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Streiten - Peter Ramsauer und Gregor Gysi

Peter Ramsauer (CDU/CSU).
Peter Ramsauer (CDU/CSU).

Gregor Gysi (Die Linke.).
Gregor Gysi (Die Linke.).

Es den alten Hasen zeigen
Peter Ramsauer, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe

Ich bin ein streitbarer Mensch. Aber kein Streithansel, darauf lege ich Wert. Ein risikofreudiger Typ, manchmal ein wenig grob. Aber nur, wenn es sein muss. Immer aber geradeheraus und nicht nachtragend, wenn die Auseinandersetzungen oberhalb der Gürtellinie bleiben.

In der Politik ist es selbstverständlich und unverzichtbar, um Lösungen zu streiten. Fast nichts liegt schon als Konsens auf dem Tisch. Menschen, die um gute Lösungen streiten können, sind nach meiner Erfahrung auch gute Politiker. Die Fähigkeit, mit klugen Argumenten zu debattieren, hebt sie heraus.

Wenn sie dann noch durchsetzungsfähig sind, kann das für die parlamentarische Demokratie nur gut sein.

Ich habe sehr früh streiten gelernt und Streit als produktiv erfahren. Ein Lehrer hat mein Interesse an guter Streitkultur geweckt, am Kampf der Argumente, an der Auseinandersetzung in der Sache. Und dann probiert man das halt aus, als 18- oder 19-Jähriger. Man versucht, so wie ich in der Jungen Union, den alten Parteihasen zu zeigen, wo es lang geht. Das geht natürlich nicht immer zu den eigenen Gunsten aus, wenn man da als Heißsporn einfach loslegt, ohne viel Rücksicht auf Verluste zu nehmen. Aber wenn ich heute von Jüngeren gefragt werde, was man mitbringen oder lernen muss, um gute Politik zu machen, sage ich: Seid keine Duckmäuser, streitet euch, wenn ihr glaubt, die besseren Argumente zu haben. Aber vergesst nicht, dass man für jeden Streit verdammt gute Gründe braucht.

Das ist auch in der parlamentarischen Arbeit so. Natürlich hat sich die Streitkultur, auch im Bundestag, gewandelt. Jede Zeit trägt da ihren eigenen Stempel. Heute sind viele Debatten geglätteter, geschmeidiger vielleicht auch. Das muss man nicht beklagen. Es hat auch etwas mit der medialen Begleitmusik zu tun, mit dem Zeitalter des Politiktalks im Fernsehen, der anderen Öffentlichkeit von politischem Schlagabtausch. Ein Mann wie Gregor Gysi hätte, wenn Sie mich fragen, vor zwanzig oder dreißig Jahren ganz anders auf die Menschen gewirkt. So wie ich auch.

Auch in der Politik bringt jede Zeit ihre eigenen Typen hervor. Einen Wehner oder Strauß wird es heute wohl nicht mehr geben. Aber große Streitdebatten sehr wohl. Wenn ich zum Beispiel an die Diskussion im Bundestag um das Kunstwerk von Hans Haacke „Der Bevölkerung“ denke, das in einem Innenhof des Reichstagsgebäudes zu sehen ist. Da haben wir uns gefetzt, in der Sache und mit großer Vehemenz. Das sind gute Momente der parlamentarischen Demokratie.

Die Junge Union ist mal mit dem Motto angetreten: „Wir wollen unsere Zukunft nicht den anderen überlassen.“ Finde ich gut, diesen politischen Imperativ. Aber wenn man das durchsetzen will, muss man auch gut streiten können.

Mit wem ich gern einmal richtig gestritten hätte? Mit Karl Marx und über das Thema „Soziale Marktwirtschaft“. Doch, das wäre eine großartige Herausforderung. Für uns beide.


Streiten heißt zuhören können
Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion Die Linke.

Ich bin natürlich dafür, dass gestritten wird, schließlich habe ich mich für einen Streitberuf entschieden. Als Rechtsanwalt wird man dafür bezahlt, sich zu streiten. Das gefiel und gefällt mir noch immer. Zumal es in der DDR nur wenige Menschen gab, die öffentlich streiten durften. Man sollte sich immer einig sein, Kritik wurde höchstens intern zugelassen. Als Anwalt aber hatte man die Pflicht zu streiten. Deshalb gab es wahrscheinlich auch keine Anwälte in der Volkskammer. Das hätte gar nicht zur Situation dieser Gesellschaft gepasst.

Ich habe also durch meinen Beruf streiten gelernt. Ich bin zwar kein Mensch, der ständig darauf aus ist, sich zu streiten, aber ich bin ein anspruchsvoller und – wie ich finde – fairer Gegner.

Zu einer Demokratie gehört der öffentliche Streit – sie braucht ihn. Schon allein deswegen, weil auch all jene Menschen überzeugt werden müssen, die nicht unmittelbar mitstreiten können. Sie müssen erfahren, was Politikerinnen und Politiker im Sinn haben, was sie wollen und warum sie es wollen. Sie müssen die Alternativen kennen lernen, um sich eine Meinung bilden zu können. Das ist der Sinn des Streitens in der Politik.

Allerdings finde ich, der neoliberale Zeitgeist hat dazu geführt, dass man sich häufig nur pro forma stritt, im Prinzip aber von vornherein einig war. Daraus entstand eine Art von Streit, die mir überhaupt nicht gefällt: Wenn man einander nicht mehr zuhört und nur noch eingespielten Ritualen folgt. Wenn vorgefasste Meinungen das Nachdenken ersetzen. Ich bin jemand, der zuhören kann. Es ist wichtig für Abgeordnete, dies zu können. Es ist wichtig zu wissen, wo der andere herkommt, und zu akzeptieren, dass er die Welt durch bestimmte Umstände anders sieht als man selbst. Peter Ramsauer und ich beispielsweise wissen voneinander, welche Welten uns trennen. Deshalb können wir uns auf dieser Basis auseinander setzen. Wissen und Zuhören sind wichtig.

Im Deutschen Bundestag zum Beispiel können nicht alle für jedes Thema Experten sein. Sie müssen denen zuhören, die das jeweilige Expertenwissen haben. Es gibt natürlich Themen, da denken alle, sie seien Experten. Mein Vater hat immer gesagt: Bei Handel und Versorgung, Gesundheit und Kultur glauben alle Menschen, dass sie etwas davon verstünden, weil sie einkaufen gehen, schon mal krank und im Kino waren. Keine Gesellschaft ist vor den daraus entstehenden, oft langwierigen Diskussionen gefeit.

Politikerinnen und Politiker aber müssen berechenbar sein, klare Ziele haben, Unterschiede deutlich machen können, logisch sein und akzeptieren, dass es auch andere Interessen als die von ihnen vertretenen gibt. Und wenn sie dann noch ein bisschen Humor haben, Selbstironie, sind sie fast gut. Dann macht es auch Spaß zu streiten.

Und wenn ich sagen soll, mit wem ich mich wirklich gern mal streiten würde: Mit Bill Gates, der erst eine tolle Idee hatte und dadurch viel Geld und Macht bekam. Was passiert dann mit und in einem Menschen?


Weitere Informationen

Peter Ramsauer, Jahrgang 1954, ist Vorsitzender der CSULandesgruppe der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages. Der Müllermeister und DiplomKaufmann ist seit 1990 Bundestagsabgeordneter. Ebenso wie den Streit mag er die Harmonie: Er ist leidenschaftlicher Musikliebhaber.
peter.ramsauer@bundestag.de
www.peter-ramsauer.de

Gregor Gysi, Jahrgang 1948, ist Fraktionsvorsitzender der Fraktion Die Linke. im Deutschen Bundestag. Gemeinsam mit seinem Kollegen Oskar Lafontaine bildet er die Fraktionsspitze. Vor seinem Studium der Rechtswissenschaft hat er eine Ausbildung zum Facharbeiter für Rinderzucht absolviert.
gregor.gysi@bundestag.de
www.gregor-gysi.de

Text: Georgia Rauer |
Erschienen am 10.04.2006

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