Zwischen neugierigen Fragen und Bierzeltgeklatsche - Der Bericht über den Talk im Tränenpalast
Zwischen neugierigen Fragen und Bierzeltgeklatsche
Talk mit jungen Abgeordneten im Tränenpalast
|
|
Diskussion mit jungen Abgeordneten im Tränenpalast |
|
Locker. Erstaunlich locker sind die vier Abgeordneten, die da im Tränenpalast auf der Bühne stehen. Das sollen echte Politiker sein? Viele Teilnehmer sind positiv überrascht, denn die vier eingeladenen Abgeordneten Daniel Bahr (FDP), Sabine Bätzing (SPD), Anna Lührmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Marco Wanderwitz (CDU) wollen so gar nicht ins graumelierte Politiker-Klischee passen. "Hier stehen echte Menschen mit eigenen Meinungen abseits von Parteipolitik", findet zum Beispiel Mike Ulbricht aus Nordrhein-Westfalen. Obwohl er Vorsitzender der Bezirks-Schüler-Union ist, imponiert ihm "der FDP-Mann" am meisten. Denn Daniel Bahr sei am authentischsten: "Das ist nicht der Typ, der sich einschleimen muss, der widerspricht auch mal. Anders als viele Politiker, die leider häufig im Wahlkampf eine Meinung äußern, die sie eigentlich gar nicht vertreten."
Am neugierigsten sind die meisten Teilnehmer auf Anna Lührmann. In den Erwartungen an die jüngste Abgeordnete aller Zeiten spiegelt sich Bewunderung, aber auch Skepsis. Mit entsprechend kritischen Fragen wird sie konfrontiert: "Wie kannst du über Arbeitspolitik entscheiden, wenn du noch nie gearbeitet hast?" "Ein bisschen Abstraktionsfähigkeit und intellektuelle Fähigkeiten gehören zum Job dazu", kontert sie. Daniel Bahr ergänzt, dass niemand es schaffe, sich in jeden Gesetzesentwurf einzuarbeiten. "Man braucht vor allem gute Mitarbeiter."
|
|
Mehr als nur Pausenmusik: Latin Spectrum im Tränenpalast |
|
Einigen im Publikum ist scheinbar zu wenig Stimmung im Saal. Sie lassen es sich nicht nehmen, ihre jeweiligen Parteipolitiker lautstark zu bejubeln, andere hingegen zu bejohlen und in plumpes Bierzeltgeklatsche zu verfallen. Bei soviel Stammtisch-Getue verdrehen einige Anwesende nur genervt die Augen. Mario Kasselmann aus Niedersachsen findet, dass Seitenhiebe zum politischen Geschäft gehören. "Klar ist das von den Großen abgeschaut, aber solange die inhaltliche Diskussion nicht auf der Strecke bleibt und niemand beleidigend wird, ist das ok."
Hier im Tränenpalast, wo einst getrennt wurde, was zusammengehört, sind Jungpolitiker auf der Suche nach der gemeinsamen Position, nach parteiübergreifenden Gemeinsamkeiten. "Gibt es welche?" will Benjamin Schnürer aus Baden-Württemberg wissen. In der Tat: Deutschland 2020 heißt ein Papier für mehr Generationengerechtigkeit, das von den jungen Gruppen der CDU-, FDP- und Grünen-Fraktion erstellt wurde. "Das Papier gibt es", sagt Daniel Bahr, "weil die über Fünfzigjährigen oft Entscheidungen treffen, die zu unseren Ungunsten ausfallen.“ Auch Marco Wanderwitz meint, dass "die Generation vor der Rente zu stark vertreten ist". Sabine Bätzing glaubt, "dass solche Papiere eher weichgespült sind, weil man zwar im Groben in eine Richtung zielt, jedoch im Detail sich die parteipolitischen Unterschiede bemerkbar machen."
Die Sommerpause haben die Abgeordneten sehr unterschiedlich genutzt. Anna Lührmann hat Low-Budget Urlaub in Italien gemacht: "Obwohl man da ja eigentlich nicht hinfahren sollte." Sabine Bätzing hat geheiratet: "Das kann ich nicht in jeder Sommerpause wiederholen, aber die zehn Tage Urlaub ohne Handy waren toll." Marco Wanderwitz hat die sitzungsfreie Zeit genutzt, um mit einem CDU-Stand durch Sachsen zu ziehen: "Die Leute haben mich gefragt: 'Was stehst du denn jetzt schon wieder hier, ist doch gar kein Wahlkampf.' Aber ich finde es wichtig, sich mit den Problemen der Menschen zu beschäftigen, die mich gewählt haben." Als Daniel Bahr erklärt, dass er in diesem Jahr auf seinen Urlaub verzichtet hat, um zu seinem alten Beruf zurückzukehren, gibt es Beifall: "Ich will mir mein berufliches Standbein erhalten, um mir so die Unabhängigkeit zu bewahren." Andreas Hofmann aus Bamberg fühlt sich bestätigt. Er selbst kann sich durchaus vorstellen, selbst einmal in den blauen Sesseln im Plenarsaal Platz zu nehmen. "Allerdings erst in einigen Jahren. Ersteinmal mache ich meine Ausbildung im öffentlichen Dienst, dann will ich ein paar Jahre arbeiten und Lebenserfahrung sammeln." Auch Mike findet diese Einstellung toll: "Man sollte jederzeit zu seinem Beruf zurückkehren können. Sonst klebt man am Stuhl und redet den Leuten nach dem Mund."
kn
Für alle offenen Fragen, für die am Sonntagabend leider keine Zeit mehr blieb, schickt einfach eine E-Mail an die jungen Abgeordneten:
anna.luehrmann@bundestag.de
marco.wanderwitz@bundestag.de
daniel.bahr@bundestag.de
sabine.baetzing@bundestag.de