Experten uneins bei Bewertung der Gentechniknovelle
Berlin: (hib/SAS) Uneins sind sich die Sachverständigen bei der Bewertung der von der Bundesregierung eingebrachten Novelle zum Gentechnikrecht ( 15/3088), mit der die EU-Freisetzungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden soll. Wie aus den schriftlichen Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung des Verbraucherschutzausschusses am Montagnachmittag hervorgeht, stößt insbesondere die Haftungsfrage auf Widerspruch. Nach dem Willen der Regierung sollen Landwirte insbesondere dann einen Ausgleichsanspruch haben, wenn "durch die Einträge von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird".
Befürworter der Gentechnik wie die Kleinwanzlebener Saatzucht AG lehnen die in der Novelle vorgesehenen Haftungsregeln mit der Begründung ab, die Definition der "wesentlichen Beeinträchtigung" belaste einseitig die Nutzer der Gentechnik und schrecke vor der Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen ab. Außerdem hält sie die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung einer "verschuldensunabhängigen gesamtschuldnerischen Gefährdungshaftung" für bedenklich. Ähnlich argumentiert auch die metanomics GmbH: die neu vorgeschlagenen Bestimmungen stellten eine einseitige Belastung einer Anbauweise dar. Dies lasse dem Landwirt praktisch nur die Option, komplett aus der Gentechnik auszusteigen, wolle er sich davor schützen, für von anderen verursachte angebliche Schäden haftbar gemacht zu werden. In den Augen von Professor Gerd Winter von der Universität Bremen wird mit der Reform des Gentechnikrechts der Konflikt auf die Ebene von "Acker und Tresen" verlagert. "Wirklichkeitsfremd" werde dabei unterstellt, die Landwirte und Verbraucher seien finanziell ausreichend ausgestattet, um im Konfliktfall Schäden nachzuweisen und zu kompensieren. Dagegen erhebt der Umweltverband BUND die Forderung, dass Wirtschaftsbeteiligte, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichteten und durch GVO-Einträge beeinträchtigt worden seien, schnell und umfassend zu entschädigen sind. Er tritt dafür ein, ökologische Schäden auf agrarischen und nicht agrarischen Flächen finanziell zu kompensieren. Für "völlig inakzeptabel" hält der Umweltverband einen Haftungsfonds, wenn dieser eine Beteiligung des Steuerzahlers einschließe, der nach Meinung des BUND mehrheitlich von Gen-Food nichts wissen will. Der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft begrüßt die vorgesehene Beweislasterleichterung für Betroffene.
Auch die Frage nach Standortregistern wird unterschiedlich bewertet. So hält der BUND die Regelungen für "völlig unzureichend" und beharrt darauf, als Fristen für den Eintrag ins Standortregister sowohl für Freisetzungen als auch für den kommerziellen Anbau von GVO drei Monate anzusetzen. Der Deutsche Bauernverband plädiert indes auf die Einrichtung eines Bundesregisters. So sollte der GVO-Anbau nicht an die Landesbehörden, sondern direkt an ein noch einzurichtendes Bundesregister gemeldet werden. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Horst Rehberger wendet ein, dass es keine rechtliche Verpflichtung zur Bekanntgabe von Anbauflächen gebe und möchte die Bekanntgabe aller Standorte von der Einwilligung der betroffenen Landwirte abhängig machen. Die Regierung hält die Schaffung von Standortregistern für ein wesentliches Element, um die Koexistenz unterschiedlicher landwirtschaftlicher Erzeugungsformen zu gewährleisten.