Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft (Anhörung)
Berlin: (hib/KOS) Massive Kritik an der Unterfinanzierung der
Verbraucherzentralen in den Ländern übten deren Sprecher
am Mittwoch bei einer Anhörung im Bundestag. Wegen
spürbar reduzierter Zuschüsse besonders seitens der
Landesregierungen als Folge der verschärften Sparzwänge
mussten seit 2000 bundesweit 25 Prozent aller Beratungsstellen
geschlossen werden, erklärte Olaf Weinel von der
niedersächsischen Einrichtung: Statt ursprünglich 240
gebe es jetzt nur noch 180 dieser Büros, so Weinel, der auch
Koordinator der Verbraucherzentralen der Länder ist.
Karl-Heinz Schaffartzik aus Nordrhein-Westfalen: "Wir stehen mit
dem Rücken zur Wand". Jürgen Fischer aus
Mecklenburg-Vorpommern: "Wir haben eine schwere Zukunft vor uns".
Aus Sicht Weinels sollte aus öffentlichen Mitteln ein Euro pro
Kopf in die Konsumentenberatung fließen, momentan liege die
Förderung durch die Länder jedoch nur zwischen 18 und 62
Cent je Bürger, im Bundesschnitt seien es 30 Cent. Weinel
forderte die Länder zu einem gemeinsamen Konzept für die
Finanzierung der Verbraucherzentralen auf. Die Einrichtungen
stützten sich vor allem auf Landesmittel, hinzu kämen
kommunale Gelder sowie Zuweisungen aus Töpfen der
Bundesregierung für konkrete Projekte. Außerdem wurden
angesichts der immer schwierigeren Lage die Einnahmen durch
Gebühren für Ratsuchende zusehends erhöht. Dieser
Eigenbeteiligung der Bürger seien jedoch Grenzen gesetzt,
sagte Beate Weiser aus Baden-Württemberg. In einer
schriftlichen Analyse warnt Olaf Weinel: Verteuere man die
Dienstleistung zwecks besserer Kostendeckung, halte man gerade
einkommensschwache Gruppen vom Gang zur Konsumentenberatung ab.
Einhellig betonten die Sachverständigen die wachsende
Bedeutung der Verbraucherpolitik. Gerade angesichts der
fortschreitenden Liberalisierung und Deregulierung der Märkte
müsse man die Position der Konsumenten aufwerten, so Weinel.
Beispielsweise ließen private Altersvorsorge,
Telekommunikation und Gesundheitsdienstleistungen oder
Musterprozesse und Verbandsklagen die Anforderungen an die
Verbraucherzentralen steigen. Weinel in seiner Expertise: "Eine auf
Stärkung der Eigenverantwortung der Bürger gerichtete
Politik braucht informierte und gut beratene Verbraucher." Die
wissenschaftliche Unterstützung durch Fachleute werde immer
wichtiger, erläuterte Schaffartzik. Fischer betonte, dass die
Verbraucherzentralen "Hüter des Wettbewerbs" seien und so
einen Beitrag zum Funktionieren der Marktwirtschaft leisteten. Die
Schwächung dieser Einrichtungen werfe "wettbewerbsrechtliche
Probleme" auf, erklärte auch Norbert Müller-Tillmann vom
Schweriner Wirtschaftsministerium, "im Markt gewinnen die Anbieter
immer mehr Dominanz". Müller-Tillmann bedauerte es, dass sein
Ressort angesichts der Haushaltszwänge die Subventionen
für die Konsumentenberatung in seinem Land von
ursprünglich einmal drei Millionen Euro jährlich auf
jetzt 300.000 Euro habe reduzieren müssen. Die Insolvenz der
Verbraucherzentrale in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr
markiere bundesweit das bislang dramatischste Signal für die
sich verschärfende finanzielle Situation dieser Einrichtungen.
Mittlerweile sei im deutschen Nordosten eine neue
Verbraucherzentrale gegründet worden. Statt früher 19
habe man nun aber nur noch fünf Büros, berichtete
Fischer, ein Viertel der Landesfläche erreiche man
überhaupt nicht mehr. Statistisch gebe es jetzt noch 0,3 bis
0,5 Berater auf 100.000 Einwohner. Themen wie Mietrecht oder
Baufinanzierung würden nicht mehr bearbeitet. Beate Weiser
führte aus, dass als Folge der Kürzungen bei den Landes-
und kommunalen Zuschüssen die Verbraucherzentrale in
Baden-Württemberg inzwischen lediglich noch zwölf
Dependancen unterhalte. Regelmäßige Öffnungszeiten
seien abgeschafft worden, Termine für persönliche
Beratungen seien nur nach telefonischer Absprache möglich.
Testberichte etwa zu Qualität und Preis von Waschmaschinen
oder anderer gängiger Produkte habe man standardisiert, solche
Themenordner lägen jetzt in Stadtbibliotheken zur Einsicht
aus. Deutlich ausgebaut worden, so Weiser, seien die
Telefonberatung und das Informationsangebot im Internet.
Schaffartzik erläuterte am Beispiel Nordrhein-Westfalens, dass
bei den Verbraucherzentralen rund 90 Prozent des Etats durch
Personalausgaben und Aufwendungen für Miete oder Druckkosten
festgelegt seien. Angesichts des engen finanziellen Spielraums von
lediglich zehn Prozent würden weitere Kürzungen dazu
führen, "dass wir die Bleistifte abgeben können".