Uhrlau und Hanning: BND nicht in El-Masris Entführung verwickelt
Der Bundesnachrichtendienst (BND) war an der von der CIA bewerkstelligten Entführung des fälschlicherweise unter Terrorverdacht geratenen Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri nicht beteiligt, hat diese Aktion nicht geduldet und auch nicht durch die Weitergabe von Informationen an US-Geheimdienste unterstützt: Dies betonten am Donnerstag, dem 30. November 2006, vor dem Untersuchungsausschuss BND-Präsident Ernst Uhrlau und Innenstaatssekretär August Hanning, der als Vorgänger Uhrlaus bis zum Dezember 2005 an der Spitze des Pullacher Dienstes stand. Das Parlamentsgremium prüft, ob deutsche Behörden bis hin zur Regierung frühzeitig über das rechtswidrige Kidnapping El-Masris unterrichtet und in diese Aktion verwickelt waren. Der Neu-Ulmer Bürger war zum Jahreswechsel 2003/2004 in Mazedonien verhaftet und dann bis Ende Mai 2004 in einem Gefängnis in Afghanistan inhaftiert worden.
BND soll nicht an Verhören El-Masris mitgewirkt haben
Nach Angaben der beiden Zeugen erhielten das Bundeskanzleramt, wo Uhrlau seinerzeit als Abteilungsleiter mit Geheimdienstfragen befasst war, und die BND-Spitze erst im Juni 2004 vom Fall El-Masri nach dessen Freilassung Kenntnis, weil der Anwalt des Deutsch-Libanesen die Regierungszentrale und das Auswärtige Amt informiert hatte. Laut Uhrlau hat der BND auch nicht an Verhören El-Masris in Mazedonien oder Afghanistan mitgewirkt. Der BND habe die im Juni jenen Jahres von der bayerischen Staatsanwaltschaft aufgenommenen Ermittlungen zur Aufklärung der Entführung des Neu-Ulmers unterstützt, in dieser Angelegenheit jedoch nicht eigenständig recherchiert. Trotz kritischer Nachfragen von Abgeordneten unterstrich auch Hanning, dass die Zuständigkeit für die Aufklärung dieser Verschleppung bei der Justiz liege. Wie der heutige Staatssekretär ausführte, ergaben Nachforschungen bei deutschen Sicherheitsbehörden keine Anhaltspunkte, dass es sich bei "Sam" um einen Deutschen oder um eine Person handele, die mit hiesigen Dienststellen in Verbindung stehe. El-Masri hatte erklärt, in der letzten Phase seiner Einkerkerung in Afghanistan und auf seinem Rückflug auf den Balkan sei ein deutschsprechender "Sam" zugegen gewesen.
BND-Mitarbeiter "Cordes" war über Entführung informiert
Uhrlau bezeichnete es als "Panne" bei der internen Informationsvermittlung, dass ein BND-Mitarbeiter namens "Cordes" im Januar 2004 in der Kantine des mazedonischen Innenministeriums von der Verhaftung El-Masris erfuhr, dies jedoch erst im Mai 2006 nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses gegenüber der BND-Spitze offenbarte. Dieses Problem sei mittlerweile "sorgfältig aufgearbeitet" worden, so Uhrlau. Laut Hanning gehörte "Cordes" zwar zu der in der deutschen Botschaft in Skopje ansässigen BND-Residentur, sei jedoch in deren Arbeit nicht direkt eingebunden und mit anderen Aufgaben betraut gewesen. Der Ex-Chef des BND bezeichnete es als "ungewöhnlich", dass "Cordes" seine Information über die Festnahme eines Deutschen so lange für sich behielt. Er habe nie erlebt, so Hanning, dass ein BND-Mitarbeiter eine Nachricht dieser Art nicht weiterleitete. Da er die näheren Umstände dieses Vorgangs aber nicht kenne, wolle er das Vorgehen von "Cordes" nicht bewerten. Der BND habe 6.000 Mitarbeiter, ein Fehlverhalten Einzelner sei nie auszuschließen. Hanning sagte, der BND hätte sich natürlich für das Entführungsopfer engagiert, so man von der Verhaftungsaktion Kenntnis erhalten hätte. Es sei eine "abwegige Vorstellung", dass sich deutsche Behörden in einer solchen Situation nicht für hiesige Staatsbürger einsetzen würden. Uhrlau meinte, "versehentlich" sei "Cordes" nicht befragt worden, als alle anderen BND-Bediensteten in Mazedonien in dienstlichen Erklärungen mitteilten, von der Festnahme El-Masris nichts mitbekommen zu haben.
US-Botschafter Coats informierte Innenminister Schily
Beide Zeugen sagten übereinstimmend, erst Ende 2005 aus US-Medien erfahren zu haben, dass der damalige Innenminister Otto Schily schon am 31. Mai 2004 von US-Botschafter Daniel Coats über die Entführung El-Masris informiert wurde. Er sei "überrascht" gewesen, so Hanning, weswegen er nachgefragt habe, "ob das wirklich stimmt". Natürlich hätte er sich "gewünscht", er wäre als BND-Präsident nach der Freilassung des Deutsch-Libanesen über das Gespräch unterrichtet worden. Vor dem Ausschuss bekundete Hanning jedoch "Respekt" vor Schilys Verhalten, weil der seinerzeitige Minister gegenüber Coats Vertraulichkeit zugesichert habe.
Hinweise im Kanzleramt
Nach den Ausführungen Uhrlaus verdichteten sich erst von Januar 2005 an aufgrund von Berichten in US-Medien und aufgrund neuer Erkenntnisse deutscher Behörden Hinweise, dass der Fall El-Masri als Teil einer systematischen Rendition-Praxis einzustufen sei. Im Kanzleramt habe es zuvor zwar Hinweise gegeben, dass die USA im Ausland gegen Bürger anderer Staaten vorgehen und verhaftete Personen nach Guantanamo bringen. Man habe jedoch nicht gewusst, dass US-Stellen Festgenommene auch in Drittstaaten inhaftierten und verhörten. Auf entsprechende Fragen von Abgeordneten erklärte Hanning, nach seiner Kenntnis habe der BND nicht an Renditions-Aktionen mitgewirkt.
Als Zeugen wurden vernommen:
- Herr K., Bundesnachrichtendienst
- Dr. August Hanning, Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern
- Ernst Uhrlau, Präsident des Bundesnachrichtendienstes
- Herr R., Bundesamt für Verfassungsschutz
- Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Auftrag des 1. Untersuchungsausschusses
Die Bundesregierung hatte am 20. Februar 2006 dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages einen Bericht „zu Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ vorgelegt. Zur Klärung von offenen Fragen, Bewertungen und gebotenen Konsequenzen wurde am 7. April 2006 der 1. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes (GG) eingesetzt. Der Untersuchungsausschuss soll im Zusammenhang mit den Vorgängen aus dem Bericht klären, welche politischen Vorgaben für das Handeln von Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Militärischem Abschirmdienst (MAD), Generalbundesanwalt (GBA) und Bundeskriminalamt (BKA) gemacht wurden. Ferner soll der Ausschuss untersuchen, wie die politische Leitung und Aufsicht ausgestaltet und gewährleitstet wurde.