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Petra Pietsch und Matthias Ebert arbeiten beim Parlamentsfernsehen. Während die einen regieren, führen sie Regie. Ein toller Job.
„Warten Sie mal“, sagt der freundliche Mann und schiebt ein Stück Kulisse in den großen Abstellraum. „Ich bringe Sie zu Petra und Matthias. Muss nur noch die Reste von Maischberger ...“
Das klingt unverständlich und freundlich zugleich. Man wartet, bis die Reste von Maischberger verstaut sind. Gestern Abend war Aufzeichnung im TV-Studio des Parlamentsfernsehens, das vom Bundestag auch an politische Magazine vermietet wird. Dass Sandra Maischberger hier sitzt, wenn sie mit ihren Gästen diskutiert, wusste man nicht. Aber gut vorstellen kann man sich das – schließlich sieht es hier schon auf den ersten Blick professionell und modern aus. Vor allem das Studio. Hut ab, denkt man und hofft auf einen kleinen Rundgang. Moderne Übertragungstechnik lässt auch ein Laienherz höher schlagen.
Petra Pietsch und Matthias Ebert führen Regie. So könnte man es beschreiben. Sie sind zwei von fünf Menschen, die das Parlament ins Fernsehen bringen. Eine schöne Aufgabe. Und eine anspruchsvolle. Eine, die Spaß mache, sagen beide.
Petra Pietsch öffnet die Tür zum Studio, in dem gestern noch Sandra Maischberger saß und das nun groß und leer und sehr beeindruckend wirkt. 100 Quadratmeter Nutzfläche, hellgrauer Acrylfußboden, doppelflügelige Studiotore, an drei Seiten umlaufende Opera-Folie mit Hinterleuchtung, drei Seiten Vorhang Molton schwarz, eine Seite Bluebox- Vorhang, Lichttechnik vom Besten an neun quer laufenden Schienen fünf Meter überm Boden, vier große Kameras, drahtlose Mikrofonanlage, Studiomonitore, Uhrendisplays, Teleprompter. Da steht man hier nun in der Mitte und Matthias Ebert lässt den einen und den anderen Scheinwerfer aufleuchten und man kann sich plötzlich vorstellen, woher der Begriff Lampenfieber kommt. Und wie es aussehen würde, wenn hier jetzt Fred Astaire und Ginger Rogers unter der Lichtregie von Matthias Ebert über den Fußboden schwebten. Großartig.
Petra Pietsch, 52 Jahre, dunkelhaarig, freundlich lächelnd, setzt sich vor die weiße Studiowand auf einen Stuhl und kann alles erklären. Wenn man möchte. Matthias Ebert weiß genauso gut Bescheid, auch wenn er ein paar Jahre jünger ist. Beide sind Fernsehprofis und so, wie sie erzählen und erklären, ein eingespieltes Team.
Aufbaujahre im Traumberuf
Petra Pietsch hat alles von der Pike auf gelernt. 1969 fing sie beim DDR-Fernsehen an. Da bekamen die Bilder gerade Farbe und die Aufzeichnungstechnik war riesig. Bilder wurden auf Zwei-Zoll-Bänder gebannt. Petra Pietsch wurde Facharbeiterin für Funktechnik und arbeitete in Berlin-Adlershof für verschiedene Sendungen als MAZ-Technikerin. MAZ steht für magnetische Aufzeichnung. Damals gab es den Beruf des Cutters noch nicht, aber natürlich wurden Sendungen und Filme geschnitten und montiert, bevor es „MAZ ab“ hieß. Das hat Petra Pietsch gemacht, es war ihr Traumberuf. Und weil sie gut war und besser werden wollte, hing sie noch ein Studium der Elektrotechnik und Elektronik dran. Da waren die zwei Kinder schon auf der Welt und die wohl beliebteste Sendung des DDR-Fernsehens hieß „Ein Kessel Buntes“.
Nach dem Studium ging Petra Pietsch wieder zurück nach Adlershof, wurde Schichtleiterin, erlebte noch Geburt und Aufstieg des Jugendfernsehens der DDR und blieb bis 1991. Sie war bestens ausgebildet für die neuen Zeiten, aber erst einmal wurde sie, wie das ganze DDR-Fernsehen, abgewickelt. Die Welt hatte sich mehr als einmal gedreht. Petra Pietsch machte das Beste daraus und eine Fortbildung zur Cutterin. Als sie fertig war, stand eine Stellenanzeige in der Zeitung. Gesucht wurde ein Produktionsingenieur für das Bundestagsfernsehen. In Bonn. Das war 1993 und Petra Pietsch dachte: „Das klingt doch, als wäre es was für mich.“
Noch kurz zuvor gab es im Bonner Plenarsaal nur eine fest installierte Kamera, die war auf das Rednerpult gerichtet und zeichnete jedes dort gesprochene Wort auf. Petra Pietsch kam mitten in die Aufbauphase des richtigen Bundestagsfernsehens. Ein Schnittplatz wurde installiert, mehr Kameras kamen in den Plenarsaal, bewegliche Kameras, die mehr Bilder lieferten und von der Regie aus mit Joysticks bedient werden konnten. Man konnte nun auch das Plenum sehen, die Regierungsbank, die Besucher. Aufbaujahre seien immer gute Jahre, sagt Petra Pietsch. Als sie nach Bonn ging, war schon klar, dass sie wieder zurückkommen würde nach Berlin. Gut so, denn sie ist Brandenburgerin, in Kyritz geboren.
1996 kam Matthias Ebert als 29- Jähriger in den Deutschen Bundestag nach Bonn. Im Referat für Konferenztechnik sorgte er unter anderem dafür, dass die Abgeordneten im Plenarsaal zu hören waren, wenn sie das Wort ergriffen. Matthias Ebert ist in Goslar aufgewachsen und wie Petra Pietsch hat er seinen Wunschberuf erlernt: Facharbeiter für Radio- und Fernsehtechnik. In den ersten Jahren nach der Ausbildung hat er Fernseher und Radios repariert. Dann folgte eine Ausbildung zum Ingenieur für Fernsehtechnik an der Fachhochschule in Wiesbaden. Matthias Ebert wurde Fachmann für Übertragungstechnik. Das ist einer, der dafür sorgt, dass die Bilder ins Wohnzimmer kommen. Auch er hatte sich 1996 auf eine Stellenanzeige des Bundestages beworben und es nicht bereut, als es dann so schnell klappte.
Im Jahr 1999 wurde sein erstes Kind geboren und seit Dezember 2000 arbeitet er beim Parlamentsfernsehen. Nun ist er in einem der modernsten Studios der Hauptstadt und macht Fernsehen auf vier Kanälen.
Der erste Kanal wird ständig bespielt. In Sitzungswochen mit der Übertragung von Plenardebatten, Ausschusssitzungen oder öffentlichen Anhörungen, sonst mit Wiederholungen. Dieser Kanal, den alle Abgeordneten und Mitarbeiter des Bundestages in ihren Büros empfangen, der über große Leinwände in den Häusern des Bundestages flimmert, wird ins Kabelnetz der Telekom eingespeist und geht per Bund TV über Satellit.
Parlamentsfernsehen ist Dienstleistung für die Abgeordneten, die Ausschüsse und die Fraktionen. Abgeordnete können kommen und sagen, diese und jene Sitzung, Anhörung, Veranstaltung soll übertragen werden. Viele Räumlichkeiten in den Häusern des Bundestages sind mit entsprechender Technik ausgerüstet, entweder komplett mit Kameras oder zumindest mit den notwendigen Anschlüssen.
Arbeiten wie im Raumschiff
Vier Kanäle gibt es, in die eingespeist werden kann, das bedeutet, es gibt vier Regieräume. Ein solcher Regieraum ist mindestens genauso beeindruckend wie das Studio. Meterlange Schaltpulte, dutzende Monitore an der Wand, Bildmischer, Schriftgeneratoren, Bildspeicher, digitale Effektgeräte.
In einem Regieraum sitzt man wie in einem Raumschiff. Petra Pietsch und Matthias Ebert bewegen sich hier wie andere wahrscheinlich am heimischen Herd. Sie wissen, was nach jedem Knopfdruck passiert, können behutsam mit dem Joystick die Kameras führen, erklären, was dieses und jenes bedeutet und wofür ein Gerät da ist.
Alles, was hier aufgezeichnet wird, geht ins Archiv des Bundestages, hunderte, tausende Stunden Material lagern dort. Eine Abgeordnete könnte darum bitten, ihre erste Rede im Deutschen Bundestag als Kopie zu bekommen oder die Aufzeichnung einer ganzen Plenardebatte. Jeder Schatz kann gehoben werden. Das gilt auch für professionelle Anbieter, die Sendungen produzieren und dafür Bild- und Tonmaterial brauchen. Wenn sie wollen, können sie es haben – so wird Dienstleistung verstanden. Es gibt einen Vertrag mit dem Studio Berlin- Adlershof, um verschiedene Sendeformate in den Räumen des Parlamentsfernsehens aufzuzeichnen. Und wer auf die Homepage des Bundestages geht, kann sich das Programm der Web-TV-Übertragungen anschauen und Material bestellen. Zum Beispiel das im Studio geführte „Streitgespräch Blickpunkt Bundestag“.
Petra Pietsch und Matthias Ebert sind stolz auf alles. Sie haben die Abläufe mitgestaltet, die Ausstattung und die technische Qualität der Angebote mitbestimmt. Auch wenn die Aufgaben in Sitzungswochen immer ähnlichen Plänen folgen, sind doch die Inhalte immer neu und die Anforderungen wachsen und die Möglichkeiten auch. Außerdem mache es, so sagen beide, großen Spaß, in einem kleinen, aber netten und sehr professionellen Team zu arbeiten, das aus ihnen, Andreas Bansen, Rainer Miericke und Frank Ziegenbein bestehe und bestens aufeinander eingespielt sei.
Das alles war zu Zeiten, als die beiden noch in den unterschiedlichen Teilen des Landes vor dem Fernseher gesessen haben, nicht vorstellbar. Da guckte die eine am liebsten die samstägliche Kindersendung mit Professor Flimmrich, mochte Pittiplatsch und Schnatterinchen, während der andere auf Pan Tau stand und die Kinderserie „Wickie und die starken Männer“ liebte. Und niemand konnte ahnen, dass beide irgendwann einmal zusammen Fernsehen machen.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 10. April 2006
Parlamentsfernsehen im Internet:: www.bundestag.de/bic/webTVLink.html