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„Hammelsprung“ auf Singhalesisch



















Sprachliche Dienste im Bundestag

Wenn ein Abgeordneter einen Dolmetscher braucht oder ein Ausschuss die Übersetzung eines fremdsprachigen Zeitungsartikels, dann gibt es im Parlamentsviertel eine gute Adresse: den Sprachendienst des Deutschen Bundestages. Seine Mitarbeiter navigieren das Parlament durch das vielstimmige Sprachengewirr der Welt und bieten neuerdings einen wertvollen Dienst im Internet: ein Fachwörterbuch rund um das Parlament.

Die 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sprachendienstes sitzen in einem repräsentativen Altbau, in dem einst das Kaiserliche Patentamt untergebracht war, und haben alle Hände voll zu tun: 1.800 Übersetzungsaufträge von wenigen Zeilen bis zu 300 Seiten und rund 600 Dolmetschaufträge gehen hier jährlich ein. Meist vermitteln die Sprachartisten zwischen Deutsch und Englisch. Daher sind im sechsköpfigen Übersetzerteam auch zwei englische Muttersprachler. Denn übersetzt wird grundsätzlich nur in die eigene Muttersprache. „Das ist eine Frage der Qualität“, sagt die Leiterin des Sprachendienstes, Sylvia Hofheinz. „Denn Qualität ist das oberste Gebot, um dem hohen Anspruch des Parlaments gerecht zu werden.“

Bestens qualifiziert müssen alle Mitarbeiter sein, die den Sprachendienst unterstützen. Vor allem dann, wenn Sprachen gefragt sind, die die Übersetzer und Dolmetscher des Sprachendienstes selbst nicht beherrschen. Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch? Kein Problem. Aber wer spricht schon fließend Singhalesisch oder Khasi. Dann werden auch die Sprachendienste anderer Behörden oder freie Übersetzer um Hilfe gebeten.

Einen Trumpf hat der Sprachendienst des Bundestages zu Beginn dieses Jahres aus dem Ärmel gezogen: Die Terminologiedatenbank mit mehr als 60.000 Einträgen in Deutsch, Englisch und Französisch ist nun im Internet zugänglich. Für alle, die nach parlamentarischen und politischen Begriffen suchen oder in den Bereichen Wirtschaft, Recht und Umwelt arbeiten, ist das eine große Hilfe. Denn mit ein paar Klicks im Internet lassen sich jetzt Fachbegriffe wie „Hammelsprung“ oder „Ausschussvorsitzender“ problemlos im offiziellen Sprachgebrauch übersetzen.

Datenbank statt Karteikasten

Seit 1989 wird die Terminologiedatenbank geführt, seit 2006 steht sie auf www.bundestag.de jedem zur Verfügung, auch auf den ausdrücklichen Wunsch der Länderparlamente. Für die Terminologin und Übersetzerin Claudia Eichert-Schäfer ist das ein schöner Erfolg. Denn die Datenbank ist ihr „Baby“, wie sie sagt. Seit 1988 ist sie als Terminologin dabei und hat mit anderen Übersetzern die Datenbank aufgebaut. Heute sitzt sie in einem hellen Büro, das zwei selbst gezogene Bananenbäume von den Kanarischen Inseln zieren. „Früher sammelte jeder für sich die Begriffe nur auf Karteikarten oder Listen“, sagt sie. „Da hatten es vor allem neue Übersetzer schwer, auf die Schnelle die richtige Übersetzung zu finden.“ Die Datenbank macht jetzt vieles leichter.

Neben den Informationsbroschüren und Veröffentlichungen, die der Bundestag herausgibt, wird hier eine Vielzahl von Dokumenten übersetzt. Meist wenden sich Abgeordnete mit Übersetzungsaufträgen an den Sprachendienst. Aber auch die Ausschüsse, Enquete-Kommissionen oder das Bundestagspräsidium fragen regelmäßig an. Das heißt, dass nicht nur verschiedene Textarten anfallen wie Reden, Korrespondenzen, parlamentarische Anträge, Zeitungsartikel oder Broschüren über die parlamentarische Arbeit, die jeweils einen eigenen Sprachduktus haben. Auch die Fachgebiete sind sehr unterschiedlich und setzen sehr spezielle Kenntnisse voraus.

Für diese Aufgabe stehen dem Sprachendienst ausgezeichnete Recherchemöglichkeiten zur Verfügung, neben der Terminologiedatenbank auch das Intranet des Bundestages, die Parlamentsbibliothek und die Pressedokumentation. Ein wichtiges Hilfsmittel ist auch das Internet und die Suchmaschine Google. „Ich frage mich manchmal, wie wir früher ohne Google arbeiten konnten“, sagt Alexander Wood, der als Dolmetscher beim Sprachendienst arbeitet. Viele Fachbegriffe sind in Wörterbüchern kaum zu finden. Da ist die schnelle Recherche im Netz nach der richtigen Verwendung eines Begriffs sehr hilfreich. Aber trotz aller technischen Hilfe: Übersetzt wird von Menschen, maschinelle Übersetzungen gibt es hier nicht.

Der Sprachendienst versteht sich als Dienstleister. Umso mehr freuen sie sich, wenn sich Abgeordnete für die Arbeit persönlich bedanken. Das gilt natürlich auch für die Dolmetscher, die wegen der vielen internationalen Aktivitäten des Parlaments und seiner Abgeordneten immer gefragter sind. Beim Sprachendienst arbeiten eine Dolmetscherin für Französisch und zwei Dolmetscher für Englisch. Sie werden zum Beispiel bei Besuchen ausländischer Parlamentspräsidenten und Parlamentarier oder bei Auslandsreisen der Abgeordneten eingesetzt.

Präsenz und Sprachkompetenz

„Dolmetschen bei offiziellen Anlässen erfordert viel Einfühlungsvermögen“, sagt Alexander Wood, der auch schon für die Queen gedolmetscht hat. „Ein Dolmetscher muss immer präsent sein, sich gleichzeitig aber sehr zurücknehmen.“ Bei Gesprächen im kleineren Kreis, bei Arbeitsessen und bei Reisen können oft keine Dolmetscherkabinen aufgebaut werden. Oder sie sind wegen der Atmosphäre nicht gewünscht. Dann sitzt der Dolmetscher in der Nähe des Redners, notiert das Gesagte und gibt es anschließend wieder. Konsekutivdolmetschen heißt das. „Für den Dolmetscher ist das sehr schön“, sagt Wood, „denn er ist nah am Geschehen dran.“

Näher dran als beim Simultandolmetschen. Denn hier arbeitet der Dolmetscher in einer schalldichten Kabine. Hoch konzentriert ist diese Arbeit. Der Redner im Saal spricht in ein Mikrofon, der Dolmetscher empfängt das gesprochene Wort über seinen Kopfhörer und überträgt es simultan in eine andere Sprache. Er übersetzt und muss mit einem Ohr schon wieder beim Redner sein.

Ähnlich wie die Stenografen im Plenarsaal, die jedes Wort und jeden Zwischenruf mitschreiben, müssen auch Simultandolmetscher regelmäßig Pausen machen. Aus diesem Grund sind zwei Dolmetscher im Einsatz, bei mehrstündigen Veranstaltungen häufig sogar drei. Der Dolmetscher muss dabei nicht nur über eine sehr hohe Sprachkompetenz verfügen, sondern auch über eine große Belastbarkeit.

Aber nicht immer ist ein Dolmetscher für jede Sprachkombination zur Hand. „Finden Sie mal jemanden, der vom Finnischen ins Slowakische übersetzen kann. Hier müssen wir den Umweg über die Relaissprache Englisch nehmen“, sagt Wood. Das ist nicht die beste Lösung. Aber häufig geht es nicht anders.

Sprach- und Organisationstalent sind auch im nächsten Jahr gefragt, wenn im Bundestag die COSAC, die Konferenz der Europaausschüsse der EU-Parlamente und des Europäischen Parlaments stattfindet. Dann müssen alle zwanzig EU-Sprachen verfügbar sein und pro Sprache zwei bis drei Dolmetscher, die sich im 30-Minutentakt abwechseln. Unter Dolmetschern spricht man in diesem Fall von einem „Vollsprachenregime“. Die Konferenz wird einen Eindruck geben vom Sprachengewirr der Welt. Aber der Sprachendienst wird die Abgeordneten aus aller Herren Länder sicher durch die Sprachen der Europäischen Union navigieren.

Text: Georgia Rauer
Fotos: Anke Jacob
Erschienen am 10. April 2006

Weitere Informationen:

Die Terminologiedatenbank

Wie heißt der „Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung“ auf Englisch? Was bedeutet „politique d‘implantation industrielle“? Die kürzlich ins Netz gestellte Terminologiedatenbank des Sprachendienstes des Bundestages stellt eine Vielzahl von Begriffen aus dem politisch-parlamentarischen Umfeld bereit. Fachausdrücke können in Deutsch, Französisch und Englisch recherchiert und übersetzt werden. Weil in Zeiten der ständig wachsenden internationalen Verflechtung die Qualität der Übersetzungen eine immer größere Rolle spielt, stellt der Sprachendienst seine Datenbank im Internet jedem zur Verfügung. Enthalten sind vor allem parlamentarische Begriffe, aber auch Begriffe aus Wirtschaft, Recht, Verteidigung, Gesundheit, Landwirtschaft, Soziales und Umwelt.

Webseite: tms.bundestag.de


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