siegt: Der neue Menschenrechtsbeauftragte soll, so verbreitete Hoffnungen im Palais de l'Europe, mehr öffentliche Wirksamkeit entfalten. Alvaro Gil-Robles agierte seit 2000 eher im diplomatischen Hintergrund. Der Kommissar hat die Aufgabe, in den Mitgliedsstaaten Grundrechtsverletzungen zu erkunden, Berichte zu erstellen und bei nationalen Regierungen auf Abhilfe zu dringen. Der Amtsinhaber hat freilich keine exekutiven Kompetenzen und kann deshalb nichts anordnen. Umso mehr ist er darauf angewiesen, seinem Auftrag politisch-medial Nachdruck zu verschaffen.
Allerdings spielt sich die Kür des Nachfolgers von Gil-Robles beim Europarat selbst hinter diplomatischen Kulissen ab. Auch bei der Wahl im Parlament werden sich Hammarberg, Nowicki und Verwilghen im Plenum nicht öffentlich vorstellen, nur der Menschenrechtsausschuss wird sich zuvor intern ein Bild von den Kandidaten machen. Im Plenum wird es jedoch keine Debatte über deren Konzepte geben.