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Ein Computer steht in der Ecke, an der Wand hängt ein Plakat vom letzten Beachvolleyball-Turnier. Draußen scheint die Sonne. Eigentlich ein guter Tag, um an den See zu fahren. Michael und Karsten sitzen in ihrem Büro im Monheimer Rathaus und warten auf Florian und Sven. Die wollen gleich vorbeikommen, weil um 18 Uhr der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt tagt. Teilnahme ist Pflicht. Denn Michael, Karsten, Florian und Sven sind Politiker.
Der erste Wahlkampf, das war 1999. Parteigründer Daniel Zimmermann hatte an der Schule den Politikkurs abgewählt, das Fach war ihm zu trocken. Mit aktiver Politik konnte er mehr anfangen. Die CDU am Ort war großzügig und half den jungen Politikern mit alten Wahlplakatständern aus. Eine ernstzunehmende Konkurrenz sah man wohl nicht in der Gruppe Schüler, die an einem Winterabend 1998 aus einer Laune heraus die Sache mit der Parteigründung verabredet hatte.
Aber die ungewöhnliche Idee beförderte sie geradewegs in die ehemalige Besenkammer des Rathauses. Denn die Partei Peto, lateinisch für „ich fordere“, schaffte es auf Anhieb in den Stadtrat. Im Rathaus war man darauf überhaupt nicht vorbereitet. Da alle Büroräume an die etablierten Parteien vergeben waren, nahmen Peto eben den kleinen Wirtschaftsraum in Beschlag.
Viele Mitschüler hatten ihr Kreuz bei den „jungen Wilden“ gemacht. In Nordrhein-Westfalen können schon 16-Jährige bei den Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Eine Amtszeit und eine Wahl später ist klar: Die Jugendpartei ist keine Eintagsfliege. Den Stimmenanteil konnten die Petos bei der letzten Wahl 2004 fast verdreifachen – von 6,1 auf 16,6 Prozent. Das hat nicht nur die CDU-Regierung der 43.000-Einwohner-Stadt das Staunen gelehrt.
Auch für die Kollegen von der FDP sind neue Zeiten angebrochen. Denn nun sitzen sie, die Monheimer Liberalen, in der ehemaligen Besenkammer. Peto hat aufgrund des Wahlerfolgs ein größeres Büro bekommen. Hier haben alle sechs jungen Ratsherrn sowie die eine Ratsfrau ausreichend Platz, um ihre Politik zu machen.
„Das kostet mehr Zeit als ein Nebenjob“, sagt Karsten, der gerade sein Abitur bestanden hat. Er gehört zu denen, die Politik schon immer interessiert hat. Der 19-Jährige war Spitzenkandidat bei der letzten Wahl. Michael, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, ist gelernter Industriekaufmann und hat schon vier Peto-Jahre auf dem Buckel. Für die Jugendpartei ist der 23-Jährige ein alter Hase.
Nach dem Wahlerfolg 2004 hätten die Politiker im Ort verhalten reagiert, erzählt Michael. „Die haben gesagt, unsere Wähler seien Protestwähler“, berichtet er lächelnd. „Es gab aber auch einfach sehr viel Frust“, ergänzt Karsten. So hätten die Grünen nur 6,3 Prozent geholt – im Kreis liegen sie bei über zehn Prozent. Peto hingegen hat Stimmen gewonnen. Und das nicht nur durch Protestwähler, sagt Michael. Vor allem Erstwähler hätten Peto gewählt – und ältere Leute, die sich von den Etablierten nicht mehr vertreten sahen.
Weil Peto eine Jugendpartei ist, fordern die Petos im Monheimer Stadtrat Dinge, die sich junge Menschen wünschen: Mehr Sportmöglichkeiten mehr Jugendcafés und Buslinien, mit denen man am Wochenende und am Abend in die umliegenden Städte Köln, Düsseldorf oder Leverkusen gelangt.
Die Themen der Jungpolitiker gehen aber auch Eltern etwas an. Denn auch sie wollen, dass ihre Kinder einen Platz zum Fußballspielen haben oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Disco nach Hause kommen. Drittstärkste Partei durch Protestwähler? Das glaubt auch die Lokalpresse in Monheim nicht so ganz.
Der größte Kampf derzeit gilt dem Heinrich-Heck-Stadion: Die Stadt möchte das Gelände bebauen. Aber Peto ist dagegen – denn dort, im Süden der Stadt, gibt es sonst keinen öffentlichen Platz für Sport. Bisher konnte Peto gegenhalten und die Chancen, die Sportstätte zu erhalten, stehen nicht schlecht. Durchgesetzt hat die Jugendpartei mittlerweile auch ein Projekt, das noch aus dem allerersten Wahlprogramm stammt: die Einrichtung eines Jugendcafés.
Macht Peto etwas anders als die anderen Parteien? Michael antwortet mit einem Spruch, den schon die Grünen in ihrer Anfangszeit benutzten: „Wir sind nicht rechts, nicht links, wir sind vorne!“ Peto will sich nicht auf eine politische Richtung festlegen. Für die politische Arbeit bedeutet das: „Wir wollen nicht einfach als Opposition dagegen stimmen, sondern denken darüber nach, was im konkreten Fall das Beste ist“, sagt Karsten. In der Peto-Fraktion werden keine Standpunkte vorgegeben oder verordnet. Man diskutiere so lange, bis ein Ergebnis vorliegt.
Natürlich kann Peto Forderungen nicht ohne Zustimmung der anderen Parteien durchbringen. Es werden Kompromisse geschlossen, man muss Abstriche machen. Und: „Man muss auch mal fair verlieren können“, sagt Michael. Doch seit die Partei sieben Sitze im Stadtrat hat, kann sie richtig mitentscheiden. „Ich habe das Gefühl, dass Peto in diesem Jahr mehr erreicht hat, als in den Jahren zuvor“, sagt Karsten. Im Rathaus sind sowohl die CDU als auch die SPD auf die drittstärkste Fraktion angewiesen.
Warum funktioniert gerade in Monheim das Projekt Jugendpartei? Tatsache ist: Nicht nur die Presse, sondern auch die Wähler bestätigen die gute politische Arbeit. Erklären können es die Petos selbst nicht so richtig. „Es war Zufall, dass die Partei hier gegründet worden ist“, meint Karsten. „Inzwischen haben wir aber Kultstatus. Und wir versuchen zu halten, was wir versprechen“. Peto hat inzwischen rund 170 Mitglieder. Bei der Nachwuchswerbung macht den Jugendlichen keine der etablierten Parteien etwas vor: Mit Beachvolleyball und Fußballturnieren, politischen Workshops und Konzerten zum Selbstkostenpreis geht Peto auf junge Leute zu. Karsten findet das nur fair: „Wozu haben wir das Geld in der Parteikasse? Davon können wir den Jugendlichen doch was zurückgeben!“
Inzwischen sind Florian und Sven eingetroffen und wühlen in ihren Akten. Hoffentlich geht die Sitzung nicht so lange – am Abend ist schließlich ein Fußballländerspiel!
Warum gibt es eigentlich keine Jugendpartei bundesweit? „Wir haben schon überlegt zu expandieren“, sagt Karsten. „Aber wir haben auch gesehen, wie schwierig es ist, allein in Monheim Fuß zu fassen.“ Sven ergänzt: „Vor Ort kann man sich konkrete Probleme anschauen und sie lösen. Auf Bundes- oder Landesebene stelle ich mir das schon schwieriger vor.“ Dann verschwinden sie in die Ausschusssitzung.