Mehrheit der Sachverständigen spricht sich für Informationsfreiheitsgesetz aus
Berlin: (hib/WOL) Die Mehrheit der eingeladenen neun Sachverständigen hat sich für einen Entwurf der Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG, 15/4493) ausgesprochen. Dies zeigte sich am Montagvormittag in den Stellungnahmen und den Antworten auf Fragen der Fraktionen. Fünf der eingeladenen Experten verbanden die gesetzgebende Wirkung des IFG mit der Chance, das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zu stärken, Bürokratiehürden abzubauen, Verfahren zu beschleunigen und Korruptionstendenzen entgegenzuwirken. Laut Alexander Dix, dem Landesbeauftragten Brandenburgs für Datenschutz, könne das IFG dazu führen, dass viele Streitigkeiten geschlichtet werden, bevor es zu einem Gerichtsverfahren komme. Es könne somit die Verwaltungsgerichte entlasten. Dix sieht sich dabei durch die Erfahrungen in insgesamt vier Bundesländern bestätigt. Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche aus Hamburg bestätigte diese Einschätzung. Rund 2.000 Anträge seien in zwei Jahren in Schleswig-Holstein eingegangen. Damit ergebe sich ein Verteilungseffekt von rund fünf Anträgen in zwei Jahren pro Amt. 88 Prozent der gewünschten Infos hätten frühzeitig geliefert werden können, der Rest von 12 Prozent sei nicht erfolgt, weil entsprechende Information bei den Behörden entweder nicht vorgelegen hätten oder weil unternehmerische Geheimhaltung dagegen gesprochen habe.
Für Professor Michael Kloepfer von der Humboldt-Universität Berlin könne die staatliche Gewalt durch Informationszugangsrechte nicht nur im Nachhinein kontrolliert werden. Er betonte auch den Aspekt der "informationellen Schätze", die in der öffentlichen Hand "schlummern" und durch Informationszugang der Bürger und Unternehmen "gehoben" werden könne. Zudem sei es bislang in keinem Staat und keinem Bundesland mit voraussetzungslosem Informationszugang zu einem Zusammenbruch der Verwaltungsbehörden durch eine Flut einschlägiger Anträge gekommen. Der Verwaltungsaufwand für Anträge in diesem Bereich sei in aller Regel nicht übermäßig. Peter Eigen, Vorsitzender von "Transparency International" aus Berlin, erklärte unter Bezug auf seine jahrzehntelange Arbeit für die Weltbank, diese habe die Forderung nach Transparenz umgesetzt und werde nun auch in der kritischen Zivilgesellschaft als Partner ernst genommen. Unverständnis gebe es darüber, dass Deutschland beim Informationszugang allen vergleichbaren Ländern hinterher hinke. In fast allen anderen Staaten werde Verwaltungstransparenz als Vorteil und nicht als Belastung aufgefasst.
Falk Peters, European Society for e-government (Bonn/Berlin), sagte, die Voraussetzung für ein positives IFG sei, dass der Gesetzgeber aufhören müsse, die Dinge zu "zerregeln". Kyell Swanström, Ombudsmann des schwedischen Reichtags, verwies schließlich auf die positiven Erfahrungen in Schweden und den skandinavischen Ländern überhaupt. Er sagte, in Schweden bestehe das Recht auf Information seit über 200 Jahren, und "nirgends sei deshalb etwas zusammengebrochen". Konkret wandte sich Swanström gegen die festgelegten langen Auskunftsfristen und die vielen Ausnahmeregelungen. Dies könne den Grundgedanken des Gesetzes unterminieren und Behörden dazu einladen, extensiv Auslegungen vorzunehmen.
Für einen möglichst vollständigen Ausnahmenkatalog im IFG machte sich Klaus Bräuning vom Bundesverband der Deutschen Industrie stark. Dies dürfe nicht als mangelndes Verständnis für Demokratie missverstanden werden. Gerade eine präzise und umfassende Spezialgesetzgebung schütze die Unternehmen in ihrer wettbewerbsrechtlichen Situation. Professor Martin Ibler von der Universität Konstanz sah in der gegenwärtigen Fassung des Gesetzentwurfes mögliche Punkte des "Aneckens". Dazu gehöre unter anderem der Rechtsschutz der Staatskontrolle gegenüber dem Rechtsschutz des Einzelnen. So könne die Klage gegen Herausgabe von Daten auch zu mehr Gerichtsverfahren führen.
Laut Utz Schliesky vom Deutschen Landkreistag in Berlin sei schließlich die Notwendigkeit eines Informationsfreiheitsgesetzes verfassungsrechtlich nicht begründbar. Das IFG würde den Antragsstellern zwar Informationen zugänglich machen, doch bestünden keine weiteren Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten, wenn nicht eigene rechtlich geschützte Interessen berührt seien. Gerade diese fehlende Handlungs- und Reaktionsmöglichkeit könne Frustration bei Bürgern auslösen und die angestrebten Zielsetzungen konterkarieren.